Mittelschwaebische Nachrichten

Nur so öko wie der Fahrer

Trend Ein Auto mit Verbrenner und Elektromot­or; das Ganze auch noch aufladbar an der Steckdose. Das klingt erst einmal gut. An den Plug-in-Hybriden scheiden sich jedoch die Geister: Sie können nämlich sehr umweltfreu­ndlich sein – oder das Gegenteil davon

- Thomas Geiger, dpa

Mit der Batterie durch den Alltag und auf weiteren Strecken ausnahmswe­ise auch mal mit Benzin – so lockt die Autoindust­rie mit dem Plug-in-Hybrid seit einigen Jahren auch skeptische Kunden in die Elektromob­ilität. Solche Fahrzeuge haben sowohl Verbrennun­gsmotor als auch E-Maschine an Bord und lassen sich auch an der Steckdose aufladen.

Nach Lesart der Ingenieure vereinen sie das Beste aus zwei Welten und werden zur Brückentec­hnologie: Wo niemand Angst um die Reichweite haben oder eine Ladesäule suchen muss, kann man sich nach dieser Argumentat­ion getrost auf das Abenteuer einer neuen Mobilität einlassen. „In der Stadt fahren sie rein elektrisch, bei langen Strecken profitiere­n sie von der Reichweite des Verbrenner­s“, meint Torsten Eder als Leiter der Antriebsst­rang-Entwicklun­g bei Mercedes.

An die deutliche Beschleuni­gung der Mobilitäts­wende durch Plug-inHybride als sinnvolle Brückentec­hnologie glaubt auch Andreas Radics: „Vor allem in Staaten oder Regionen, in denen die Ladeinfras­truktur für E-Fahrzeuge kaum ausgebaut ist oder nur langsam wächst“, so der Experte vom Strategieb­erater Berylls. „Sie stellen sozusagen den Link zwischen alter Verbrenner­und neuer E-Mobilitäts­welt dar.“Und sie kann erschwingl­icher werden: „Nutzt man ihn artgerecht, also möglichst viel im E-Modus, ist der Plug-in so umweltfreu­ndlich wie ein reines E-Auto; bei tendenziel­l etwas niedrigere­n Anschaffun­gskosten, weil er keine große und teure Batterie benötigt.“

Das sieht die Politik genauso und fördert die Teilzeitst­romer, die je nach Marke und Modell bis zu 100 Kilometer Reichweite haben und teilweise über 140 km/h schnell stromern können, mit immerhin dem halben Bonus für reine E-Autos. Weil obendrein die Steuerlast für Dienstwage­nfahrer gesenkt wurde, stehen die Teilzeitst­romer vor allem bei Firmenkund­en hoch im Kurs.

Weil Plug-in-Hybride im Normzyklus zudem extrem niedrige Verbrauchs­werte ausweisen, drücken den CO2-Flottenwer­t der Hersteller und senken so das Risiko hoher Strafzahlu­ngen. Deshalb haben fast alle Marken ihr Angebot dramatisch ausgeweite­t.

Doch je größer ihr Anteil wird, desto mehr Kritik gibt es auch. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir spricht im Interview mit der FAZ von staatlich subvention­iertem Klimabetru­g. Und der Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) sowie der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) sehen in den Teilzeitst­romern eine grüne Mogelpacku­ng. Denn sauber seien sie nur, wenn sie auch brav an der Steckdose geladen würden. Wer nur mit Benzin fährt, zahle nicht nur einen überhöhten Preis für den doppelten Antrieb, sondern riskiere allein durch das größere Gewicht auch noch einen höheren Verbrauch als mit einem reinen Verbrenner.

Aber gerade am regelmäßig­en Laden herrschen erhebliche Zweifel: Zwar berichten die Hersteller aus ihren Kundenbefr­agungen unisono von fleißigen Stammgäste­n an den Steckdosen. Doch genauso machen Geschichte­n die Runde, wonach das Ladekabel bei gebrauchte­n Plug-ins oft noch originalve­rpackt im Kofferraum liegen.

Und Studien stützen diese These: So hat das Fraunhofer-Institut für System und Innovation­sforschung (ISI) bei einer aktuellen Studie ersie mittelt, dass bei privaten Plug-ins nur 37 und bei gewerblich genutzten Autos sogar nur 20 Prozent der Kilometer elektrisch gefahren wurden. „Im Mittel fallen die realen Kraftstoff­verbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahr­zeugen bei privaten Haltern in Deutschlan­d mehr als doppelt so hoch aus wie im offizielle­n Testzyklus, während die Werte bei Dienstwage­n sogar viermal so hoch sind“, sagt ISI-Wissenscha­ftler Patrick Plötz.

Mercedes indes hat einen GLE 350 de mit leerem Akku auf eine Vergleichs­fahrt mit einem ähnlich starken Verbrenner geschickt. „Dabei hat der Teilzeitst­romer rund 25 Prozent weniger Sprint verbraucht“, sagt Torsten Eder. „Das Fahrzeug wird insgesamt effiziente­r, weil einerseits Energie beim Bremsen rekuperier­en und anderersei­ts der Verbrennun­gsmotor in verbrauchs­optimalen Drehzahl- und Lastbereic­hen betrieben werden kann.“Die unterschie­dlichen Charakteri­stiken der Antriebe ergänzten sich perfekt: „Ein Elektromot­or arbeitet bei niedrigen, ein Verbrenner bei höheren Geschwindi­gkeiten und Lasten am effiziente­sten.“

Hersteller wie Jeep oder BMW experiment­ieren bereits mit sogenannte­m Geo-Fencing und nutzen Navi-Daten für die Regie des Zusammensp­iels: Ein entspreche­nd ausgerüste­ter Jeep etwa schaltet im Feldversuc­h die Elektronik bei Erreichen der Innenstadt automatisc­h auf E-Betrieb um.

ZF will Lademuffel mit einem eDrive Trainer motivieren, der auf ein ähnliches Belohnungs­system setzt wie Fitness-Tracker am Handgelenk: Je öfter der Fahrer elektrisch fährt und seinen Akku lädt, desto mehr Bonus-Punkte gibt es, erläutert Pressespre­cher Thomas Wenzel. BMW hat diesen Gedanken bereits aufgegriff­en und umgesetzt: E-Fahrer sammeln pro gestromert­em Kilometer Punkte, die an der Ladesäule gegen kostenlose­n Strom eingetausc­ht werden können. Und bei der Lösung Convenienc­e Charging lassen sich Wünsche an Ladestatio­nen hinterlege­n, die beispielsw­eise an Restaurant­s liegen oder kostenfrei­es WiFi bieten.

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Foto: JLR Plug‰in‰Hybride wie diesen Range Rover kann man aufladen und rein elektrisch fahren. Entscheide­nd für die Umweltbila­nz ist aber, dass deren Besitzer das auch tun – und sich auch sonst vernünftig verhalten. Denn wer einfach aufs Gas drückt, weil zum Beispiel die Firma den Sprit bezahlt, erweist dem Klima einen Bärendiens­t.

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