Mittelschwaebische Nachrichten

Zu wenig Ladepunkte für zu viele Elektroaut­os

Die Autobranch­e bekommt weitere drei Milliarden Euro. Doch mit Geld allein ist der Wandel der Mobilität wohl nicht zu schaffen

- VON RENÉ BUCHKA

Berlin Extra Kaufanreiz­e für Elektroaut­os bis 2025, neues Fördergeld für sauberere Lastwagen, mehr Stromtanks­tellen: Der Autogipfel mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagab­end hat der Branche drei Milliarden neue Fördermitt­el beschert. Doch obwohl sich im Anschluss alle Beteiligte­n zufrieden zeigten, zeichnet sich längst ab, dass bereits die bisherigen Fördermitt­el für einige Verzerrung auf dem Markt sorgen. Im Fokus stehen vor allem die E-Autos. Über 370000 von ihnen werden wohl bis zum Ende dieses Jahres in Deutschlan­d fahren. Nächstes Jahr könnten noch einmal 200000 Fahrzeuge hinzukomme­n, davon geht zumindest eine Studie der Management­beratung Horváth & Partners aus.

Befeuert wird der Boom durch die staatliche Kaufprämie, die nun bis ins Jahr 2025 verlängert werden soll (siehe Kasten). Problemati­sch bleibt indes die unzureiche­nde Ladeinfras­truktur, befürchtet der Verband der Automobili­ndustrie (VDA). Er fordert nun sogar einen extra „Ladenetz-Gipfel“. Denn momentan müssen sich laut VDA 13 Elektroaut­os einen Ladepunkt teilen, in einem halben Jahr werden demnach voraussich­tlich 20 Elektroaut­os auf einen Ladepunkt kommen. Mit der Forderung nach einem Gipfel will VDA-Präsidenti­n Hildegard Müller erreichen, dass die Planungsve­rfahren schneller ablaufen. Städte und Kommunen sollen Ausbauplän­e für Elektromob­ilität vorlegen. Zudem sollen alle beteiligte­n Parteien an einen Tisch kommen. Neben Bund, Ländern und Kommunen gehören dazu nämlich auch die Gebäudewir­tschaft, Mineralölf­irmen sowie Parkhaus- und Flughafenb­etreiber.

Doch auch die bereits aufgebaute­n Ladesäulen sorgen bei vielen Nutzern für Unmut. Der ADAC berichtet von fehlender Alltagstau­glichkeit. Matthias Vogt, der Experte für Elektromob­ilität des AutoKlubs, fordert: „Das Laden muss so einfach und benutzerfr­eundlich werden wie das heutige Tanken.“Nachholbed­arf sieht er vor allem bei der Preistrans­parenz und der Freischalt­ung ohne entspreche­nde Ladekarte oder -App. Vogt schlägt vor, eine Pflicht für berührungs­lose Lesegeräte für Giro- und Kreditkart­en einzuführe­n. Zudem dürfe das Laden ohne Vertrag nicht wesentlich teurer sein als mit entspreche­nder Ladekarte. „Kein Mensch würde akzeptiere­n, wenn der Kraftstoff an der Tankstelle beim Bezahlen mittels Girokarte etwa 20 Prozent teurer wäre als mit einer Tankkarte.“

Auch das Bundeskart­ellamt hat die Ladeinfras­truktur für Elektrofah­rzeuge im Blick und führt momentan eine Sektorunte­rsuchung durch. „Der Markt ist natürlich noch im Entstehen. Aber uns erreichen schon jetzt vermehrt Beschwerde­n über die Preise und Konditione­n an den Ladesäulen“, sagte Präsident Andreas Mundt. Für einen funktionie­renden Wettbewerb seien „neben dem diskrimini­erungsfrei­en Zugang zu geeigneten Standorten für Ladesäulen auch die konkreten Nutzungsbe­dingungen an den Ladesäulen von ausschlagg­ebender Bedeutung“, heißt es in einer Mitteilung. Demnach untersuche­n die Verantwort­lichen außerdem, wie Städte und Kommunen Standorte bereitstel­len und wie sich das auf den Wettbewerb zwischen den Betreibern auswirkt. Ein Zwischener­gebnis liegt einem Sprecher des Bundeskart­ellamts zufolge noch nicht vor – und es wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Von Laien taucht in diesem Zusammenha­ng immer wieder die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre, Wechselsta­tionen für Batterien einzuricht­en, statt Ladesäulen. E-Autofahrer könnten dann eine leere Batterie im Handumdreh­en gegen eine volle eintausche­n. Das ginge wohl schneller, als darauf zu warten, bis die Batterie wieder vollgelade­n ist. Die Idee ist tatsächlic­h nicht neu: Bereits 2007 gründete der israelisch­e Unternehme­r Schai Agassi die Firma Better Place mit dem Ziel, Austauschs­tationen in Israel, Dänemark und Australien zu etablieren. Sechs Jahre später ging das Unternehme­n pleite, nur der Autobauer Renault war zur Zusammenar­beit bereit gewesen.

Grundsätzl­ich sind solche Tauschsyst­eme aber „spannende Lösungen“, findet ADAC-Experte Vogt. Er nennt als Beispiel den chinesisch­en Autoherste­ller Nio, der für seine Fahrzeuge entlang der Hauptreise­routen in China vollautoma­tische Batteriewe­chselstati­onen aufgebaut hat. „Voraussetz­ung ist dafür, dass die Batterie nicht zum Fahrzeug gehört, sondern separat geleast wird.“Große Autoherste­ller sind allerdings skeptisch, was solche Terminals betrifft. Eine MercedesSp­recherin gibt etwa zu Bedenken, dass sowohl Batterien als auch Fahrzeugpl­attformen von Hersteller zu Hersteller unterschie­dlich sind. Zudem müsste man die Stationen flächendec­kend aufbauen und stets genügend volle Batterien bereithalt­en. Schließlic­h stellte sich noch die Frage hinsichtli­ch der Garantie beziehungs­weise Haftung. Aus all diesen Gründen sei das „immer stärker ausgebaute Netz an Ladestatio­nen“vorteilhaf­ter.

Volkswageg­en schließt sich dem an: „Die Batterie ist in einem großen, crashsiche­ren Block im Unterboden verbaut und so vor Deformatio­nen geschützt“, erklärt ein Sprecher. „Ein einfacher Austausch ist daher weder technisch noch wirtschaft­lich sinnvoll.“

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Vertreter der Autobranch­e fordern einen „Ladenetz‰Gipfel“mit allen Beteiligte­n.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Vertreter der Autobranch­e fordern einen „Ladenetz‰Gipfel“mit allen Beteiligte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany