Mittelschwaebische Nachrichten

Der Traum vom Wohnmobil: Marke Eigenbau

Wohnmobile boomen. Aber nicht jeder kann sich ein Modell von der Stange leisten. ACE-Experte Constantin Hack erklärt, wie man mit Do-it-yourself zu einem wohnlichen Camper kommen kann

- Andreas Kötter, dpa

Berlin Covid-19 ist für viele Branchen eine Katastroph­e. Einige wenige aber – so zum Beispiel die Fahrrad-Industrie – haben profitiert. Auch die Camping-Branche und insbesonde­re der WohnmobilM­arkt haben in diesem Jahr einen wahren Boom erlebt. Verlockend ist die Aussicht, abseits des Trubels unterwegs zu sein. Nicht jeder aber verfügt über die finanziell­en Möglichkei­ten, selbst „nur“ein gebrauchte­s Fahrzeug zu erwerben. „Und doch kann der Traum von der Freiheit auf vier Rädern in Erfüllung gehen“, sagt Constantin Hack. „DIY“– „Do-it-yourself“heißt das Zauberwort, das diesen Traum für verhältnis­mäßig wenig Geld möglich machen kann, verrät der Experte des Auto Club Europa (ACE).

Am Anfang steht dabei die Suche nach einer geeigneten Basis für den Ausbau. Der Klassiker ist der „Bulli“von VW, egal ob nun aus der Baureihe T2, T3 oder T4. „In der Tat sind diese Modelle sehr gefragt, damit aber auch sehr teuer, sodass sie für viele ausscheide­n“, bestätigt Hack. Er rät, bei den AutomobilB­örsen nicht nach Marke oder Modell zu suchen, sondern das verfügbare Budget einzugeben und die Fahrzeugkl­asse, meist Transporte­r.

Die Corona-Krise hat zu einem deutlichen Preisansti­eg geführt: „Echte Schnäppche­n sind deshalb im Augenblick kaum zu finden, vielmehr werden immer wieder ziemlich grottige Fahrzeuge zu überhöhten Preisen angeboten.“Und ein hoher Preis sei keine Garantie, dass man dem potenziell­en Käufer nicht doch ein Groschengr­ab andrehen wolle. „Deshalb sollte man zum Besichtigu­ngstermin unbedingt jemand mitnehmen, der sich mit der Materie auskennt“, so der Fachmann. Alternativ kann man das Fahrzeug bei einer Prüforgani­sation checken lassen.

Fündig werden kann man auch bei einer Zoll-Auktion, wo ehemalige Behördenfa­hrzeuge versteiger­t werden, oder bei Firmen wie DHL: Durch Erneuerung der Flotte gelangen immer wieder Modelle in den Verkauf oder zur Versteiger­ung.

Modelle, die als Basis infrage kommen, sind neben dem VW-Bus laut ACE-Technik-Redakteur Hack Mercedes Sprinter, Ford Transit und Fiat Ducato. Wenn es eine Nummer kleiner sein soll (oder muss), eignen sich VW Caddy, Renault Kangoo oder Ford Tourneo.

Wer aber auch mal abseits befestigte­r Straßen unterwegs sein will, benötigt zwingend Allradantr­ieb. „Da kann dann zum Beispiel ein Unimog das passende Fahrzeug sein oder auch ein kleinerer Laster von Mercedes“, sagt Hack. Allerdings müsse man berücksich­tigen, dass viele Behördenfa­hrzeuge häufig komplett verglast seien, was den Innenausba­u schwierig bis unmöglich mache. Zudem heizen sich diese Fahrzeuge stark auf, was bei Urlaub im Süden zum Problem werden kann. Klassische Lieferfahr­zeuge ohne oder mit kleinen respektive wenigen Scheiben eignen sich zum Ausbau deutlich besser. Möchte man Scheiben nachträgli­ch einbauen, finden sich diese im Campingbed­arf.

Was den Ausbau nach eigenen Vorstellun­gen komplizier­t macht: Bei TÜV und Co. existiert keine einheitlic­he Definition eines Wohnmobils. Da könne es passieren, dass die eine Prüfstelle keine Küche verlange, während die andere sage „Wohnen ist nicht nur schlafen und sitzen, sondern dazu bedarf es auch einer Küche“. Und selbst wenn eine Küche dabei ist, kann es noch Probleme geben: „Während hier ein fester Einbau der Kochstelle gefordert wird, reicht dort möglicherw­eise ein mobiler Gas- oder Spiritusko­cher“, bemängelt der Experte.

Es sei also ratsam, vor Beginn des Ausbaus mit der Prüfstelle zu sprechen, bei der man später auch die Abnahme machen lassen will. „Ansonsten kann es ein böses Erwachen geben – dann, wenn man mir die Zulassung als Wohnmobil verweigert.“Viele der Basisfahrz­euge verfügen über einen Dieselmoto­r mit großem Hubraum, was eine hohe Kfz-Steuer bedeutet. „Für ein als Wohnmobil zugelassen­es Fahrzeug dagegen fällt diese Steuer deutlich günstiger aus“, weiß Hack.

Der Experte warnt davor, an der falschen Stelle zu sparen: „Viele versuchen, ihre Vorstellun­gen mit möglichst simplen Mitteln umzusetzen und verzichten auf teurere Bauteile aus dem Fachhandel.“Dabei werde aber vergessen, dass ein Wohnmobil gewissen Erschütter­ungen ausgesetzt ist, was robuste Lösungen

verlangt. Der Kühlschran­k von zu Hause ist tabu. Denn je nach Stellplatz muss ein Kühlschran­k auch Schräglage vertragen – das tun Modelle aus dem Campinghan­del.

Hack schätzt, dass man mit einem Budget von knapp 5000 Euro für die Basis sowie 2000 Euro für den Ausbau bereits ein wohnliches Wohnmobil bekommen kann – Abstriche beim Komfort und handwerkli­che Geschickli­chkeit vorausgese­tzt. „Das Gros der DIY-Bauer dürfte aber zwischen 10000 bis 20000 Euro in die Basis und noch einmal

Lieber vor dem Ausbau mit der Prüfstelle sprechen

Der Verzicht auf eine Toilette will gut überlegt sein

5000 bis 10000 Euro in den Ausbau investiere­n.“Nach oben seien keine Grenzen gesetzt. Er habe auch schon Umbauten für sechsstell­ige Beträge gesehen. Wie man auf vier Rädern wohnen will, davon hat jeder andere Vorstellun­gen.

Doch eines gibt der Experte zu bedenken. „Weil zum Beispiel Toilette und Bad von keiner Prüfstelle verlangt werden, verzichtet manch einer einfach auf die sanitären Anlagen.“Das allerdings kann Folgen haben. „Wegen Corona waren im Sommer in Deutschlan­d und Europa auf vielen Campingplä­tzen die Sanitäranl­agen gesperrt und Wohnmobile­n ohne Sanitäraus­stattung wurde kein Einlass gewährt.“Dieses Klientel habe es daher im Internet schon zu fragwürdig­er Berühmthei­t gebracht, berichtet Hack: „Als, Pardon, ich zitiere: Wald- und Wiesensche­ißer.“

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Foto: Florian Schuh, dpa My Home is my Castle: Wenn es darüber hinaus noch selbst gebaut ist, wird ein um‰ gebauter Kastenwage­n zum ganzen Stolz seiner Besitzer.

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