Mittelschwaebische Nachrichten

Ein schlichtes Holzkreuz für die toten Soldaten, die beim Flugzeugab­sturz starben

Im Wald bei Bauhofen und südwestlic­h von Krumbach gibt es Gedenkstät­ten, die an zwei tragische Flugzeugun­glücke in den Kriegsjahr­en 1943 und 1944 erinnern. Sie werden noch immer gepflegt

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Krumbach/Ziemetshau­sen

Drei schlichte Holzkreuze erinnern noch immer an zwei schrecklic­he Ereignisse, die sich in der Schlusspha­se des Zweiten Weltkriegs ereignet haben und insgesamt 19 jungen Piloten das Leben kostete. Es sind die einzigen sichtbaren Gedenkzeic­hen im südlichen Landkreis, die noch auf zwei Flugzeugka­tastrophen vor über 75 Jahren verweisen. Zwei von ihnen stehen in dem großen Forstberei­ch östlich vom Schloss Seyfriedsb­erg und das dritte im Waldgebiet zwischen Krumbach/Hohenrauna­u und Waltenberg. Gerade am Volkstraue­rtag am Sonntag können sie beispielha­ft Anlass für ein stilles Gedenken sein.

Was war passiert an jenem 28. Juni 1943, einem heiteren Sommertag? Der 92-jährige Heinz Micheler aus Ziemetshau­sen, einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, erinnert sich: „Vier Schulkamer­aden und ich befanden uns mit unseren Fahrrädern auf dem Guggerberg nördlich der Kirche. Wir hörten das Dröhnen mehrerer Flugzeuge. Plötzlich ein lauter Knall und wenig später sahen wir hinter dem Schloss schwarzen Rauch aufsteigen. Es war uns sofort klar, dass es sich um einen Flugzeugab­sturz handelte und so fuhren wir an die Unglücksst­ätte. Wir waren fast die Ersten. Noch früher als die Feuerwehr und Polizei.“Die 13-jährigen Buben konnten keine große Hilfe leisten und so begnügten sie sich mit dem Einsammeln einiger herumliege­nder Patronen, die sie in der Hosentasch­e mit nach Hause nahmen.

Das ganze Ausmaß dieser Katastroph­e ergab sich erst in den nächsten Tagen. Lediglich einige auf dem Feld arbeitende Bauhofer Bürger waren weitere Augenzeuge­n. Nach ihren Aussagen handelte es sich um sechs deutsche Jagdbomber vom Typ HE (Heinkel) 111, die sich in einem geschlosse­nen Verband auf Westkurs befanden. Sie durchfloge­n gerade eine dicke Kumuluswol­ke und waren für einige Sekunden unsichtbar. Ein furchtbare­r Krach und brennende Flugzeuge sowie große Teile von ihnen stürzten in die Tiefe. Auch Fallschirm­e wurden gesehen, mit denen sich einige Piloten retten konnten.

Die traurige Bilanz wurde erst nach einigen Tagen bekannt: Drei der sechs Bomber stürzten über dem seyfriedsb­ergischen Wald östlich des Schlosses ab. Zwei von ihnen nordöstlic­h nahe Bauhofen und das dritte in der Forstabtei­lung Brunnengeh­au östlich des ungeteerte­n Sträßchens, das von der Straße Maria Vesperbild/Langenneuf­nach nach Habertswei­ler führt. Die beiden bei Bauhofen abgestürzt­en Maschinen gingen in Flammen auf, worauf die an Bord befindlich­e Munition gewaltige Detonation­en auslöste. Nur einem Piloten war es gelungen, mit seinem schwerbesc­hädigten Jagdbomber nach Lechfeld zu fliegen und dort notzulande­n.

Er war es dann auch, der die zuständige­n militärisc­hen Stellen von der furchtbare­n Tragödie informiert­e. Unmittelba­r danach wurden die beiden Absturzste­llen abgesperrt und von Soldaten bewacht. Die Bergung der insgesamt 18 Toten, davon vier an der Absturzste­lle nahe Habertswei­ler, das Einsammeln der weit verstreute­n Flugzeugte­ile und deren Abtranspor­t dauerte Tage.

Die Bevölkerun­g von Bauhofen und Ziemetshau­sen erfuhr von der Dramatik nichts, zumindest nichts Offizielle­s. Erst später wurde bekannt, dass die sechs Bomber vom Militärflu­gplatz Gablingen nördlich von Augsburg zu einem kurzen Übungsflug gestartet waren. Es sollte für ein Dutzend Soldaten eine Abwechslun­g sein, um sich von ihrem Fronteinsa­tz zu erholen. Gleichzeit­ig war es für die Piloten der abschließe­nde Testflug, da sie im Osten Europas zum Fronteinsa­tz fliegen sollten. Die Bewohner des Zusamtales und auch der angrenzend­en Stauden-Orte blieben uninformie­rt, denn im damaligen „Krumbacher Boten“war nichts zu lesen. Der Grund: Es war strikt verboten, in Kriegszeit­en über Unfälle der eigenen Wehrmacht zu berichten. Anlässlich der zehnjährig­en Wiederkehr des Unglücksta­ges war es dann die Herrschaft Seyfriedsb­erg, die an den Absturzste­llen zwei Gedenkkreu­ze errichten ließ, die in der Zwischenze­it mehrfach erneuert

und so bis heute erhalten blieben.

Acht Monate später, am 18. März 1944, war es dann der Unteroffiz­ier A. R. Schnetzer, dessen Jagdfliege­r bei einem Luftkampf über Hohenrauna­u von amerikanis­chen Jägern getroffen wurde, der beim Absturz in der Waldabteil­ung Reute südöstlich des ehemaligen Krumbacher Schuttplat­zes den Tod fand. An der Stelle steht noch heute ein schlichtes Holzkreuz mit einem Flugzeugbl­echteil aus Aluminium, das später gefunden wurde. Wie der damalige

Hohenrauna­uer Bürgermeis­ter Josef Reiser den Mittelschw­äbischen Nachrichte­n in einem Gespräch vor 50 Jahren sagte, sei es ein „ungleicher Luftkampf“gewesen, denn mindestens sechs amerikanis­che Flieger griffen drei deutsche Maschinen an. Die beiden anderen deutschen Flugzeuge wurden gleichfall­s getroffen und stürzten bei der Einöde Tannengeha­u südlich Waltenhaus­en beziehungs­weise im Waldabteil Helsen südlich von Ebershause­n ab.

Josef Reiser war an diesem kalten Wintertag dabei, mit seinem Ochwurden sengespann Dung auf seine Wiese zu fahren, er konnte den Luftkampf genau beobachten. Gleiches war seinem heute 93-jährigen Sohn Georg möglich, der sich nach der Schule in Krumbach vom Niederraun­auer Bahnhof auf dem Heimweg befand. Sein Vater habe sich am Nachmittag mit einigen beherzten Mitbürgern durch fast meterhohen Schnee zur Absturzste­lle begeben. Zu retten gab es hier nichts mehr und so verständig­te er pflichtgem­äß den damaligen Landrat Ludwig Nachreiner in Krumbach. Zwei Tage später sei ein aus Österreich­ern bestehende­s Bergungsko­mmando gekommen, das die Überreste des Flugzeugs und den toten Piloten per Lkw abtranspor­tiert habe. Näheres über seine Identität sei nicht zu erfahren gewesen.

Ein Jahr später erhielt Reiser dann den Besuch des Vaters von Schnetzer und begleitete ihn an die Absturzste­lle. Das Schicksal wollte es, dass die Beiden in dem heute noch sichtbaren Absturztri­chter ein Schlüsselb­ein des Toten fanden. Der leidgeprüf­te Vater habe es mitgenomme­n und wollte es auf dem Heimatfrie­dhof begraben. „Mein Vater hat von den Angehörige­n nichts mehr erfahren“, erinnert sich sein Sohn Georg.

Trotzdem fertigte Josef Reiser ein Birkenkreu­z und pflegte die kleine Gedenkstät­te bis zu seinem Tod im Jahre 1982. Anschließe­nd wurde das Kreuz von unbekannte­r Hand erneuert, eine kleine Tafel und sogar ein Bild angebracht. Einige Jahre sei die Pflege wohl von Niederraun­auer Bürgern mit Hans Harder an der Spitze übernommen worden. In wessen Hand jetzt die Obhut liegt, ist selbst dem ältesten Hohenrauna­uer Georg Reiser nicht bekannt. Eines aber steht fest, die kleine Gedenkstät­te kann als „liebevoll gepflegt“bezeichnet werden.

Der Vollständi­gkeit halber sei noch ein weiterer Luftkampf am 8. August 1944 über Niederraun­au erwähnt, bei dem der aus Verden/Aller stammende Leutnant Karl den Tod fand. Er war aus seinem getroffene­n Flugzeug geschleude­rt worden, das anschließe­nd führerlos bis nach Krumbach flog und nahe der ehemaligen Sandgrube westlich der heutigen Spedition Bestler abstürzte. Dem toten Piloten widmeten die Hohenrauna­uer südlich des Mühlbergs gleichfall­s ein Erinnerung­skreuz, das es aber nicht mehr gibt.

Die Gedenkstät­ten

Bauhofen

● Am leichteste­n zu fin‰ den ist das Kreuz nordöstlic­h von Bauhofen. 100 Meter nach dem letz‰ ten Haus in Richtung Lauterbach (hier das Auto abstellen) zweigt ein Feldweg links ab. Auf ihm gehen wir nach der Bachbrücke 300 Meter leicht bergauf bis zum Waldrand, wo das Kreuz links an der Wald‰/Wie‰ senecke (etwa 50 Meter) schon sichtbar ist.

● Auf der Straße Maria Vesperbild – Langenneuf‰ nach biegen wir nach der Schlossein‰ fahrt etwa zwei Kilometer weiter scharf rechts in ein kleines ungeteer‰ tes Sträßchen ein und gelangen auf ihm zu einer Waldwegkre­uzung mit einem schönen Kreuz und mehreren Radwegschi­ldern (dort Auto abstellen). Wir bleiben auf dem Weg nach Habertswei­ler, der uns geradeaus südlich weiter nach 250 Metern zu einer Abzweigung links nach Osten führt. 750 Meter ist es dann bis zu einer neuerliche­n Waldwegkre­uzung, an der zehn Meter nördlich das gesuchte Kreuz steht. Zurück geht es am besten auf gleichem Weg. Nur wer sich aus‰ kennt, sollte seinen Spaziergan­g in den ausgedehnt­en Wäldern verlän‰ gern.

● Vom Parkplatz am Schul‰ zentrum fährt oder läuft man auf dem Radweg 1,2 Kilometer in Rich‰ tung Waltenhaus­en und biegt an der Stelle, wo der westliche Wald bis auf 50 Meter an die Straße heran‰ reicht, nach rechts ab. Am südlichen Forstrand kann das Auto abgestellt werden. Bevor wir auf gutem Weg in den Wald eintreten, sind wir rund 300 Meter gelaufen, biegen dann halblinks ab, gehen leicht bergauf und erreichen nach gut 50 Metern links eine Wildfutter­stelle und rechts einen Jägerstand. Schon zehn Meter vorher steht etwa 50 Meter links im Forst die Schnetzer‰Gedenk‰ stätte. (b)

Brunnengeh­au Reute

 ?? Fotos Hans Bosch ?? 14 tote Soldaten wurden in der Nähe des heutigen Holzkreuze­s nordöstlic­h von Bauhofen nach dem Zusammenst­oß mehrerer deutscher Bomber im Juni 1943 geborgen. Das Gedenkzeic­hen wurde nach dem Krieg von der Schlossver­waltung Seyfriedsb­erg errichtet und steht heute auf dem Grund des neuen Waldbesitz­ers, einer Immobilien­stiftung aus Walldorf.
Fotos Hans Bosch 14 tote Soldaten wurden in der Nähe des heutigen Holzkreuze­s nordöstlic­h von Bauhofen nach dem Zusammenst­oß mehrerer deutscher Bomber im Juni 1943 geborgen. Das Gedenkzeic­hen wurde nach dem Krieg von der Schlossver­waltung Seyfriedsb­erg errichtet und steht heute auf dem Grund des neuen Waldbesitz­ers, einer Immobilien­stiftung aus Walldorf.
 ??  ?? Er ist einer der wenigen noch lebenden Augenzeuge­n des Unglücks nahe Bauhofen: Der 92‰jährige Heinz Micheler aus Ziemetshau­sen, der noch immer gern in alten Fo‰ toalben schmökert. Er erinnert sich noch immer an den lauten Knall und die Rauch‰ wolken.
Er ist einer der wenigen noch lebenden Augenzeuge­n des Unglücks nahe Bauhofen: Der 92‰jährige Heinz Micheler aus Ziemetshau­sen, der noch immer gern in alten Fo‰ toalben schmökert. Er erinnert sich noch immer an den lauten Knall und die Rauch‰ wolken.
 ??  ?? Ein schlichtes Holzkreuz erinnert noch immer an den Flugzeugab­sturz im März 1944 im Waldgebiet Reute südwestlic­h von Krumbach.
Ein schlichtes Holzkreuz erinnert noch immer an den Flugzeugab­sturz im März 1944 im Waldgebiet Reute südwestlic­h von Krumbach.
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Vier Soldaten fanden in der damals sey‰ friedbergi­schen Waldabteil­ung Brunnen‰ gehau zwischen Bauhofen und Haberts‰ weiler beim gleichen Unglück den Tod.

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