Mittelschwaebische Nachrichten
Wie Amazon & Co. in der Krise gewinnen
Während die Weltwirtschaft unter der Corona-Krise leidet, fahren große Tech-Konzerne Umsatzrekorde ein. Sie sitzen alle in den USA. Und ihre Namen sind weithin bekannt
Augsburg
Der 20. Juli 2020 war ein erfreulicher Tag im Leben des Jeff Bezos. Die Amazon-Aktie legte an diesem Tag acht Prozentpunkte zu und Bezos war am Abend gut 13 Milliarden Dollar reicher. Noch nie zuvor hat ein einzelner Mensch in so kurzer Zeit so viel Geld verdient. Der durchschnittliche Amerikaner müsste dafür 200 000 Jahre arbeiten. Aber nicht nur für Jeff Bezos lief es gut in der Corona-Krise. Viele der Tech-Giganten profitierten. Denn der Lockdown machte sie unentbehrlich.
Mario Herger hat lange für SAP gearbeitet. Heute lebt er im Silicon Valley und berät Unternehmen zu Technologietrends. Der Österreicher unterscheidet Unternehmen in drei Kategorien: „Es gibt Unternehmen, die Personen bewegen, andere, die Güter bewegen, und dann gibt es noch Firmen, die Daten bewegen.“Gewinner der Krise waren vor allem die Daten-Unternehmen.
Ein Beispiel dafür ist Zoom. Das Unternehmen bietet Software für Videokonferenzen an. „Die Zentrale von Zoom ist direkt bei mir um die Ecke, etwa zehn Minuten entfernt“, sagt Herger. Den CEO Eric Yuan kennt er persönlich. Wenn Herger Unternehmen berät, führt er sie häufig durch die Zoom-Zentrale. „Bis vor einem Jahr musste ich dann immer erklären, was Zoom ist und warum wir dorthin gehen. Heute kennt jeder Zoom.“
Das Unternehmen verzeichnete während der Pandemie einen Sprung bei Umsatz und Gewinn und verdoppelte seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr.
Neben Zoom profitierten vor allem die großen Konzerne um Facebook, Google, Amazon und Apple – auch „Big Tech“genannt. Die Branche neigte schon vor Corona zu monopolistischen Strukturen. Man spricht vom „Winner Takes it all“-Prinzip. Heißt: Im Netz konzentrieren sich Kunden häufig auf einen Anbieter. Anders als in der analogen Welt. Wer hier einkaufen geht, fährt nicht unbedingt zum Supermarkt mit den besten Angeboten. Der ist vielleicht weit weg oder der Andrang an den Kassen ist groß. Stattdessen fahren die Kunden zum nächstbesten Geschäft.
Im Internet muss niemand anstehen und jedes Angebot ist nur einen Klick entfernt. Es gibt keinen Grund, sich mit dem vermeintlich zweitbesten Angebot zufriedenzugeben. Deshalb möchte kaum jemand über die zweitschnellste Suchmaschine surfen oder auf dem zweitgrößten sozialen Netzwerk chatten. Die Nutzer fokussieren sich auf Google und Facebook. Und wer im Internet shoppen will, steuert häufig die Seite von Amazon an.
„Diese Marktmacht haben die Tech-Konzerne in der Krise noch ausgebaut“, sagt Herger. Am Beispiel von Amazon zeigt sich das besonders deutlich. Die Virologen und Regierungen dieser Welt wiesen die Bevölkerung an, zu Hause zu bleiben. Die meisten Menschen hielten sich daran – und sie bestellten Möbel, Küchengeräte oder Smartphones im Netz, anstatt sich im Fachgeschäft dem Infektionsrisiko auszusetzen. Sie streamten Filme bei Netflix oder Amazon Prime, statt ins Kino zu gehen, das vielerorts zeitweise sowieso geschlossen hatte. Daraus ergibt sich ein NetzwerkEffekt, wie der Investor und Buch
Thomas Rappold erklärt. „Ein Netzwerk ist immer dann attraktiv, wenn viele Menschen es nutzen.“
Im Fall von Amazon heißt das: „Wenn ich nur einen Kunden habe, ist es für die Händler nicht spannend. Aber wenn das Unternehmen seine Kundenzahl erhöht, kommen auch mehr Händler auf die Seite. Das Angebot steigt weiter, was wiederum mehr Kunden anzieht. Auf diese Weise konnte Amazon in der
Vergangenheit so enorm wachsen.“Im dritten Quartal dieses Jahres brachte das dem Unternehmen einen Umsatz von 96 Milliarden Dollar ein, 37 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für das kommende Quartal sollen es sogar 112 Milliarden sein. Mindestens. Das wäre ein Rekord. Das erste Mal, dass der Konzern in einem Quartal die 100-MilliardenDollar-Marke knackt.
Bei anderen Tech-Giganten zeichnete sich der Erfolg im Krisenautor jahr nicht sofort ab. Bei jenen nämlich, die sich über Werbung finanzieren. Dazu gehören Facebook und Google. Ein großer Teil von Facebooks Werbekunden sind kleine und mittlere Unternehmen. Viele traf die Pandemie hart und sie schalteten entsprechend weniger Anzeigen. Ein Restaurant beispielsweise wird kaum für seinen Mittagstisch werben, wenn es nicht öffnen darf.
Trotzdem gewann Facebook im Laufe des Jahres und steigerte seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent. Ein ähnlicher Trend zeigte sich bei Google. Der Grund: Mit der Zeit passte sich die Wirtschaft den neuen Bedingungen an. „Jedes Restaurant muss eine Webseite haben, jeder Laden in der Innenstadt braucht auch einen Online-Shop. Sonst könnten sie überhaupt nicht mehr überleben“, sagt Mario Herger. Um in der CoronaWirtschaft erfolgreich zu sein, müssen die Unternehmen auf sich aufmerksam machen, sagt Herger. „Und dafür brauchen sie Facebook und Google.“
Allerdings mussten einige Unternehmen auch Dämpfer einstecken. Die Tech-Konzerne liegen in Rechtsstreits mit der US-Regierung und der EU. Es geht um Verstöße gegen das Kartellrecht. Verlieren die Unternehmen, könnte ihnen sogar die Aufspaltung drohen. Außerdem fielen einige Tech-Aktien, als Biontech und Pfizer ihren Impfstoff-Fortschritt bekannt gaben, davon betroffen war auch Zoom. Mario Herger ist trotzdem optimistisch: „Zoom wird bleiben, weil es als allgemein gängiges Werkzeug erkannt wurde. Ich sehe das auch in meinem Bekanntenkreis. Einige sagen jetzt, nach der Pandemie, da will ich zwei Tage Homeoffice machen.“
Ähnlich sei auch die Stimmung im Silicon Valley. Es fließe viel Geld, um neue Werkzeuge zu entwickeln. „Ich sehe das am autonomen Fahren. Da wird gerade viel an Lieferrobotern gearbeitet. Plötzlich sind die hier überall aufgetaucht, weil man da gesehen hat, dass das eine echte Chance sein kann. Am Ende liefern eben nicht mehr Menschen das Essen aus, sondern Roboter.“