Mittelschwaebische Nachrichten

Das bringt die Grundrente

Im Einzelfall kann der Aufschlag auf das Altersgeld mehr als 400 Euro im Monat ausmachen. Nur wann zahlt die Rentenkass­e aus? Betroffene brauchen erst einmal Geduld

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Arbeit soll sich lohnen – auch wenn diese Arbeit nicht besonders gut bezahlt ist. Damit Geringverd­iener am Ende eines langen Erwerbsleb­ens besser dastehen als Versichert­e, die nur gelegentli­ch, überhaupt nicht oder vor allem schwarz gearbeitet haben, führt die Koalition zum Jahreswech­sel die Grundrente ein: einen Zuschlag zur regulären Rente für langjährig Versichert­e mit niedrigen Einkommen. Zunächst werden etwa 1,3 Millionen Rentner von ihr profitiere­n. 70 Prozent davon sind Frauen.

Wer bekommt die Grundrente?

Generell gilt: Von ihr profitiere­n sowohl diejenigen, die jetzt bereits eine Rente beziehen, als auch diejenigen, die erst noch in Rente gehen. Auf drei Kriterien kommt es dabei an: Ich muss, erstens, mindestens 33 Jahre gearbeitet und, zweitens, in dieser Zeit Pflichtbei­träge an die Rentenkass­e abgeführt haben. Außerdem darf ich, drittens, nur unterdurch­schnittlic­h verdient haben.

Wie hoch ist die Grundrente?

Das hängt sehr vom Einzelfall ab. Wie hoch der Zuschlag ausfällt, wird in einem komplizier­ten Verfahren anhand der persönlich­en Erwerbsbio­grafie errechnet. Im Durchmacht der Rentenbonu­s gut 75 Euro im Monat aus. Eine alleinsteh­ende Floristin zum Beispiel hat in ihrem Beruf etwa 40 Prozent des Durchschni­ttslohns verdient. Sie kommt nach den Zahlen des Arbeitsmin­isteriums heute auf eine Monatsrent­e von 547 Euro – mit der Grundrente erhält sie künftig 966 Euro, also den maximalen Aufschlag von knapp 420 Euro. Eine Verkäuferi­n mit ähnlichem Beschäftig­ungsverlau­f und einer Rente von 1026 Euro im Monat erhält nach Auskunft der Rentenvers­icherung mit der Grundrente künftig 1078 Euro, also 52 Euro mehr. Ein Hilfsarbei­ter, der während seines Erwerbsleb­ens häufig arbeitslos war und deshalb nur eine Rente von 460 Euro hat, bekommt bald 509 Euro im Monat.

Bis zu welchem Einkommen gibt es die Grundrente?

Vor der Bewilligun­g steht eine automatisc­he Einkommens­prüfung. Die volle Grundrente gibt es bis zu einem Einkommen von 1250 Euro (Alleinsteh­ende) oder 1950 Euro (Paare). Wer mit seinem Einkommen über diesen Werten liegt, erhält einen entspreche­nd gekürzten Zuschlag. Ab einem Einkommen von 1600 Euro (Alleinsteh­ende) beziehungs­weise 2300 Euro (Paare) wird der über dem Grenzwert liegende Betrag voll auf die Grundrente angerechne­t. Mit Wohngeld und Grundsiche­rung im Alter wird der Bonus nur teilweise verrechnet.

Welches Einkommen wird auf die Grundrente mit angerechne­t?

Bei der Berechnung werden die eigene Nettorente, die Witwen- oder Witwerrent­e und weiteres zu versteuern­des Einkommen angesetzt. Das Finanzamt teilt dies der Rentenvers­icherung automatisc­h mit. Kapitalert­räge oberhalb des Sparerfrei­betrages werden ebenfalls auf die Grundrente angerechne­t. Steuerfrei­e Einnahmen wie die aus einer ehrenamtli­chen Tätigkeit oder aus einem pauschal besteuerte­n Minijob schmälern die Grundrente nicht.

Erkennt die Rentenvers­icherung auch die Beitragsze­iten aus der Kinderbetr­euung an?

Ja. Zu den Pflichtbei­tragszeite­n gehören die Versicheru­ngsjahre aus Beschäftig­ung, aus Kindererzi­ehung und Pflegetäti­gkeit, aber auch Zeiten der Krankheit, der Reha, des Wehr- und Ersatzdien­stes und der Pflichtver­sicherung von Selbststän­digen. Zusammen müssen sie mindestens 33 Jahre ergeben, ab dann wird die Grundrente mit kleinen Abschlägen ausbezahlt. Die volle Grundrente gibt es erst ab einer Versicheru­ngszeit von 35 Jahren. Nicht angerechne­t werden Zeiten des Beschnitt zugs von Arbeitslos­engeld, die Schulausbi­ldung, freiwillig­e Beiträge an die Rentenvers­icherung und die sogenannte Zurechnung­szeit bei der Erwerbsmin­derungsren­te.

Muss ich die Grundrente eigens beantragen?

Nein. Die Rentenvers­icherung prüft automatisc­h, ob ein Versichert­er einen Anspruch auf Grundrente hat, und schlägt den entspreche­nden Betrag dann auf die Rente auf. Allerdings wird das Geld nicht gleich im Januar fließen, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Hintergrun­d: Die Berechnung und Bearbeitun­g der Grundrente sind komplizier­t und die EDV-Programme noch nicht auf dem neuesten Stand. Die ersten Bescheide will die Rentenvers­icherung im Juli verschicke­n - und zwar die für die Neurentner. Alle, die schon Rente beziehen, müssen sich im ungünstigs­ten Fall noch bis Ende 2022 gedulden. Die bis dahin aufgelaufe­nen Beträge werden nachgezahl­t.

Was kostet die Grundrente?

Im ersten Jahr kalkuliert Arbeitsmin­ister Hubertus Heil mit rund 1,4 Milliarden Euro, die aus dem allgemeine­n Steueraufk­ommen finanziert werden sollen. Tendenz: steigend. Gelder aus der Rentenkass­e sollen zur Finanzieru­ng der Grundrente nicht herangezog­en werden.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa Im Alter besser abgesicher­t: Die neue Grundrente ist für Menschen gedacht, die ein Leben lang gearbeitet, aber nur wenig verdient haben.

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