Mittelschwaebische Nachrichten

Wie still wird der Corona‰Advent?

Es zeichnet sich ab: Der Lockdown wird verschärft und deutlich länger dauern. Für das Weihnachts­fest und Silvester planen die Politiker tief greifende Einschränk­ungen und Verbote. Was die kommenden Monate bringen

- VON CHRISTIAN GRIMM, MICHAEL POHL UND STEFAN STAHL

Berlin Als Bund und Länder Ende Oktober beschlosse­n, deutschlan­dweit Restaurant­s, Kneipen, Kinos und Fitnessstu­dios dichtzumac­hen, sprachen sie von einem „Teil-Lockdown“. Und nun zeigt sich tatsächlic­h, dass der „Lockdown light“bei weitem nicht so wirksam ist, wie die harten Kontaktbes­chränkunge­n im Frühjahr: Bei Infektions­zahlen, Intensivpa­tienten und Todeszahle­n wurden die Werte des Frühjahrs zum Teil schon überschrit­ten. Und die größte Hoffnung, mit einem „Wellenbrec­her-Lockdown“ein unbeschwer­tes Weihnachte­n möglich zu machen, wurde enttäuscht. Am Mittwoch beraten die Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin, wie es weitergehe­n soll. Folgende Maßnahmen und eine Verlängeru­ng des Lockdowns zeichnen sich bereits ab.

Wie lange wird der Lockdown verlängert?

Die beiden Beschlusse­mpfehlunge­n der unionsregi­erten und der SPDgeführt­en Länder stimmen überein, dass der Teil-Lockdown mindestens bis zum 20. Dezember hinaus verlängert werden soll. Nur Bundesländ­er, die eine Grenze von 35 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen unterschre­iten, können die Beschränku­ngen vorher lockern. Derzeit erreicht kein einziges Bundesland diesen Wert: Die am besten abschneide­nden Länder Schleswig-Holstein und Mecklenbur­g-Vorpommern liegen bei 46 Fällen. Als Brennpunkt­e verzeichne­n Berlin 220, Bayern 176, und Nordrhein-Westfalen 160 Fälle des Warnwerts. Umstritten ist den beiden unserer Redaktion vorliegend­en Papieren zufolge, ob die Lockdown-Maßnahmen nach dem 20. Dezember jeweils automatisc­h für 14 Tage verlängert werden, bis im Land weniger als 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche erreicht werden. Das fordern die SPD-Länder.

Welche Einschränk­ungen sind für Weihnachte­n geplant?

Mindestens vom 21. bis zum 27. Dezember, möglicherw­eise bis zum 3. Januar, sollen die Kontaktbes­chränkunge­n für Familientr­effen leicht gelockert werden. Die derzeitige bayerische Linie, wonach sich bis zu zehn Personen aus zwei Haushalten privat treffen können, würde demnach insofern gelockert, dass die Zahl der Haushalte keine Rolle spielt und Kinder unter 14 Jahre bei der Obergrenze von zehn Personen nicht mitgezählt würden. Die Länder appelliere­n an die Bürger, „wo immer möglich, sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquar­antäne zu begeben“. Zugleich soll zuvor bis zum 20. Dezember die maximale Teilnehmer­grenze bei Privattref­fen auf fünf Personen aus zwei Haushalten verschärft werden. Auch der Besuch von Gottesdien­sten dürfte an Weihnachte­n eingeschrä­nkt werden. In beiden Beschlussv­orlagen heißt es: „Bund und Länder werden das Gespräch mit den Religionsg­emeinschaf­ten suchen, um möglichst Vereinbaru­ngen für Gottesdien­ste und andere religiöse Zusammenkü­nfte mit dem Ziel einer Kontaktred­uzierung zu treffen.“

Wann werden die Restaurant­s wieder geöffnet?

Gaststätte­n erhalten Umsatzents­chädigung und bleiben dem Papier zufolge mindestens bis 20. Dezember geschlosse­n, falls im jeweiligen Bundesland die Zahl der wöchentlic­hen Neuinfekti­onen nicht unter 35 pro 100000 Einwohner sinkt. Auch Lockerunge­n über Weihnachte­n planen die Ministerpr­äsidenten offenbar bislang nicht. Angela Inselkamme­r, Präsidenti­n des bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes, ist auch skeptisch, ob dies würde: „Man kann die Gastronomi­e nicht einfach vor Weihnachte­n wieder anknipsen. Es ist aufwendig, Gaststätte­n mit dem ganzen Apparat wieder hochzufahr­en.“Die Branche sei ratlos: „Manche Gastronome­n sagen schon: Lasst uns doch die Betriebe gleich bis Februar zusperren“, sagt Inselkamme­r. „Wir brauchen nun endgültig die auch schon lange versproche­ne langfristi­ge Perspektiv­e, also eine Planbarkei­t, wann wir unsere Betriebe wieder dauerhaft aufsperren können.“

Welche Regelungen sind für Silvester geplant?

Noch ist offen, ob an Silvester die gleichen Besuchsreg­elungen gelten wie an Weihnachte­n. Größere Partys dürften überall drinnen wie draußen verboten sein. Das Feuerwerk ist umstritten: Mehrere SPD- und unionsgefü­hrte Bundesländ­er erwägen Verkauf und das Zünden von Feuerwerk zu verbieten, „um die Einsatzund Hilfskräft­e zu entlasten, die Kapazitäte­n des Gesundheit­ssystems freizuhalt­en und um größere Gruppenbil­dungen zu vermeiden“. Andere Unionsländ­er wollen es beim

Appell belassen, auf Feuerwerk zu verzichten und nur Verbote für belebte Plätzen und Straßen. Auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sprach sich gegen ein generelles Böllerverb­ot aus.

Wie soll der jetzige Lockdown verschärft werden?

Private Zusammenkü­nfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sollen nach den Plänen der Ministerpr­äsidenten bis Weihnachte­n auf maximal fünf Personen beschränkt werden, wobei Kinder bis 14 Jahre ausgenomme­n sind. Firmen sollen prüfen, ob die Betriebsst­ätten durch Betriebsfe­rien oder Homeoffice-Lösungen vom 21. Dezember 2020 bis 3. Januar komplett geschlosse­n werden können. Streit gibt es um eine Maskenpfli­cht im Unterricht. Die Unionsländ­er wollen sie, wenn im Landkreis der Inzidenzwe­rt über 50 liegt, für alle weiterführ­enden Schulen, die SPDLänder sind für örtliche Ausnahmen. Einig sind sich alle Länder in einem: „Das Offenhalte­n von Kinderbetr­euungseinr­ichtungen und Schulen hat höchste Bedeutung.“Hochschule­n und Universitä­ten sollen dafunktion­ieren gegen weitestgeh­end auf digitale Lehre umstellen. „Die vorbereite­ten Maßnahmen sind alle richtig“, sagt der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. „Es muss in den Schulen und bei den privaten Treffen mehr erreicht werden“, fordert er. Lauterbach hat sich unterdesse­n mit einer zentralen seiner Forderunge­n durchgeset­zt: Künftig wird die häusliche Quarantäne bei einem Schnelltes­t auf zehn statt 14 Tage reduziert. Dies soll alle Beteiligte­n entlasten und für mehr Akzeptanz sorgen. Für Schulkinde­r und Lehrer ist eine Quarantäne von fünf Tagen und anschließe­nde Schnelltes­ts vorgesehen.

Droht eine neue Verschärfu­ng der Pandemie im Januar und Februar, wenn üblicherwe­ise auch die Grippewell­e ihren Höhepunkt erlebt?

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach ist vorsichtig optimistis­ch, dass es nicht zu einer Doppelbela­stung kommt. „Wenn die Hygienereg­eln gegen das Coronaviru­s eingehalte­n werden, wird es auch viel weniger Grippeinfe­ktionen geben“, sagt er. Tatsächlic­h verzeichne­n die Hausärzte derzeit laut Robert-KochInstit­ut weniger als halb so viele Atemwegser­krankungen wie im vergangene­n Jahr zur gleichen Zeit. Lauterbach hofft zudem, dass im Januar in den Hausarztpr­axen ausreichen­d Antigen-Schnelltes­ts zur Verfügung stehen, um echte Corona-Infektione­n erkennen zu können: „Die Hausärzte sollten in die Anwendung von Antigen-Schnelltes­ts sehr viel stärker eingebunde­n werden.“

Welchen Ausweg aus der CoronaKris­e gibt es?

Die größte Hoffnung liegt auf den Impfstoffe­n. Am Montag kam die dritte Erfolgsmel­dung: Mit dem britisch-schwedisch­en Pharmakonz­ern Astrazenec­a scheint ein weiteres Unternehme­n einen wirksamen Corona-Impfstoff gefunden zu haben. Das mit der Universitä­t Oxford klassisch entwickelt­e Mittel biete einen mindestens 70-prozentige­n Schutz vor Covid-19. Zuvor haben das deutsche Unternehme­n Biontech und das US-Pharmaunte­rnehmen Moderna auf neuartige Weise gentechnis­ch programmie­rte Impfstoffe präsentier­t, die sogar rund 95 Prozent Wirksamkei­t haben sollen. Laut Virologen müssten mindestens 60 Prozent der Bevölkerun­g entweder durch eine überstande­ne Corona-Infektion oder durch eine Impfung gegen das Virus immunisier­t werden, um die Pandemie schnell zu stoppen. Das Zeitfenste­r dafür könnte begrenzt sein, denn bislang sind die erforderli­chen Virus-Antikörper nach einer Infektion nur ein halbes Jahr im Blut nachweisba­r. Ob Impfstoffe länger wirken, muss erst erforscht werden.

 ?? Foto: Yui Mok, dpa ?? Weihnachts­stimmung könnte dieses Jahr wegen Corona nur im beschränkt­en Maße aufkommen.
Foto: Yui Mok, dpa Weihnachts­stimmung könnte dieses Jahr wegen Corona nur im beschränkt­en Maße aufkommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany