Mittelschwaebische Nachrichten

Die unsichere Zukunft des Jonathan Scholz

Der gebürtige Niederraun­auer spielt als Profi beim Bundesliga-Klub Eulen Ludwigshaf­en. Deren Halle soll jetzt ein Corona-Impfzentru­m werden. Was der 29-Jährige dazu sagt und wie er seine Zukunft in der stärksten Liga der Welt sieht

- VON ALEXANDER SING

Ludwigshaf­en/Niederraun­au Als Jonathan Scholz ans Telefon geht, hat er gerade Mittagspau­se. Ein kurzes Interview für die Zeitung aus der Heimat? Kein Problem. Im Profifußba­ll wäre es absolut unmöglich, einen Spieler mal eben anzurufen, ohne dass die Pressestel­le dazwischen­geschaltet ist und hinterher die Antworten glattbügel­t. Der Handball-Bundesliga­profi Scholz dagegen redet einfach drauf los. Er hat einiges zu sagen. Denn sein Verein, die Eulen Ludwigshaf­en, machte jüngst bundesweit Schlagzeil­en.

Hintergrun­d ist, dass die Stadt Ludwigshaf­en ihr Aushängesc­hild wortwörtli­ch vor die Tür setzen wollte. Die Friedrich-Ebert-Halle, in der die Eulen ihre Heimspiele austragen, sollte ab Dezember zu einem Corona-Impfzentru­m umfunktion­iert werden. Der Verein wurde zunächst vor vollendete Tatsachen gestellt. „Das hat nicht nur mich sauer gemacht“, sagt Jonathan Scholz. „Das trifft das ganze Umfeld, die Sponsoren und Partner, die Fans. Wir hätten einen klaren Wettbewerb­snachteil, auch, wenn wir zurzeit ohnehin ohne Zuschauer spielen müssen.“

Zwischenze­itlich ist die Stadt zurückgeru­dert. Wie der Verein meldet, hat der Bau- und Grundstück­sausschuss der Stadt Ludwigshaf­en in seiner Sitzung am Montag entschiede­n, dass der Handball-Bundesligi­st nun doch mindestens seine drei Dezembersp­iele in der FriedrichE­bert-Halle austragen kann und darf. Das Impfzentru­m nimmt seine Arbeit zunächst in den Vorräumen der Halle auf.

Wie es allerdings nach der WMPause im Januar weitergeht, bleibt offen. Jonathan Scholz hofft, dass Verein und Stadt zu einer vernünftig­en Lösung kommen. Zwar hätten andere Bundesliga-Klubs ihre Hilfe angeboten. Doch für den 29-Jährigen, der auch Vize-Kapitän der Eulen ist, bleibt das eine Notlösung. „So geht der Bezug zur Stadt Ludwigshaf­en flöten. Und es ist ein großer Unterschie­d, ob man im gewohnten Umfeld spielen kann oder nicht. Und wenn sie wieder zugelassen werden, sind wir auch auf Zuschauer angewiesen.“Auch das Ausweichen auf andere städtische Hallen sei alles andere als einfach, betont Scholz. In keiner anderen Halle sei die Infrastruk­tur für Bundesliga-Handball vorhanden. Daher hofft der Linksaußen, dass das Impfzentru­m doch noch einen anderen Platz findet.

Denn, wenn Scholz und die Eulen eines nicht gebrauchen können, dann ist es der Verlust ihres „Nests“. Seit dem Aufstieg vor drei Jahren kämpfen die Ludwigshaf­ener gegen den Abstieg. In der (coronabedi­ngt abgebroche­nen) Vorsaison gelangen aber immerhin fünf Heimsiege. Auch in dieser Saison tun sich die Eulen schwer. In bisher neun Partien setzte es sieben Niederlage­n – wenn auch teils sehr knapp.

Auch für Jonathan Scholz persönlich läuft die Saison bisher alles andere als berauschen­d. In der Vorbereitu­ng zog sich der Linksaußen einen Faserriss in der linken Wade zu und verpasste die ersten Spiele. Als er wieder fit war, musste er wegen eines positiven Corona-Tests im Team in Quarantäne. In seinem

Saisonspie­l gegen HC Erlangen zog der Vize-Kapitän der Eulen sich dann erneut einen Muskelfase­rriss zu. Aktuell hofft Scholz, im Dezember wieder auf dem Feld stehen zu können. „Ich bin viel beim Physio und mache ein Aufbauprog­ramm. Ich will der Mannschaft so schnell wie möglich wieder helfen.“

Jonathan Scholz ist sich bewusst, dass es für ihn als Profi ein Privileg ist, dass er seinen Sport weiter ausüben kann. Die Bundesliga erkauft sich dieses Privileg mit regelmäßig­en Corona-Tests für alle Spieler. „Wir werden aktuell zweimal die Woche getestet“, berichtet Scholz. „Die Ergebnisse bekommen wir am nächsten Tag. Ansonsten hat sich im Trainingsa­lltag nicht viel verändert.“Bei seinem jüngeren Bruder

Gabriel Scholz, der beim TSV Niederraun­au in der Jugend spielt, bekommt der Profi aber mit, was das Verbot für den Amateurspo­rt bedeutet. „Die machen ihren Sport genau so gern wie wir. Dass wir jetzt dürfen und der Rest nicht, ist nicht gerade förderlich für das Gesamtbild im Handball. Wenn das noch länger so geht, bricht im Amateurber­eich etwas Wichtiges weg.“

Doch auch die Handball-Bundesliga steuert durch Corona in eine unsichere Zukunft. Wegen wegfallend­er Zuschauere­innahmen müssen viele Klubs den Gürtel finanziell enger schnallen. Für die abstiegsbe­drohten Eulen ist zudem die sportliche Zukunft mehr als unsicher – auch, weil Cheftraine­r Ben Matschke nach der Saison zum Ligakondri­tten kurrenten HSG Wetzlar geht. All das macht es auch für Jonathan Scholz schwer, zu sagen, wie es nach der Saison weitergeht. Sein Vertrag läuft aus, ob es eine Verlängeru­ng gibt, steht noch nicht fest. „Klar würde ich gerne weitermach­en, aber da ist noch so vieles unsicher. Da kann ich schlecht eine Aussage treffen.“Neben dem Handball arbeitet Scholz 25 Stunden pro Woche als Ingenieur bei BASF. Hier könnte der 29-Jährige nach der aktiven Zeit in Vollzeit einsteigen. Und auch die Rückkehr in die Heimat ist für den gebürtigen Raunauer eine Option. „Da muss dann jobmäßig alles passen. Ich bin hier sehr zufrieden, das möchte ich nicht so leicht aufgeben.“Wie es sportlich in der Heimat läuft, verfolgt er trotzdem genau.

 ?? Foto: Alex Grimm/Getty Images ?? 2017 wechselte Jonathan Scholz aus der 2. Liga zum Aufsteiger Eulen Ludwigshaf­en. Seither hat sich der Linksaußen zum Leistungst­räger beim Bundesligi­sten entwickelt. Ausgebilde­t wurde Scholz, wie seine Brüder, beim TSV Niederraun­au.
Foto: Alex Grimm/Getty Images 2017 wechselte Jonathan Scholz aus der 2. Liga zum Aufsteiger Eulen Ludwigshaf­en. Seither hat sich der Linksaußen zum Leistungst­räger beim Bundesligi­sten entwickelt. Ausgebilde­t wurde Scholz, wie seine Brüder, beim TSV Niederraun­au.

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