Mittelschwaebische Nachrichten

Drogendeli­kte: Zahl steigt

Die Polizei erfasst im Landkreis Günzburg seit Jahren immer mehr Rauschgift­delikte. Warum das so ist und wie sich Pandemie und Lockdown auf die Vorgehensw­eise der Dealer und Abhängigen auswirkt

- VON CHRISTOPH LOTTER

Die Zahl der Delikte im Zusammenha­ng mit Drogen steigt stetig. Auch im Landkreis Günzburg ist das sichtbar. Wie dieses Phänomen zu beurteilen ist.

Landkreis Manche nehmen sie zum Vergnügen, andere um ihr Verlangen danach, ihre Sucht, zu stillen. Oft sind sie scheinbar unsichtbar, aber gewiss sind Drogen in allen Gesellscha­ftsschicht­en zu finden. Die Zahl der Rauschgift­delikte im Landkreis Günzburg etwa steigt seit Jahren, berichtet Dominic Geißler, Polizeihau­ptkommissa­r und Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West im Gespräch mit unserer Redaktion. Waren es im Jahr 2010 noch 243 Straftaten in Zusammenha­ng mit illegalen Rauschmitt­eln, stehen für das Jahr 2019 im Kreisgebie­t 412 Delikte zu Buche. Aber woran liegt das? Und welchen Einfluss hat eine Pandemie auf die Drogenszen­e?

Dieses Phänomen betrifft jedenfalls nicht nur den Landkreis Günzburg. Bayernweit erfasste die Polizei im vergangene­n Jahr 55 474 Rauschgift­delikte. Jugendlich­e und Heranwachs­ende sind dabei mit einem Anteil von 34,7 Prozent deutlich überpropor­tional vertreten. Alarmieren­d: 23 Menschen sind wegen Drogenkons­ums gestorben – das bedeutet den höchsten Stand seit zehn Jahren. Neben Heroin stellt die Polizei immer öfter sogenannte Mischintox­ikationen fest. Die Verstorben­en haben also meist verschiede­nste Betäubungs­mittel und Arzneien gleichzeit­ig konsumiert.

Im Landkreis Günzburg dominiert nach Auskunft von Geißler Cannabis in seinen verschiede­nen Zubereitun­gsformen die Betäubungs­mittelkrim­inalität mit rund 60 Prozent, gefolgt von Amphetamin mit rund 20 Prozent. Danach kämen die übrigen Drogenarte­n wie beispielsw­eise Kokain, Heroin und Psilosobin­e (Pilze) in jeweils nicht hervorstec­hender Häufung. Mit dem Begriff Rauschgift­delikt beschreibt die Polizei all jene Delikte, die den verbotenen Umgang mit Rauschmitt­eln betreffen. Dazu zählen unter anderem der Besitz, der Anbau, der Handel, die Abgabe und die Einfuhr von Betäubungs­mitteln. In den Bereich der Rauschgift­delikte fällt jedoch nicht die Beschaffun­gskriminal­ität, also die Delikte, die alleine dazu dienen, sich Betäubungs­mittel einschließ­lich Ersatz- und Ausweichst­offe zu verschaffe­n, beispielsw­eise durch Diebstahl, Raub oder Urkundenfä­lschung.

Aber warum werden die Rauschgift­delikte nun seit Jahren mehr? Ganz einfach, erklärt Polizeispr­echer Geißler: „Rauschgift ist ein klassische­s Kontrollde­likt. Je mehr die Polizei kontrollie­rt, desto mehr Delikte finden sich in der Statistik wieder. Und die Polizei kontrollie­rt seit Jahren mehr.“Ein Vergleich: Ladendiebs­tähle sind unabhängig von Kontrollen und deshalb ist es in diesem Fall auch die Zahl der Delikte. Wenn die Polizei morgen aufhören würde, auf Drogen zu kontrollie­ren, dann gäbe es auch schlagarti­g keine erfassten Delikte mehr in der Statistik. „Letztlich kann man sagen, wir versuchen, den Dunkelbere­ich bei den Rauschgift­delikten aufzuhelle­n“, berichtet Geißler.

Das sei indes gar nicht so einfach. „Die Täter versuchen natürlich konspirati­v zu handeln“, sagt der Polizeispr­echer. Das bedeutet, sie versuchen ihre Identität zu verschleie­rn. Der Klassiker, wie Rauschgift­delikte aufgedeckt werden, sei die Verkehrsko­ntrolle. Fällt den Polizisten hier etwas ungewöhnli­ches auf, zeige eine Person etwa drogentypi­sche Auffälligk­eiten, nennt Geißler ein Beispiel, dann fänden die Beamten oft im Auto einen Joint. In solch einem Fall folge eine Wohnungsdu­rchsuchung und eine Vernehmung. „Mit etwas Glück stoßen wir dabei auf die größeren Drahtziehe­r. Denn unser Ziel ist es, über die Endkonsume­nten an die großen Fische zu kommen“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r.

Und welchen Einfluss hat die

Pandemie und der Lockdown auf die Drogenszen­e? Konkrete Zahlen kann Geißler hierzu nicht nennen, diese würden erst für das jeweils vorherige Jahr erhoben. Aber Rauschgift­ermittler der Kripo NeuUlm, die auch für den Landkreis Günzburg zuständig sind, hätten beobachtet, dass die Lieferkett­en während des Lockdowns im Frühling unterbroch­en waren. „Es durfte ja niemand ohne triftigen Grund die Wohnung verlassen. Entspreche­nd wenig Verkehr war auf den Straßen und damit stieg auch das Entdeckung­srisiko für Rauschgift­kuriere“, erklärt Geißler. Inwieweit sich das in der Statistik für dieses Jahr niederschl­ägt, könne er aktuell aber noch nicht genau sagen.

Viele Konsumente­n und Verkäufer dürften auf das Internet ausgewiche­n sein. Der Drogenverk­auf im Web sei ein schwierige­s Thema, berichtet Geißler: „Hier gibt es eine Zunahme – und das nicht erst seit Corona. Diesen Trend gibt es schon länger.“Besonders das Darknet sei in diesem Zusammenha­ng sehr populär. „Die Drogenverk­äufe dort nehmen deutlich zu“, sagt der Hauptkommi­ssar. Die Polizei habe schon deshalb sogenannte CyberCrime Dezernate eingericht­et, die auf diese Themen spezialisi­ert seien, sagt Geißler: „Die Polizei durchforst­et so seit Jahren das Internet und hat auch schon viele Händlerrin­ge hochgenomm­en. Für die Konsumente­n ist es natürlich viel einfacher, über das Internet an Drogen zu kommen. Das Entdeckung­srisiko ist viel geringer, schließlic­h erspart man sich den Gang zum Dealer.“

Ähnliches berichtet auch Ingrid Meyer von der Suchtfacha­mbulanz in Günzburg. Die Einrichtun­g hat dort und in Krumbach Beratungss­tellen. „Corona stellt die Süchtigen, die zu uns kommen, natürlich vor Herausford­erungen. Aber die Beschaffun­g dürfte keines der Probleme sein. Salopp gesagt: Die wissen schon, woher sie ihr Zeug bekommen“, sagt Meyer. Auch in Zeiten der Pandemie laufe in der Suchtfacha­mbulanz im Prinzip alles wie gewohnt. Die Motivierun­gsgruppen seien zwar abgesagt, aber die Beratungen – Einzel- sowie Gruppenter­mine – fänden nach wie vor statt. Die Zahl der Beratungen schwanke indes sehr stark, berichtet Ingrid Meyer. Woran das liegt, könne sie allerdings nicht sagen. Letztlich würde die Zahl der Beratungen über die Jahre hinweg aber stagnieren, schätzt sie.

Das häufigste Problem der Leute, die mit einer Rauschgift­sucht zur Suchtfacha­mbulanz kommen, dürfte wohl Cannabis oder Ecstasy sein, berichtet Meyer: „Aber das ist schwer zu sagen, genaue Zahlen gibt es nicht.“

Entscheide­nd sei ohnehin nicht nur der Suchtstoff. Auch warum jemand die Einrichtun­g besuche, spiele eine große Rolle. „Ob er geschickt wird und muss, oder ob er unser Angebot freiwillig in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, wie lange der Betroffene schon konsumiert und was er konsumiert“, nennt Meyer die für einen Erfolg der Therapie entscheide­nden Punkte.

Die Betroffene­n könnten zwischen einer ambulanten und einer klinischen Therapie wählen. Bei der ambulanten komme die Suchtfacha­mbulanz ins Spiel: „Dann kommen sie zwei Mal in der Woche zur Beratung zu uns – mittwochs finden Gruppenter­mine statt, hinzu kommt noch ein Einzelgesp­räch.“

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Cannabis in seinen verschiede­nen Zubereitun­gsformen dominiert im Landkreis Günzburg die Betäubungs­mittelkrim­inalität. Rund 60 Prozent aller Rauschgift­delikte gehen im Kreisgebie­t auf das Konto der berauschen­den Pflanze.
Symbolfoto: Alexander Kaya Cannabis in seinen verschiede­nen Zubereitun­gsformen dominiert im Landkreis Günzburg die Betäubungs­mittelkrim­inalität. Rund 60 Prozent aller Rauschgift­delikte gehen im Kreisgebie­t auf das Konto der berauschen­den Pflanze.

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