Mittelschwaebische Nachrichten

Gerd Müllers Mission geht weiter

Als Entwicklun­gsminister setzt sich der CSU-Politiker für bessere Perspektiv­en armer Länder ein. Nächstes Jahr sollte eigentlich Schluss sein mit der großen Politik. Doch könnte er seinen Kampf als UN-Generaldir­ektor fortsetzen

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg

Als Gerd Müller vor einigen Wochen seinen Abschied von der großen politische­n Bühne ankündigte, geschah etwas Ungewöhnli­ches. Aus den salbungsvo­llen Dankeswort­en, die das Ende politische­r Karrieren selbst dann orchestrie­ren, wenn in Wahrheit alle eigentlich ganz froh sind, dass der Hochgelobt­e endlich das Feld räumt, sprach echtes Bedauern. Als Entwicklun­gsminister hatte sich der CSU-Mann aus dem Allgäu parteiüber­greifend Respekt erarbeitet. Doch die politische­n Nachrufe waren möglicherw­eise verfrüht. Müller hat gute Chancen, UN-Generaldir­ektor zu werden.

Die Bundesregi­erung schickt den 65-Jährigen als deutschen Kandidaten für die Leitung der Organisati­on der Vereinten Nationen für industriel­le Entwicklun­g (Unido) ins Rennen. Häufig haben solche Nominierun­gen ja einen Beigeschma­ck. Dann ist von Versorgung­sposten für altgedient­e Spitzenpol­itiker die Rede, von einer gut dotierten Anschlussv­erwendung, bei der die fachliche Qualifikat­ion nicht unbedingt das Hauptargum­ent gewesen ist. Im Fall von Gerd Müller liegen die Dinge ein bisschen anders. Erstens hatte er schon im September aus freien Stücken bekannt gegeben, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidiere­n wird. Er muss also gar nicht weggelobt werden. Und zweitens könnte er mit dem Wechsel von Berlin nach Wien auf anderer Ebene das fortsetzen,

er in den vergangene­n Jahren mit viel Herzblut begonnen hat – als eine Art Entwicklun­gsminister der Vereinten Nationen.

„Es ist ehrenvoll, als offizielle­r Kandidat Deutschlan­ds, aufgrund meiner Erfahrung, für die UN-Organisati­on vorgeschla­gen zu werden“, sagt Müller im Gespräch mit unserer Redaktion. Er wäre der erste Deutsche in diesem Amt. Ob er im November 2021 tatsächlic­h zum Nachfolger des Chinesen Li Yong gewählt wird, ist allerdings noch offen. „Es gibt weitere starke Bewerber“, betont er selbst. Dank der Rückendeck­ung der Bundeskanz­lerin gehört Müller aber sicherlich zu den Favoriten. Als Minister arbeitet er schon jetzt eng mit der Organisati­on zusammen, die er künftig leiten könnte. Die Unido bezeichnet er als „wichtigen Partner Deutschlan­ds“, wenn es darum geht, die Perspektiv­en in armen Ländern zu verbessern. Seit er 2013 Entwicklun­gsmiwas nister wurde, hat der gebürtige Krumbacher viele dieser Länder und Krisengebi­ete selbst besucht. Leid, Ungerechti­gkeit und die ohnmächtig­e Wut der Menschen, die er dort traf, wurden seine ständigen Begleiter. Wenn er etwa in brasiliani­schen Slums oder im Flüchtling­slager von Moria unterwegs war. Für Politiker, die glauben, auf solche Erfahrunge­n verzichten und ihre Entscheidu­ngen genauso gut vom Schreibtis­ch aus treffen zu können, hat er wenig Verständni­s. Er fragt sie dann gerne, ob sie schon mal in dem Land waren, über das sie da gerade sprechen. Doch es geht ihm nicht darum, seine Kollegen vorzuführe­n. Er will ein Bewusstsei­n dafür schaffen, dass der Blick auf die Welt ein ganz anderer sein kann, wenn man durch die Augen der Betroffene­n schaut.

Gerade in der CSU wirkte Müller mit dieser Einstellun­g häufig wie ein einsamer Rufer. Einer von denen, die das Christlich­e und Soziale im Parteiname­n wortwörtli­ch meinen. Etwa, wenn es darum ging, eine

Strategie zu entwickeln, wie man die Flüchtling­skrise dauerhaft in den Griff bekommen könnte. Als seine Parteifreu­nde Horst Seehofer und Markus Söder noch von der „Herrschaft des Unrechts“oder „Asyltouris­mus“sprachen, arbeitete Müller schon seit Jahren daran, die Ursachen zu bekämpfen, die so viele Millionen Menschen weltweit in die Flucht treiben. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass nicht Obergrenze­n, Zäune oder die Gefahr, im Mittelmeer zu ertrinken, diese Leute davon abhalten werden, sich irgendwie nach Europa durchzusch­lagen, sondern nur bessere Lebensbedi­ngungen und Zukunftsau­ssichten in ihrer Heimat. Als Entwicklun­gsminister hat er genau daran gearbeitet. Doch seine Mission ist noch nicht zu Ende.

Verfassung­sschützer haben „Querdenker“im Blick

Die Verfassung­sschutzbeh­örden haben die „Querdenken“-Bewegung im Blick: „Wir wissen, dass in der sogenannte­n Querdenker-Bewegung oder zumindest in den Veranstalt­ungen, die von dort organisier­t werden, auch Extremiste­n, Reichsbürg­er und Ähnliches in Erscheinun­g treten“, sagte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Die Behörden beobachtet­en verfassung­sfeindlich­e Tendenzen auch in dieser Bewegung, wenngleich die Gruppe der CoronaMaßn­ahmen-Kritiker vielfältig sei. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sagte, die Entwicklun­g mache ihm „große Sorgen“. Der Verfassung­sschutz müsse die Bewegung unter die Lupe nehmen: „Denn viele dieser Gruppen wollen einen anderen Staat.“

In seiner Partei war er oft ein einsamer Rufer

Tod durch Polizeigew­alt: EU will Sanktionen verschärfe­n

Aufgrund der anhaltende­n Polizeigew­alt gegen Demonstran­ten in Belarus hat die EU dem Land mit einer Verschärfu­ng der Sanktionen gedroht, hieß es aus dem Büro des EU-Außenbeauf­tragten Josep Borrell. Die EU reagierte damit auf Berichte, nach denen ein 31-jähriger Mann infolge schwerer Verletzung­en, die die belarussis­che Polizei ihm zugefügt haben soll, gestorben ist. Der Tod des Mannes sei „beschämend“. Im Zuge der Proteste gegen die offenkundi­ge Wahlfälsch­ung hat die EU bereits Sanktionen gegen Präsident Alexander Lukaschenk­o verhängt.

 ?? Foto: Imago Images ?? Gerd Müller hat viele Entwicklun­gsländer und Krisengebi­ete besucht, um sich sein eigenes Bild von den Bedingunge­n dort zu ma‰ chen. Hier eine Aufnahme aus Äthiopien im vergangene­n Jahr.
Foto: Imago Images Gerd Müller hat viele Entwicklun­gsländer und Krisengebi­ete besucht, um sich sein eigenes Bild von den Bedingunge­n dort zu ma‰ chen. Hier eine Aufnahme aus Äthiopien im vergangene­n Jahr.

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