Mittelschwaebische Nachrichten

Jetzt muss Flick knobeln

Die Münchner eilen nicht mehr wie selbstvers­tändlich von Sieg zu Sieg. Das hat unter anderem mit der veränderte­n Personalsi­tuation zu tun. Nun ist der Trainer gefragt

- VON TILMANN MEHL

München Die paradiesis­chen Zustände sind vorerst vorbei. Lange Zeit konnte sich Hansi Flick darauf verlassen, Spiel für Spiel auf ein passgenaue­s Korsett zurückzugr­eifen. Vor Manuel Neuer verteidigt­en David Alaba und Jérôme Boateng alles weg, was ihnen Mittelstan­dsBundesli­gisten oder europäisch­er Fußball-Hochadel so an Stürmern entgegenst­ellten. Auf der linken Seite düste Alphonso Davies derart aufgezogen die Außenbahn rauf und runter, dass zu vermuten stand, der Greenkeepe­r könne sich dort die Mäharbeite­n sparen. Joshua Kimmich und Thiago schufen im Mittelfeld Freiräume, die Leon Goretzka energisch nutzte, und vorne traf Robert Lewandowsk­i mit der Sicherheit eines Großwildjä­gers im Streichelz­oo.

Thiago spielt in England, Kimmich fehlt ebenso verletzt wie Davies und plötzlich machen die Bayern den Anschein einer beinahe ganz normalen Fußballman­nschaft. Natürlich mit etlichen außergewöh­nlichen Einzelkönn­ern besetzt, aber eben auch mit profanen Problemen hadernd. Weil für das Spiel gegen Red Bull Salzburg am Mittwoch (21 Uhr, Lucas Hernandez mit einer Beckenverl­etzung auszufalle­n droht, ist Flick möglicherw­eise gezwungen, die gerade noch fixe Defensive neu zusammenba­uen zu müssen. Alaba müsste dann wohl auf der linken Seite aushelfen, der vor der Saison chancenlos scheinende Javi Martinez würde zu einem weiteren Einsatz in der Abwehrmitt­e kommen. Dort nämlich ist Niklas Süle immer noch keine Option. Der Innenverte­idiger hat nach Ansicht seines Trainers immer noch Trainingsr­ückstand aufzuholen.

Nachdem er sich acht Tage in Quarantäne befunden hatte, war er zur Nationalma­nnschaft gereist. Dort aber konnten die körperlich­en Defizite nicht in der Form aufgearbei­tet werden, als dass Flick ihn in der Champions League einsetzen würde. „Wir brauchen Niki, weil er wahnsinnig­e Qualitäten hat. Aber wir brauchen ihn dann, wenn er zu hundert Prozent fit ist“, so Flick.

So kommt es, dass den Bayern jene Dominanz abhandenge­kommen ist, mit der sie zuvor über beinahe ein Jahr ihre Gegner demoralisi­ert hatten. „Wir haben den Gegner auf dem Platz überforder­t“, fasst Goretzka die Serie beeindruck­ender Auftritte zusammen. Dauerbeans­pruchung und Verletzung­en aber haben den Münchnern einen Teil ihrer Wucht genommen. Ein Sieg gegen Salzburg würden immerhin den vorzeitige­n Einzug ins Achtelfina­le der Champions League bedeuten. Die restlichen beiden Spiele könnten dann recht sorglos darauf verwandt werden, Spielern notwendige Verschnauf­pausen einzuräume­n.

Die Österreich­er allerdings präsentier­ten sich schon trotz einer letztlich bitteren 2:6-Schlappe im Hinspiel als unangenehm­er Gegner.

Viel öfter, als ihnen lieb war, rannten die Bayern dem Ball hinterher und kamen so erst in den Schlussmin­uten zum deutlichen Erfolg.

Der teilweise Kontrollve­rlust wird von den Münchnern argwöhnisc­h zur Kenntnis genommen und soll wieder rückgängig gemacht werden. Allerdings fehlen im Zentrum autoritäre Bestimmer. Goretzka wünscht sich einen vorwiegend defensiv denkenden Partner im

Zentrum, doch derart breit ist der Kader nun auch nicht, dass der Ausfall Kimmichs ohne Qualitätsv­erlust aufzufange­n wäre. Zudem fällt auch noch Corentin Tolisso angeschlag­en aus, was Flick in der Wahl seiner Mittel zunehmend einengt.

Dominieren, wenn dominantes Personal fehlt – das ist die Aufgabe, vor der Flick nun steht. Der Trainer des FC Bayern ist als Denksportl­er gefragt.

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Foto: Witters Hansi Flick kann in den kommenden Wochen nicht auf jene Achse zurückgrei­fen, die in den vergangene­n Monaten zuverlässi­g Er‰ folge garantiert­e. Stattdesse­n ist er jetzt wieder verstärkt als Denker gefragt.

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