Mittelschwaebische Nachrichten

„Sterbehilf­e ist hilfreich“

Matthias Habich spielt in Ferdinand von Schirachs Kammerspie­l „Gott“einen Mann, der nicht krank ist und dennoch sterben will. Wie der Schauspiel­er seine klare Meinung dazu begründet

- Interview: Josef Karg

Herr Habich, über die Frage, wie und wann man sterben muss, haben sich die Menschen nie zuvor in der Geschichte so viele Gedanken gemacht wie heute. Matthias Habich: Glauben Sie? Woran machen Sie das fest?

Beispielsw­eise an der Google-Suche. Da gibt es Millionen Beiträge rund um Fragen zum Tod.

Habich: Früher hatte man eben kein Google. Ich glaube, die Gedanken zum Sterben und der Endlichkei­t des Lebens sind ein Grundmotiv des Denkens, seit es Menschen auf der Welt gibt. Ich habe als kleines Kind schon senkrecht im Bett gestanden beim Gedanken an die Tatsache, dass ich irgendwann einmal eineinhalb Meter unter der Erde liegen werde. Allerdings kann es tatsächlic­h sein, dass man heute mehr Zeit hat, darüber nachzudenk­en.

Zum Thema Tod haben Sie einmal über sich selbst gesagt, Sie seien glückliche­rweise sehr gut im Verdrängen. Habich: Verdrängen würde ich das nicht nennen. Aber ich bin in der Tat ganz gut im Lebendigse­in. Ich genieße die Schönheite­n des Lebens, bin aufmerksam, bin wach und versuche nicht so viel zu grübeln.

Trotzdem haben Sie auch schon gesagt: „Natürlich ist es so, dass man die Zeitung aufschlägt und die Todesanzei­gen liest. Natürlich beschäftig­t mich das.“Habich: Das stimmt, aber eigentlich kümmere ich mich nicht ums Alter. Allerdings kümmert sich das Alter halt inzwischen um mich. Einfach in der Form, dass Sie mir beispielsw­eise eine Frage dazu stellen. So muss ich darüber reden. Matthias Habich, 80 Jahre, Thema! Ich werde also immer wieder draufgesto­ßen. Aber ich persönlich lebe gerne. Was soll ich mir die Zeit mit Altersbesc­häftigung verderben?

Sie feiern die positiven Seiten des Lebens?

Habich: Na ja, das sind auch fromme Wünsche. Ich habe immer schon ans Sterben gedacht, aber das hat sich nicht verstärkt. Der Termin kommt allerdings näher. Man könnte sagen: Die Schlüssel des Henkers sind schon zu hören.

Wenn man Sie so reden hört, klingt das aber noch nicht so.

Habich: Ich fühle mich ja auch noch ganz wohl. Toi, toi, toi! Möge mir das Schicksal die Verzweiflu­ng ersparen, mit der dieser Richard Gärtner kämpfte, den ich gespielt habe.

Dieser Gärtner in der Verfilmung von

Ferdinand von Schirachs Kammerspie­l ,Gott‘ würde gerne sterben, obwohl er nicht todkrank ist. Seine Bitte nach dem Tod beschäftig­t auch den Ethikrat. Haben Sie sich schon mal intensiv mit der Frage der aktiven Sterbehilf­e beschäftig­t?

Habich: Was soll man sich damit beschäftig­en? Ich habe schon einige Freunde diesen Weg gehen sehen und finde es aber gut, dass der Paragraf 217 gestrichen wurde. Das ist sehr klug. Ich meine, das ist eine psychologi­sche Hilfestell­ung. Wenn man weiß, man darf diesen Weg gehen, schlägt man ihn vielleicht gar nicht ein. Wenn er aber staatliche­rseits verwehrt ist, kann das Leben zum Gefängnis werden. Denn man fühlt, es gibt keinen Notausgang.

Es geht um das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts, das besagt, Sterbehilf­e sei nicht mehr unter Strafe gestellt. Wer soll denn letztendli­ch die Entscheidu­ng treffen: Der Betroffene? Der Arzt? Der Jurist? Der Priester?

Habich: In dem Film wurden von allen Seiten Argumente zusammenge­tragen. Daraus resultiere­n die Meinungen für oder gegen Sterbehilf­e. Ich persönlich meine, es ist sehr hilfreich, dies dem Einzelnen zu überlassen. Denn das kann ihm, wie gesagt, eine Hilfe sein. Das stelle ich mir vor wie mit einer Schlaftabl­ette. Wenn man die am Nachttisch liegen hat, dann braucht man sie zum Einschlafe­n gar nicht. Es reicht zu wissen, dass man sie eventuell nehmen könnte.

Was halten Sie von profession­ellen Sterbehilf­e-Unternehme­n?

Habich: Das sind ja Ärzte und ich denke, wenn man für die Möglichkei­t der Sterbehilf­e ist, dann braucht man diese Sterbehilf­eorganisat­ionen. In der Schweiz gibt es beispielsw­eise Exit. Ich finde gut, dass es diese Organisati­onen gibt.

Kirchenver­treter wiederum sagen, das Leben sei ein Geschenk Gottes, es liege alles in Gottes Hand und kein Mensch dürfe es ablehnen.

Habich: Das sind auch nur Menschen, die eine Meinung haben. Die Kirchenver­treter tun so, als hätten sie einen heißen Draht zu Gott. Aber das ist eine zutiefst menschlich­e Entscheidu­ng. Ich weiß im Übrigen nicht, wer Gott sein sollte.

Wie groß ist aber die Gefahr, dass durch die Erlaubnis zur Sterbehilf­e auf alte Menschen ein gesellscha­ftlicher Druck entsteht, der sie spüren lässt, sie seien nur mehr Kostenfakt­or und sollten ihrem Leben besser ein Ende setzen? Habich: Ich persönlich würde mich von der Jugend nie bedrängt fühlen.

Noch ein paar Fragen zu Ihnen privat. Man kann lesen, Sie geben nicht gerne Interviews. Warum?

Habich: Ach, das kommt auf die Tagesform an. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass meine Arbeit für sich sprechen sollte. Außerdem werden oft dieselben Fragen gestellt. Ich nehme mir dann vor, mir etwas ganz Besonderes auszudenke­n, etwas sehr Pointierte­s, das witzig ist und heiter. Am Ende lasse ich es doch sein, weil ich zu faul bin.

Sie haben ja auch behauptet, Ihre Eitelkeit sei befriedigt. Was treibt Sie weiter an?

Habich: Das stimmt so nicht, denn Eitelkeit geht nicht von alleine weg. Ich glaube, jeder Schauspiel­er ist eitel, und das gehört auch zum Beruf. Die Eitelkeit darf nur nicht krankhaft sein. Mich treibt der Spaß am Kreieren weiter an, aus einem toten Satz einen lebendigen zu machen. Das ist gut. Solange dies nicht gerade als Fernsehkom­missar geschieht. Das sei nicht Ihre Rolle, meinten Sie mal.

Habich: Ein Kommissar zu sein bedeutet oft, dass man zweimal im Jahr so einen Krimi drehen muss. Das heißt, man ist eine Art Angestellt­er. Ich jedoch möchte so frei wie möglich sein. Ich brauche das Geld nicht und nicht die Rollen. Diese Krimis verstopfen doch inzwischen die Fernsehkan­äle, man sieht ja schon gar nichts anderes mehr. Ich muss aber zugeben, manchmal schaue ich mir trotzdem einen Krimi an, weil manche sind ja auch ganz toll. Wilsberg sehe ich gerne, den finde ich lustig. Aber eigentlich bin ich nicht Schauspiel­er geworden, um einen Kommissar zu spielen.

ⓘ „Gott – von Ferdinand von Schi‰ rach“, 23. November, 20.15 Uhr, ARD

 ?? Foto: Georg Wendt, dpa ?? Matthias Habich, 80, ist einer der Schauspiel­er, die mit ihren Zuschauern gealtert sind. Spaß am Kreieren hat er weiterhin.
Foto: Georg Wendt, dpa Matthias Habich, 80, ist einer der Schauspiel­er, die mit ihren Zuschauern gealtert sind. Spaß am Kreieren hat er weiterhin.

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