Mittelschwaebische Nachrichten

Die Pandemie verändert ein Leben zwischen Krumbach und Thailand

Vor der Pandemie war es für Heinz Rohrhirsch leicht, zwischen zwei Lebensmitt­elpunkten zu pendeln. Was Corona für den 68-Jährigen und seine Familie bedeutet

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach Die Pandemie trifft Menschen in unterschie­dlichsten Situatione­n, mit den verschiede­nsten Konsequenz­en. Da sind zum einen die Personen, deren Existenz durch einschränk­ende Maßnahmen in Gefahr geraten, und da sind auch solche, die an der Gestaltung ihres Lebens ohne Vorwarnung gehindert werden. Menschen einer Gesellscha­ft, die die Globalisie­rung schon längst als gelebte Selbstvers­tändlichke­it erfährt, werden durch die staatliche­n Versuche, die Seuche einzudämme­n, mit einem Mal vor kaum zu überwinden­de Hürden gestellt. Heinz Rohrhirsch gehört zu dem Personenkr­eis, der auf eine ganz individuel­le Weise von der Pandemie betroffen ist.

Den Lebensmitt­elpunkt nach Thailand verlegt

Im Ruhestand, erzählt der 68-Jährige, habe er sich entschiede­n, in Thailand zu überwinter­n. Vor vier Jahren lernte er dort seine heutige Lebenspart­nerin kennen und verlegte seinen Lebensmitt­elpunkt nach Thailand. Seither kam er mit seiner neuen Familie nur noch für ein Vierteljah­r im Sommer nach

Krumbach, auch um seinen Vater zu besuchen. „Als seine Lebensgefä­hrtin im Januar in ein Pflegeheim musste und mein Vater allein zurückblie­b, hat sich sein Zustand verschlech­tert. Er ist 96 und die Einsamkeit machte ihn depressiv. Meine Partnerin drängte mich deshalb, schon im Frühling nach Krumbach zu gehen und mich um ihn zu kümmern. Meine Partnerin, die einen schulpflic­htigen Sohn hat, konnte nicht mitkommen. Als ich im März nach Krumbach kam, begannen gerade die Einschränk­ungen wegen Corona. Da war es doppelt schwer, eine dauerhafte Lösung für meinen Vater zu finden, aber schließlic­h konnte ich mit meiner Schwester einen Heimplatz finden, ganz in der Nähe des Wohnorts meiner Schwester.“Doch die Abwicklung aller Aufgaben, die mit dem Umzug ins Heim erledigt werden musste, zog sich hin.

Da Heinz Rohrhirsch nicht verheirate­t ist, hat er lediglich eine beschränkt­e Aufenthalt­sgenehmigu­ng für Thailand, die er regelmäßig verlängern lassen muss. Während seines Aufenthalt­s in Krumbach, lief dieses Visum ab. Im Normalfall ist das kein Problem, man beantragt beim Generalkon­sulat eine Verlängeru­ng. Jetzt müsste sich Heinz Rohrhirsch ein neues Visum ausstellen lassen. Aber während er sich in Deutschlan­d um seinen Vater kümmerte, hat die Pandemie die Welt verändert. Was bislang eine Kleinigkei­t war, wurde zum unüberwind­lichen Hindernis, denn über Monate hinweg war Thailand für „normale“Menschen gesperrt. Ein Visum konnten nur privilegie­rte Personen beantragen. Das ist Rohrhirsch aber nicht, da er nicht verheirate­t ist. Und weil seine Partnerin mit dem zehnjährig­en Sohn in Thailand gebunden ist, konnte auch sie nicht zu ihm nach Deutschlan­d kommen.

„So kann ich wenigstens normal leben“

Seit fast einem dreivierte­l Jahr sitzt Rohrhirsch jetzt in Deutschlan­d fest.

„Gott sei Dank habe ich mein Haus behalten und auch nicht vermietet, so kann ich wenigstens normal leben. Aber es ist lähmend, hier zu sein und nichts tun zu können. Bevor ich meinen Lebensmitt­elpunkt nach Thailand verlegt habe, habe ich mich bei der Tafel engagiert. Ich würde gerne dort wieder helfen oder auch einen kleinen Job annehmen, um noch aktiv zu sein, aber ich sitze hier auf Abruf, und da bin ich weder für eine Hilfsorgan­isation noch für ein Unternehme­n zu gebrauchen“, sagt er.

So untätig hinzuwarte­n sei nicht sein Ding. Seit dem 1. Oktober, erklärt er, gebe es auf dem Papier auch für ihn wieder die Möglichkei­t, eine Einreisege­nehmigung und ein Langzeitvi­sum im Generalkon­sulat in München zu beantragen, aber im wirklichen Leben sieht es anders aus. „Ich rufe täglich an, bekomme aber keine Verbindung, nur eine Bandansage. Auch auf meine Mails erhalte ich keine Reaktion.“

Heinz Rohrhirsch hofft trotzdem, dass sich in absehbarer Zeit die Situation entspannt. Sobald er dann einen Termin im Konsulat bekommen hat, läuft der Countdown. Dann muss er alle Vorbereitu­ngen treffen, um die Bedingunge­n der Einreise zu erfüllen. „Jeder der einreisen will, muss beim Antrag auf das Visum ein gültiges Flugticket und den fest gebuchten Aufenthalt in einer offizielle­n Corona-Quarantäne­station nachweisen.“

Doch Heinz Rohrhirsch ist willig, alle Hürden zu nehmen, um zurück in sein Sehnsuchts­land und zu seiner Familie zu kommen.

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Anstatt unter der Sonne Thailands das Familienle­ben zu genießen, hängt Heinz Rohrhirsch im nasskalten schwäbisch­en November fest.
Foto: Gertrud Adlassnig Anstatt unter der Sonne Thailands das Familienle­ben zu genießen, hängt Heinz Rohrhirsch im nasskalten schwäbisch­en November fest.

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