Mittelschwaebische Nachrichten
Ein weiter Weg bis zum großen Ziel
Das Ehepaar Agbih aus Waldkirch möchte einen afrikanischen Laden samt Café eröffnen. Wer hinter der Kulturküche Wadoh steckt und welche Auszeichnung es nun gibt
Waldkirch Liebe geht bekanntlich durch den Magen, warum also nicht auch Nächstenliebe? Paul Agbih und seine Frau Sylvia engagieren sich seit etwa sechs Jahren für Flüchtlinge, die in den Landkreisen Günzburg und Dillingen leben, und haben ein ganz besonderes Anliegen. Im Gegensatz zu vielen anderen engagierten Bürgern haben die beiden sich in der Flüchtlingsfrage vor allem mit einem Thema beschäftigt: dem Essen. Und sie haben ein großes Ziel: Einen afrikanischen Laden mit Café, der als interkulturelles Begegnungszentrum dienen soll.
Das Ehepaar Agbih lebt seit inzwischen 20 Jahren im beschaulichen Waldkirch, zuvor wohnten sie sechs Jahre lang in Nigeria, der Heimat Pauls. In dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas heirateten die beiden im Jahr 1994, nachdem sie sich Jahre zuvor auf einem Kongress in der Schweiz kennenlernten und über Frieden diskutierten. Und die Themen Frieden und Integration beschäftigt die Agbihs noch heute.
Paul Agbih sitzt im Sportheim des SC Mönstetten und spricht über die Anfänge seines ehrenamtlichen Engagements in der Region. Er hat von den Bedürfnissen der Flüchtlinge erfahren und ihnen zunächst als Übersetzer geholfen. Doch dabei blieb es nicht. So banal es klingen mag, aber die zumeist jungen Menschen vermissten ihr gewohntes Essen. Sylvia Agbih erinnert an eigene Reisen ins Ausland. Egal wie gut das Essen in einem anderen Land sei, schon nach wenigen Wochen freue man sich, wieder seine gewohnten Speisen essen zu können. Das sei wichtig für das Wohlbefinden. Das Problem für Flüchtlinge aus Afrika: In der Region gibt es quasi keine afrikanischen Lebensmittel. „Ich habe sie dann mit meinem Auto nach München, Augsburg oder Ulm zum Einkaufen in afrikanische Lebensmittelläden gefahren“, sagt Paul Agbih. Er erinnert sich an die glücklichen Gesichter der Flüchtlinge, als sie dieses kleine Stück Heimat in Deutschland erleben konnten.
Paul Agbih, der in Nigeria Englischund Religionslehrer war und in 36 Ländern gearbeitet hat, erinnert sich an eine Anekdote aus England. Als er dort einen Bekannten besuchte, wurde er zum Essen eingeladen – es gab unter anderem Salat. „Ich kannte das nicht. Ich fragte ihn, ob das wirklich zum Essen ist.“Sollte er etwa Gras fressen wie eine
erzählt Paul Agbih über das damalige Treffen und lacht.
Mit seiner Frau gründete er vor einigen Jahren die Kulturküche „Wa Doh“. Das ist ein Begriff in Pauls Muttersprache Isoko und bedeutet so viel wie „seid willkommen, kommt herein und seid herzlich begrüßt“. Sie wollen verschiedene Religionen, Kulturen, Sprachen und Essgewohnheiten zusammenbringen. Ein afrikanischer Laden, dazu ein Café und ein interkulturelles Begegnungszentrum stellen sie sich darunter vor. „Das Café ist mehr als ein Ort zum Essen, es soll eine Begegnungsstätte sein“, sagt Sylvia Agbih.
Möbel für den Traum eines Cafés haben sie bereits, faire Preise soll es geben, sodass nur die Ausgaben gedeckt sind und sich das Vorhaben selbst trägt. Geld verdienen sei nicht das Ziel, erzählt das Ehepaar. Wo der Laden einmal sein soll, wissen sie nicht – ob im Landkreis Günzburg oder doch eher im Landkreis Dillingen. Ob in einer Stadt oder in einer kleineren Gemeinde. „Die Laufkundschaft wäre natürlich wichtig, aber wenn etwas richtig gut ist, kommen die Leute auch so“, ist sich Sylvia Agbih sicher. Jürgen Söll engagiert sich ebenfalls in der Kulturküche und hat bereits vier Jahre lang einen Asylbewerber bei sich zuhause aufgenommen. „Ein Busoder Bahnanschluss ist wichtig, weil sonst viele Migranten keine Möglichkeit haben zu kommen.“Sie alle wissen, dass noch einige Zeit vergehen wird, bis ihr gemeinsamer Traum Realität wird. Bis dahin werden sie weiter afrikanisches Essen ausfahren.
Sie verkaufen unter anderem afrikanische Gewürze, Maniok, Kochbananen und Yamswurzeln. Letztgenanntes exotisches Gemüse ist in Europa weitgehend unbekannt, während es in Afrika ein Grundnahrungsmittel ist. Paul Agbih vergleich die Yamswurzel mit einer Kartoffel – nur ist sie deutlich größer.
Die afrikanischen Lebensmittel bezieht er von einem Lieferanten aus Holland und liefert sie dann an Flüchtlinge und andere Käufer aus. 25 Euro kostet ein Karton mit dem kartoffelähnlichen Yams normalerweise, wegen der Corona-Pandemie sprangen die Kosten auf 45 Euro in die Höhe. Der Preis würde für ihn fallen, wenn er größere Mengen abnehmen könnte, doch dafür fehlt ihm der Platz. Auch hier könnte ein eigenes Geschäft Abhilfe schaffen.
In der Vergangenheit war die Kulturküche auf Festen und MärkZiege, ten zu finden – unter anderem auf dem Fest der Kulturen in Leipheim und dem Dillinger Weihnachtsmarkt. Sie organisieren zudem internationale Kochtage, bereiten als Caterer im Sportheim Mönstetten Essen zu und bieten Kochkurse bei Privatleuten an. Seit zwei Jahren beschäftigt sich die Kulturküche, die aus etwa zehn Helfern besteht, mit dem Gedanken, einen Verein zu gründen. „Damit würden wir leichter an Fördergelder rankommen und das Projekt auf solide Beine stellen“, sagt Sylvia Agbih.
Die Kulturküche Wa Doh um Sylvia und Paul Agbih ist wegen ihres vielfältigen Engagements nun mit dem Schwäbischen Integrationspreis ausgezeichnet worden. Das Preisgeld hierfür ist mit 1700 Euro dotiert. Dies hilft den Preisträgern, den Flüchtlingen in der Region zu helfen und ihrem Ziel, ein Café, einen Schritt näher zu kommen. „Wir können die großen Flüchtlingsfragen nicht beantworten und die massive Ungerechtigkeit in der Welt nicht auflösen, aber wir können etwas im Kleinen erreichen“, sagt Sylvia Agbih und erntet ein zustimmendes Kopfnicken ihres Mannes Paul, der zudem sagt: „Was gibt es Schöneres als fremde Kulturen durch Essen zu erlernen.“