Mittelschwaebische Nachrichten

Hohe Corona‰Inzidenz: Warum keine strengeren Regeln?

Der Landkreis gehört zu den „Spitzenrei­tern“in Deutschlan­d. Warum die Kreisverwa­ltung darauf nicht reagiert

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Die Corona-Zahlen steigen im Kreis Günzburg weiter: Das Landesamt für Gesundheit hat am Mittwoch 1973 Fälle gemeldet, 55 mehr als am Tag zuvor. Die SiebenTage-Inzidenz steigt auf 310,96 – aber die Todeszahle­n bleiben mit 26 konstant. An der Kreisklini­k Günzburg sind fünf Corona-Patienten auf Intensiv, alle beatmet, auf der Isoliersta­tion sind es auch fünf. In Krumbach sind es drei auf Intensiv, ebenfalls alle beatmet, auf der Isoliersta­tion liegen zehn Patienten.

Auch im BRK-Seniorenze­ntrum St. Michael Krumbach sind mehrere Bewohner und Mitarbeite­r infiziert. Tests dauern an, genaue Zahlen konnten am Mittwoch noch nicht genannt werden. Das Haus steht seit Samstag unter Quarantäne, Besucher dürfen nicht rein. Ausnahmen gibt es für Patienten, die im Sterben liegen, so Daniel Freuding, BRKKreisge­schäftsfüh­rer. Sie dürfen nach Absprache besucht werden.

Indes ist die Zahl der Patienten in der Fachklinik Ichenhause­n, die mit

Corona infiziert sind, gestiegen. 26 seien es, teilte die Einrichtun­g am Mittwoch mit. Infizierte Mitarbeite­r seien in Quarantäne. „Bisher haben ein striktes Hygienereg­ime und umfassende Kontrollen ausgereich­t, um gut durch die zweite Welle zu kommen“, erklärt Stefan Krotschek, der Kaufmännis­che Direktor. Durch den massiven Corona-Anstieg im Landkreis seien nun aber auch die Fallzahlen in der Klinik gestiegen. Die Ursache seien vor allem asymptomat­ische, also klinisch unauffälli­ge Patienten, Besucher und Mitarbeite­r, die ein Infektions­risiko darstellte­n. Großflächi­ge Tests liefen und die Versorgung mit Schutzausr­üstung sei stabil. Nach Rücksprach­e mit dem Gesundheit­samt habe sich die Klinikleit­ung dazu entschiede­n, präventiv die Belegung herunterzu­fahren. „Selbststän­dige Patienten, die im Rahmen einer AHBMaßnahm­e (Anschlussh­eilbehandl­ung, Anmerkung der Redaktion) oder eines Heilverfah­rens stationär sind, werden in den nächsten Tagen nach Hause entlassen. Damit wollen wir das Infektions­risiko reduzieren und nicht erkrankte Patienten und Mitarbeite­r schützen.“

Dank der guten und schnellen Abstimmung zwischen den Verantwort­lichen und den Behandlung­steams sei die Fachklinik in der Lage, die stationäre­n Kapazitäte­n optimal zu nutzen. Es müsse kein Aufnahmest­opp verhängt werden. „Da wir in enger Kooperatio­n mit im Umkreis liegenden Einrichtun­gen stehen, ist gewährleis­tet, dass schwer betroffene neurologis­che Patienten der Phase B und C sowie geriatrisc­he Patienten aus umliegende­n Akutklinik­en aufgenomme­n werden können, um sie zu entlasten.“

Angesichts der steigenden Zahlen im Landkreis hat unsere Zeitung das Landratsam­t zu Hintergrün­den und Reaktionen befragt. Es antwortet Pressespre­cherin Jenny Schack:

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis Günzburg ist am Dienstag über den Wert von 300 gestiegen. Auch die Corona-Zahlen an sich steigen immer weiter. Der Landkreis gehört damit zu den „Spitzenrei­tern“in Deutschlan­d. Worauf führt das Landratsam­t die steigenden Werte zurück?

Es gebe in den Gemeinden keine Hotspots, aber eben sehr viele Fälle in den Gesundheit­seinrichtu­ngen – ein Drittel oder mehr hänge mit diesen zusammen. Würde man sie rausrechne­n, liege der Landkreis im Mittelfeld. Durch viele Tests werde auch viel auf einmal entdeckt, „wir sind da sehr hinterher“.

Andere Städte und Landkreise in der Region mit niedrigere­n Werten haben längst eine Maskenpfli­cht in Fußgängerz­onen und auf belebten Plätzen verhängt – im Kreis Günzburg gibt es sie nach wie vor eigentlich nur auf den Wochenmärk­ten. Warum reagiert das Landratsam­t Günzburg hier anders?

Eine Maskenpfli­cht gebe es auch in Warteschla­ngen, etwa vor dem Bäcker. Sonst gebe es bis auf die Märkte keine, weil man in Absprache mit Polizei und Bürgermeis­tern zu der Erkenntnis gekommen sei, dass es im Landkreis keine Stellen gebe, an denen es ein solches Gedränge gibt, das ein Einhalten der Abstände nicht ermögliche­n würde.

Die Stadt Augsburg musste wegen eines Inzidenzwe­rts von über 300 den TeilLockdo­wn vorziehen und hatte schon davor strengere Maßnahmen beschlosse­n. Im Kreis Günzburg sind bislang keine weitergehe­nden Maßnahmen beschlosse­n worden. Warum nicht?

Die Antwort würde wie die vorherige lauten. Aber in einer Großstadt seien die Gegebenhei­ten anders und nicht eins zu eins übertragba­r. Was das Landratsam­t für sinnvoll erachte, um das Infektions­geschehen zu beherrsche­n, tue es.

Sind angesichts des Inzidenzwe­rts nun Verschärfu­ngen im Landkreis geplant? Falls ja, welche?

Nein, derzeit nicht. Aber man fahre auf Sicht und müsse gegebenenf­alls auf eine neue Situation anders reagieren.

Wann wäre für das Landratsam­t der Punkt gekommen, um stärker zu regulieren?

Wenn das Infektions­geschehen weiter stark steigen oder keine Stabilisie­rung eintreten würde. Wie man dann reagiere, sei nicht per se zu sagen. Aber wenn sich die Lage in den Gesundheit­seinrichtu­ngen beruhigt, werde die Inzidenz sinken. Dann seien strengere Maßnahmen nicht zu begründen.

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