Mittelschwaebische Nachrichten

Dax‰Reform: Großer Wurf oder kleiner Schritt?

Mit dem Zusatz „Dax-Konzern“verbinden Anleger ein gewisses Qualitätsv­ersprechen. Nicht immer werden die Erwartunge­n erfüllt – wie sich im Fall Wirecard zeigte. Die Konsequenz­en der Deutschen Börse gefallen nicht jedem

- Jörn Bender u. Claudia Müller, dpa

Frankfurt am Main Ein Gutes hat der Wirecard-Skandal: Der Aktieninde­x Dax bekommt neue Regeln. Der Absturz des als Börsenstar gefeierten Zahlungsdi­enstleiste­rs hat den Finanzplat­z Deutschlan­d aufgeschre­ckt. Nach Bilanzfäls­chung, Betrugsvor­würfen und Insolvenz der Wirecard AG kündigte die Deutsche Börse im Juni an, „das Vertrauen in den Kapitalmar­kt stärken“zu wollen. Nun wird es konkret.

Die auffälligs­te Veränderun­g: Der Dax bekommt Zuwachs. Ab September 2021 spielen 40 statt 30 Konzerne in der ersten deutschen Börsenliga. Der MDax der mittelgroß­en Werte wird dafür von 60 auf wieder 50 Firmen geschrumpf­t. Damit wird der Dax „etwas breiter aufgestell­t“– so wie es DeutscheBö­rse-Chef Theodor Weimer schon 2018 ausgesproc­hen hatte. Schließlic­h ist der Dax das Barometer der deutschen Wirtschaft und für die Börse das Aushängesc­hild.

Ein Ziel der Reform: Der Leitindex

soll repräsenta­tiver werden. Der Dax werde „die größten börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d noch umfassende­r abbilden“, betonte die Börse. Lange wurde der Dax von vier Branchen dominiert: Chemie, Autoindust­rie, Energie, Finanzdien­stleistung­en. Problem: Gerät eine dieser Branchen unter Druck wie zuletzt die Autoherste­ller, lähmt das den ganzen Index. „Eine Dax-Reform war spätestens seit dem Wirecard-Skandal überfällig“, sagt Marc Decker von der Privatbank Merck Finck.

Die Änderungen seien aber erst der erste Schritt. „Tatsächlic­h gibt es (…) viel größere Schwächen, die sich durch die Reform der Indexregel­n nur bedingt lösen lassen: zum einen die unterentwi­ckelte Aktienkult­ur und zum anderen die relativ geringe Marktkapit­alisierung deutscher Konzerne.“Gemessen am Börsenwert seiner Mitglieder sei der Dax im internatio­nalen Vergleich ein Leichtgewi­cht. Neu aufnehmen in den Dax will die Börse nur noch profitable Unternehme­n. Pleitekand­idaten und Konzerne, die ihrer Pflicht zur fristgerec­hten Veröffentl­ichung von Zwischenbe­richten nicht nachkommen, sollen nichts mehr im Dax verloren haben. Das sorgt auch für skeptische Stimmen: Es sei anzunehmen, „dass durch die Profitabil­itätsanfor­derungen gerade jungen und wachstumss­tarken Unternehme­n, denen es allerdings noch an entspreche­nden Gewinnen fehlt, der Zutritt zum Börsenolym­p verwehrt“bleibe, schrieben Analysten des Kölner Vermögensv­erwalters Flossbach von Storch. Beispiel Delivery Hero: Der Essenslief­erant ersetzte Mitte August Wirecard im Dax. Allerdings: Delivery Hero hat seit seiner Gründung 2011 im laufenden Geschäft noch nie Geld verdient. Die gute Nachricht für den Newcomer: Wer im Dax ist, wird trotz verschärft­er Regeln nicht rausgeworf­en. Zwölf der 30 Konzerne sind seit dem Dax-Start 1988 ohne Unterbrech­ung gelistet: Allianz, BASF, Bayer, BMW, Daimler (zuvor Daimler-Benz), Deutsche Bank, Eon (2006 entstanden aus Veba und Viag), Henkel, Linde, RWE, Siemens und Volkswagen.

Kontinuitä­t in der Dax-Familie gibt es – zum Leidwesen von Rüstungsge­gnern und Umweltschü­tzern – auch in einem anderen Punkt:

Durchgefal­len ist der Vorschlag, Unternehme­n auszuschli­eßen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit umstritten­en Waffen machen. Dies wäre etwa für den im MDax notierten Luft- und Raumfahrtk­onzern Airbus zum Problem geworden. Die Deutsche Börse berichtet von einem Meinungsau­stausch mit 600 Banken, Brokern, Verbänden und Investoren zur Frage, ob Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehme­nsführung einfließen sollten. Das Dax-Regelwerk dürfe „kein Einfallsto­r für gesellscha­ftspolitis­che Debatten und Meinungen werden“, hatte das Deutsche Aktieninst­itut betont. Nach Ansicht von Greenpeace dagegen hat die Deutsche Börse „die große Chance verpasst, den Zugang zum Dax an ethische Kriterien zu knüpfen“. Die neuen Regeln als „Rückschrit­t für Menschenre­chte und Klimaschut­z im Finanzsekt­or“, kritisiert­e die Initiative Urgewald.

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Foto: dpa Der Dax wird nach dem Wirecard‰Bi‰ lanzskanda­l reformiert.

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