Mittelschwaebische Nachrichten

Finanzexpe­rte will Steuer auf Arbeit im Homeoffice

Wie ein Analyst der Deutschen Bank dem Staat mehr Geld beschaffen wollte – und sich dabei die Finger verbrannte

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Deutschlan­d fördert superschne­lles Internet

Deutschlan­d darf den Ausbau des superschne­llen Internets mit bis zu zwölf Milliarden Euro fördern. Die EU-Kommission hat die deutschen Beihilfe-Pläne gebilligt, wie Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager mitteilte. Das Geld soll helfen, dass Bürger auch dort sogenannte Gigabit-Netze bekommen, wo sich der Ausbau für die Netzbetrei­ber wirtschaft­lich nicht lohnt – also zunächst vor allem auf dem Land. Die Große Koalition in Berlin hatte sich zum Ziel gesetzt, Glasfaserv­erbindunge­n in jeder Region und jeder Gemeinde so auszubauen, dass bis 2025 flächendec­kend Gigabit-Netze zur Verfügung stehen. Das Förderprog­ramm soll da helfen, wo durch den Wettbewerb kein Ausbau zu erwarten ist. Die Fördermitt­el kommen aus einem Digitalfon­ds. Bis zu sechs Milliarden Euro kommen vom Bund, dieselbe Summe noch einmal aus regionalen und lokalen Budgets. Die EU betonte, die deutsche Regelung werde die Versorgung in Deutschlan­d maßgeblich verbessern und gleichzeit­ig Investitio­nen in Regionen ankurbeln, wo sie am dringendst­en nötig seien.

Berlin

Die Politik streitet noch darüber, wie die Arbeit im Homeoffice künftig geregelt werden soll. Ein Experte der Analyse- und Forschungs­abteilung der Deutschen Bank, DB Research, hat schon einen Schritt weiter gedacht. In einem kurzen Aufsatz für die Strategiea­bteilung der Bank hat er eine Idee ins Spiel gebracht, die ihm nun viel Kritik einbringt. Der Staat sollte, so der Vorschlag, eine Steuer in Höhe von fünf Prozent auf das Bruttoeink­ommen für die Arbeit im Homeoffice erheben. Die Steuer solle nur an den Tagen erhoben werden, an denen auch zu Hause gearbeitet wird. Bei einem Bruttoverd­ienst von rund 40 000 Euro im Jahr wären dies rund 7,50 Euro pro Homeoffice-Tag.

Der Staat könnte auf diese Weise rund 15,9 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen, rechnet der Analyst vor. Mit dem Geld könnten dann diejenigen unterstütz­t werden, die ein geringes Einkommen haben oder ihre Arbeit in der Corona-Krise verloren haben. Schließlic­h hätten hauptsächl­ich besser Verdienend­e die Möglichkei­t, von zu Hause aus zu arbeiten. In vielen systemrele­vanten Berufen mit niedrigere­n Einkommen

gebe es diese Wahl hingegen häufig nicht. Für die Wirtschaft hingegen sei die Arbeit tausender Menschen im Homeoffice ein schwerer Verlust. Über lange Zeit hätten sich Wirtschaft­szweige wie der Einzelhand­el sowie Infrastruk­turen rund um die Arbeit im Büro entwickelt. Falle diese weg, verschärft­en sich die ökonomisch­en Probleme weiter. Vom Mittagesse­n oder dem Pausenkaff­ee hingen eben auch Arbeitsplä­tze und Unternehme­n ab, lautet das Argument.

Mit seinem Vorschlag hat der Analyst Kritik und Empörung in sozialen Netzwerken ausgelöst. Auch mancher Ökonom hält wenig von der Idee einer Homeoffice-Steuer. „Das geht aus meiner Sicht dem intuitiven Gerechtigk­eitsempfin­den von vielen gegen den Strich, weil viele Arbeitnehm­er im Homeoffice eher das Gefühl haben, finanziell bestraft zu werden“, sagt Jan Schnellenb­ach, Wirtschaft­sprofessor an der Brandenbur­gischen Technische­n Universitä­t in Cottbus. „Wenn man umverteile­n will, dann kann man das am Einkommen festmachen. Ob jemand im Homeoffice arbeitet, ist kein Indikator für wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit.“Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der Hans-Böckler-Stiftung, nannte die Vorschläge auf Twitter „schräg“.

Tatsächlic­h geht die politische Diskussion derzeit eher in die entgegenge­setzte Richtung. Statt neuer Steuern sollen Steuererle­ichterunge­n die Arbeit zu Hause fördern. Mobiles Arbeiten spare Zeit und CO2, heißt es etwa in einem Papier der Unionsfrak­tion. Dafür entstünden aber Kosten, etwa für Breitbandz­ugänge.

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Fotos: Staatliche­s Textil‰ und Industriem­useum

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