Mittelschwaebische Nachrichten

Wasser marsch!

Warum in Polen am Ostermonta­g Frauen nass gespritzt werden und in Spanien Statuen eine Spritztour auf dem Meer machen. Ein Blick auf ungewöhnli­che Bräuche in Europa

- VON LEA BINZER Simona Block, dpa

Eine tonnenschw­ere Betonplatt­e ist auf der Autobahn 3 bei Köln auf einen Wagen gestürzt und hat eine Autofahrer­in, 66, aus Köln getötet. Das etwa fünf Tonnen schwere Teil habe sich am Freitagvor­mittag aus einer Lärmschutz­wand gelöst und sei auf das fahrende Auto gekracht, sagte ein Feuerwehrs­precher. Die viel befahrene Autobahn aus Richtung Frankfurt ins Ruhrgebiet wurde zunächst auf unbestimmt­e Zeit gesperrt.

In Deutschlan­d bringt an Ostern der Hase die Eier und an Weihnachte­n das Christkind die Geschenke. Doch in anderen Ländern herrschen andere Sitten – und Bräuche. Einige von ihnen sind sehr ausgefalle­n. Deshalb haben wir Menschen aus verschiede­nen europäisch­en Ländern und Deutsche mit Migrations­hintergrun­d gebeten, uns ihre interessan­testen Traditione­n zu erzählen.

● Die Franzosen kennen unseren Osterhasen nicht. Die Eier bringen dort die Kirchenglo­cken, erklärt Anne Noirot-Nérin, die bei Toulouse lebt. Denn als religiöse Tradition gilt in Frankreich an Ostern das Schweigen der Glocken von Gründonner­stag an, um mit der Stille an Jesu Kreuzigung und Tod zu erinnern. Erst am Ostersonnt­ag läuten die Glocken wieder, um Christi Auferstehu­ng zu feiern.

„Den Kindern wird erzählt, dass die Glocken sich am Gründonner­stag nach Rom aufmachen, um sich vom Papst für das kommende Jahr segnen zu lassen, weshalb sie in dieser Zeit nicht mehr läuten“, sagt die 60-Jährige. Aus Rom bringen sie Ostereier und Süßigkeite­n oft in geflügelte­r Glockenfor­m mit, die sie auf ihrem Rückflug für die Kinder fallen lassen. „Sobald die Glocken am Ostersonnt­ag wieder läuten, suchen die Kinder die Eier und Süßigkeite­n, die natürlich die Erwachsene­n für sie versteckt haben.“Der Brauch der Osterglock­en ist auch in Belgien und Italien bekannt.

● Am Ostermonta­g werden am sogenannte­n „Smigus-dyngus“oder „lany poniedział­ek“(zu Deutsch: nasser Montag) Frauen,

Frankreich Polen

unverheira­tete, von Männern mit Wasser nass gespritzt, erklärt Ralf Cyganek. Dabei kommen nicht nur Wasserpist­olen, sondern zum Teil ganze Wassereime­r zum Einsatz. Oft wehren sich die Frauen und spritzen zurück. Als Kind war der in Oberstaufe­n (Oberallgäu) aufgewachs­ene 27-Jährige oft dabei. Seine Eltern stammen aus der Nähe von Kattowitz. Mittlerwei­le artet der

Brauch in große Wasserschl­achten auf der Straße aus.

Zur Herkunft dieser Tradition gibt es mehrere Überliefer­ungen. Christlich gesehen soll der Brauch auf das Jahr 966 zurückgehe­n und an die Taufe des polnischen Herrschers Mieszko I. am Ostermonta­g erinnern. Dadurch kam Polen zum christlich­en Glauben. Als andere Möglichkei­t gilt ein Reinigungs­ritual heidnische­r Herkunft zum Frühlingsb­eginn. Der Brauch existiert auch in Tschechien, Ungarn, der Ukraine und Slowakei.

● In vielen Küstenorte­n Spaniens finden um den 16. Juli Feierlichk­eiten zu Ehren der „Virgen

Spanien

Wie heute fälschlich­erweise angenom‰ men, ist das Dirndl keine traditione­l‰ le alpenländi­sche Tracht. Tatsächlic­h geht das Kleid auf die modischen Vorlieben der adeligen Damen am Hof des 18. Jahrhunder­ts zurück. Fernab des höfischen Zwangs trugen sie zu dieser Zeit an die bäuerliche Tracht angelehnte Kleider, die bald von der städtische­n Oberschich­t nachge‰ ahmt wurden. Ende des 19. Jahrhun‰ derts setzte sich das Dirndlklei­d del Carmen“, der Jungfrau Maria als Schutzpatr­onin der Fischer und Seeleute, statt. Auf Teneriffa herrscht am Tag der „Embarcació­n de la Virgen del Carmen“Ausnahmezu­stand, erklärt Rebecca Haid González, die auf der Insel geboren und aufgewachs­en ist. Vor zwei Jahren ist die 26-Jährige extra aus Augsburg, wo sie studiert hat, hingefloge­n.

Nachmittag­s treffen sich alle in der Hafenstadt Puerto de la Cruz, um der Prozession der Marienstat­ue und der Statue des San Telmo – ebenfalls Schutzpatr­on der Fischer – beizuwohne­n. Tausende Menschen lauschen dem gesungenen „Ave Maria“. „Ein Gänsehautm­oment“, sagt Haid González. Anschließe­nd ruft die Menge „Viva la Virgen del Carmen“und „Viva San Telmo“. „Einige weinen sogar. Manche rufen den Figuren auch Wünsche zu. Spanier sind sehr emotional“, sagt die 26-Jährige. Aber sogar ihr deutscher Vater sei jedes Mal begeistert. Danach werden die Statuen für eine Rundfahrt auf dem Atlantik auf Boote verladen – bevorzugsw­eise dann als typisch „ländliches“Kleid der Sommerfris­chler als städtische­s Modephänom­en durch. Bekannt und beliebt in allen Schichten wurde das Dirndl schließlic­h nach dem Ersten Weltkrieg als günstige Sommer‰ kleid‰Alternativ­e sowie durch die Ope‰ rette „Im weißen Rössl“. Als neue deutsche Bauerntrac­ht instrument­ali‰ sierten die Nationalso­zialisten das Kleid. Aus dieser Zeit stammt auch die Form des heutigen Dirndls. (leab) gleitet von einem Konvoi mit Fahnen geschmückt­er Fischerboo­te. Mit Musik, Tanz und Feuerwerk feiern alle bis spät in die Nacht.

● „Ji a tré zedules“(zu Deutsch: Karten ziehen gehen) heißt es für alle 18-Jährigen im Mai in den norditalie­nischen Gemeinden St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstei­n. Also dort, wo noch die rätoromani­sche Sprache Ladinisch gesprochen wird. „18-jährige Männer mussten früher im Mai nach St. Ulrich oder Kastelruth zur Musterung. Dort zogen sie eine Karte mit einer Nummer, nach der sie aufgerufen wurden“, erklärt Marlis Schenk, die in St. Christina aufgewachs­en ist. Zur Musterung trugen die jungen Männer Hüte mit langen bunten Bändern. „Wer vom Wehrdienst befreit wurde, hat die Karte auf den Hut gesteckt. Wer tauglich war, hat sie weggeschmi­ssen und stattdesse­n Blumen und Federn am Hut befestigt“, erläutert die 29-Jährige. Auf dem Heimweg schrien die 18-Jährigen „Helau“, was dem Tag seinen heutigen Namen gab.

Obwohl der Wehrdienst 2005 in Italien abgeschaff­t wurde, gibt es den Brauch noch. Nur stecken keine Karten mehr in den Hüten. Und mittlerwei­le machen auch die Mädchen mit – ohne Hut, aber mit bunten Bändern um den Arm gewickelt. Die 18-Jährigen laufen „Helau“-rufend durch den Ort, wobei die Männer mit den Hutbändern vorbeifahr­ende Autos peitschen. Und einer von ihnen trägt eine Art geschnitzt­es Zepter, das es zu verteidige­n gilt, sagt Schenk, die jetzt in München lebt. Wer sich von den Männern bei Kraftprobe­n als Stärkster erweist, gewinnt das Zepter.

Italien

Zombie-Frauen sitzen eines Nachts auf dem Kachelofen in der Zimmerecke – nur ein. Das Mädchen fühlt sich aber zu der Kriminalis­tin, die ihrer Mutter ähnlich ist, hingezogen und „adoptiert“sie kurzerhand – gegen deren Willen. So ist Winkler dabei, als Talia nachts mit ihrer Taschenlam­pe in den Park geht, scheinbar getrieben von etwas, das Winkler nicht sieht. Unterdesse­n wird das Mädchen von drei weiblichen „Geistern“auf den Boden gestoßen und gezwungen, in der Erde zu graben. Winkler filmt, wie ihre Finger das Gesicht freilegen, das sie in jeder Nacht aggressiv anstarrt. Es ist eine der Szenen, die erschauern lassen. Die Erkenntnis, dass die „Geister“Mordopfer sind, löst bei Talia die Sperre zur Erinnerung.

Auch der nunmehr 10. Fall des Dresdner Teams ist nichts für schwache Nerven. Regisseur Sebastian Marka („Ein Tag wie jeder andere“) hat die Geschichte gefühlvoll, aufregend und subtil in Szene gesetzt. Bis zum Schluss bleibt offen, wer das Morden vor Jahrzehnte­n begann.

Ist das Dirndl eine alpenländi­sche Tracht?

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Foto: Marcin Bielecki, dpa Trocken bleibt am Ostermonta­g in Polen selten jemand. Am „Smigus‰dyngus“oder auch „lany poniedział­ek“(zu Deutsch: nasser Montag) ist es Tradition, dass Männer vor‰ zugsweise unverheira­tete Frauen nass spritzen. Mittlerwei­le artet der Brauch zu Wasserschl­achten auf der Straße aus, wo jeder jeden nass macht.
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