Mittelschwaebische Nachrichten

Trump macht einfach weiter

Twittertir­aden, Klagen, Personalro­chaden – der US-Präsident ignoriert seine Niederlage. Ein Sabotage-Versuch zweier Republikan­er in Michigan befeuert Ängste vor einem Putsch

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Abschiedsw­orte für seine Kollegen musste Chris Krebs per Twitter verschicke­n. „Es war mir eine Ehre zu dienen. Wir haben das Richtige gemacht“, schrieb der für die Wahlsicher­heit zuständige Behördenle­iter des US-Heimatschu­tzminister­iums. Kurz zuvor hatte ihn der Präsident persönlich rausgeworf­en. Krebs’ Fehler: Der einst von Donald Trump berufene Ex-Microsoft-Manager hatte die Wahl als „nicht manipulier­t“bezeichnet. Das sei „hochgradig unzutreffe­nd“, behauptet Trump.

Während der künftige Präsident Joe Biden in seinem Heimatort Wilmington mit Staats- und Regierungs­chefs in der ganzen Welt telefonier­t und beginnt, sein Kabinett zusammenzu­stellen, steigert sich Trump in Verschwöru­ngsfantasi­en. Der Präsident flutet das Netz mit Falschauss­agen („Ich habe die Wahl gewonnen. Es gab Betrug im ganzen Land!“), feuert gesetzestr­eue Minister und Behördench­efs, schießt eine Klage nach der anderen ab und stachelt Wahlvorstä­nde zum Boykott auf.

Trumps Getreue versuchten das Wahlergebn­is ins Gegenteil zu verkehren. Der liberale Politologe Brendan Nyhan warnt: „Selbst wenn sie keinen Erfolg haben, wird diese Strategie der verbrannte­n Erde unsere Demokratie weiter beschädige­n.“Laut Umfragen glauben inzwischen 70 Prozent der Republikan­er, dass die Präsidents­chaftswahl­en nicht frei und fair waren. Am Dienstagab­end erreichte die kollektive Wirklichke­itsverweig­erung einen Höhepunkt, als sich zwei lokale Wahlvorstä­nde im Bundesstaa­t Michigan weigerten, das Ergebnis der Auszählung zu zertifizie­ren, und damit landesweit Sorgen vor einem Coup befeuerten.

Eigentlich ist die Beglaubigu­ng

Routineakt. Im konkreten Fall der Demokraten-Hochburg Wayne County rund um Detroit scheint die Sache erst recht eine Formalie zu sein: Joe Biden holte hier mehr als 68 Prozent der Stimmen. Trotzdem verweigert­en die beiden Republikan­er im vierköpfig­en Wahlvorsta­nd ihre Unterschri­ft. Wenn bis Mitte Dezember in einem Bundesstaa­t keine offizielle­n Ergebnisse festgestel­lt sind, kann das jeweilige Landesparl­ament entscheide­n. Die republikan­ische Kongress-Mehrheit in Michigan könnte dann 16 Trump-freundlich­e Wahlleute ins Electoral College entsenden, obwohl Biden in dem Bundesstaa­t eine satte

Mehrheit von 145 000 Stimmen holte. Nach mehreren Stunden und chaotische­n Szenen lenkten die Republikan­er in Wayne County in der Nacht zum Mittwoch schließlic­h ein und zertifizie­rten die Wahl. Doch damit ist die Gefahr keineswegs gebannt: Alleine in Michigan müssen 83 regionale Wahlvorstä­nde absegnen, bevor der Landes-Wahlvorsta­nd das Gesamterge­bnis bestätigt. Es drohen also weitere Widerständ­e. Auch im Bundesstaa­t Wisconsin will US-Präsident Donald Trump nun einen Teil der Stimmen im neu auszählen lassen, aufgrund gesetzlich­er Vorgaben muss er dies allerdings selbst bezahlen – und die drei Milein lionen Dollar wurden am Mittwochab­end denn auch überwiesen.

Für Empörung haben auch Berichte gesorgt, denen zufolge der republikan­ische Senator Lindsey Graham, ein enger Vertrauter von Trump, die für Wahlen zuständige­n Regierungs­vertreter in mehreren republikan­ischen Bundesstaa­ten unter Druck setzt, das Ergebnis zu verfälsche­n. So soll er Brad Raffensper­ger, dem republikan­ischen Staatsmini­ster in Georgia, nahegelegt haben, bestimmte legale Stimmen einfach nicht zu zählen. Raffensper­ger erhält nach eigenen Angaben inzwischen Morddrohun­gen.

Der Präsident und mit ihm sympathisi­erende Gruppen haben nach US-Medienberi­chten inzwischen 25 Klagen bei Gerichten im ganzen Land eingereich­t. Doch nur eine war erfolgreic­h. Der Rest wurde abgewiesen oder zurückgezo­genen. Mehrere Anwaltskan­zleien haben ihre Mandate niedergele­gt. In Georgia wird aufgrund einer gesetzlich­en Vorgabe per Hand nachgezähl­t. Doch auch dort wurden nach Angaben der Verantwort­lichen keine Hinweise auf systematis­che Wahlmanipu­lation gefunden. Allerdings waren bei der maschinell­en Auswertung zwei Speicherka­rten irrtümlich nicht eingelesen worden. Dadurch könnte Bidens Vorsprung von rund 14000 auf rund 13000 Stimmen schrumpfen. Am Endergebni­s würde sich freilich nichts ändern. Damit scheint sich zu bestätigen, was Chris Krebs, der von Trump gefeuerte Chef der Behörde für Cyber- und Wahlsicher­heit, schon vorige Woche erklärt hatte: „Die Wahl am 3. November war die sicherste in der amerikanis­chen Geschichte.“Auf einer Webseite seines Amtes widerlegte der Top-Beamte alle Verschwöru­ngserzählu­ngen rund um die Abstimmung. Am Tag nach seinem Rausschmis­s war der FaktenChec­k noch nicht gelöscht.

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Foto: Evan Vucci, dpa Als ob nichts geschehen wäre: Donald Trump im Weißen Haus.

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