Mittelschwaebische Nachrichten
Der Traum vom Wohnmobil: Marke Eigenbau
Wohnmobile boomen. Aber nicht jeder kann sich ein Modell von der Stange leisten. ACE-Experte Constantin Hack erklärt, wie man mit Do-it-yourself zu einem wohnlichen Camper kommen kann
Berlin Covid-19 ist für viele Branchen eine Katastrophe. Einige wenige aber – so zum Beispiel die Fahrrad-Industrie – haben profitiert. Auch die Camping-Branche und insbesondere der WohnmobilMarkt haben in diesem Jahr einen wahren Boom erlebt. Verlockend ist die Aussicht, abseits des Trubels unterwegs zu sein. Nicht jeder aber verfügt über die finanziellen Möglichkeiten, selbst „nur“ein gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. „Und doch kann der Traum von der Freiheit auf vier Rädern in Erfüllung gehen“, sagt Constantin Hack. „DIY“– „Do-it-yourself“heißt das Zauberwort, das diesen Traum für verhältnismäßig wenig Geld möglich machen kann, verrät der Experte des Auto Club Europa (ACE).
Am Anfang steht dabei die Suche nach einer geeigneten Basis für den Ausbau. Der Klassiker ist der „Bulli“von VW, egal ob nun aus der Baureihe T2, T3 oder T4. „In der Tat sind diese Modelle sehr gefragt, damit aber auch sehr teuer, sodass sie für viele ausscheiden“, bestätigt Hack. Er rät, bei den AutomobilBörsen nicht nach Marke oder Modell zu suchen, sondern das verfügbare Budget einzugeben und die Fahrzeugklasse, meist Transporter.
Die Corona-Krise hat zu einem deutlichen Preisanstieg geführt: „Echte Schnäppchen sind deshalb im Augenblick kaum zu finden, vielmehr werden immer wieder ziemlich grottige Fahrzeuge zu überhöhten Preisen angeboten.“Und ein hoher Preis sei keine Garantie, dass man dem potenziellen Käufer nicht doch ein Groschengrab andrehen wolle. „Deshalb sollte man zum Besichtigungstermin unbedingt jemand mitnehmen, der sich mit der Materie auskennt“, so der Fachmann. Alternativ kann man das Fahrzeug bei einer Prüforganisation checken lassen.
Fündig werden kann man auch bei einer Zoll-Auktion, wo ehemalige Behördenfahrzeuge versteigert werden, oder bei Firmen wie DHL: Durch Erneuerung der Flotte gelangen immer wieder Modelle in den Verkauf oder zur Versteigerung.
Modelle, die als Basis infrage kommen, sind neben dem VW-Bus laut ACE-Technik-Redakteur Hack Mercedes Sprinter, Ford Transit und Fiat Ducato. Wenn es eine Nummer kleiner sein soll (oder muss), eignen sich VW Caddy, Renault Kangoo oder Ford Tourneo.
Wer aber auch mal abseits befestigter Straßen unterwegs sein will, benötigt zwingend Allradantrieb. „Da kann dann zum Beispiel ein Unimog das passende Fahrzeug sein oder auch ein kleinerer Laster von Mercedes“, sagt Hack. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass viele Behördenfahrzeuge häufig komplett verglast seien, was den Innenausbau schwierig bis unmöglich mache. Zudem heizen sich diese Fahrzeuge stark auf, was bei Urlaub im Süden zum Problem werden kann. Klassische Lieferfahrzeuge ohne oder mit kleinen respektive wenigen Scheiben eignen sich zum Ausbau deutlich besser. Möchte man Scheiben nachträglich einbauen, finden sich diese im Campingbedarf.
Was den Ausbau nach eigenen Vorstellungen kompliziert macht: Bei TÜV und Co. existiert keine einheitliche Definition eines Wohnmobils. Da könne es passieren, dass die eine Prüfstelle keine Küche verlange, während die andere sage „Wohnen ist nicht nur schlafen und sitzen, sondern dazu bedarf es auch einer Küche“. Und selbst wenn eine Küche dabei ist, kann es noch Probleme geben: „Während hier ein fester Einbau der Kochstelle gefordert wird, reicht dort möglicherweise ein mobiler Gas- oder Spirituskocher“, bemängelt der Experte.
Es sei also ratsam, vor Beginn des Ausbaus mit der Prüfstelle zu sprechen, bei der man später auch die Abnahme machen lassen will. „Ansonsten kann es ein böses Erwachen geben – dann, wenn man mir die Zulassung als Wohnmobil verweigert.“Viele der Basisfahrzeuge verfügen über einen Dieselmotor mit großem Hubraum, was eine hohe Kfz-Steuer bedeutet. „Für ein als Wohnmobil zugelassenes Fahrzeug dagegen fällt diese Steuer deutlich günstiger aus“, weiß Hack.
Der Experte warnt davor, an der falschen Stelle zu sparen: „Viele versuchen, ihre Vorstellungen mit möglichst simplen Mitteln umzusetzen und verzichten auf teurere Bauteile aus dem Fachhandel.“Dabei werde aber vergessen, dass ein Wohnmobil gewissen Erschütterungen ausgesetzt ist, was robuste Lösungen
verlangt. Der Kühlschrank von zu Hause ist tabu. Denn je nach Stellplatz muss ein Kühlschrank auch Schräglage vertragen – das tun Modelle aus dem Campinghandel.
Hack schätzt, dass man mit einem Budget von knapp 5000 Euro für die Basis sowie 2000 Euro für den Ausbau bereits ein wohnliches Wohnmobil bekommen kann – Abstriche beim Komfort und handwerkliche Geschicklichkeit vorausgesetzt. „Das Gros der DIY-Bauer dürfte aber zwischen 10000 bis 20000 Euro in die Basis und noch einmal
Lieber vor dem Ausbau mit der Prüfstelle sprechen
Der Verzicht auf eine Toilette will gut überlegt sein
5000 bis 10000 Euro in den Ausbau investieren.“Nach oben seien keine Grenzen gesetzt. Er habe auch schon Umbauten für sechsstellige Beträge gesehen. Wie man auf vier Rädern wohnen will, davon hat jeder andere Vorstellungen.
Doch eines gibt der Experte zu bedenken. „Weil zum Beispiel Toilette und Bad von keiner Prüfstelle verlangt werden, verzichtet manch einer einfach auf die sanitären Anlagen.“Das allerdings kann Folgen haben. „Wegen Corona waren im Sommer in Deutschland und Europa auf vielen Campingplätzen die Sanitäranlagen gesperrt und Wohnmobilen ohne Sanitärausstattung wurde kein Einlass gewährt.“Dieses Klientel habe es daher im Internet schon zu fragwürdiger Berühmtheit gebracht, berichtet Hack: „Als, Pardon, ich zitiere: Wald- und Wiesenscheißer.“