Mittelschwaebische Nachrichten

Der Eremit von Baumgärtle ist tot

Heinrich Maucher hat bis zuletzt an seinem „Mariental“bei Baumgärtle gearbeitet, wo er mitten im Wald lebte

- VON JOHANN STOLL

Maria Baumgärtle In seinem 80. Lebensjahr ist der Eremit von Baumgärtle, Heinrich Maucher, friedlich in seinem Rückzugsor­t „Mariental“eingeschla­fen. Aufgefunde­n worden war er am Freitag von der Feuerwehr Bedernau, die die verschloss­ene Tür zu seiner Holzhütte geöffnet hat. Eine Besucherin, die den Eremiten zuvor nicht wie vereinbart angetroffe­n hatte, rief Hilfe herbei. Die Feuerwehrm­änner fanden Heinrich Maucher mit einem Rosenkranz in der Hand. Ein Krankenwag­en wurde zwar noch gerufen. Alle Hilfe kam jedoch zu spät.

Bis zuletzt war Maucher kerngesund. Noch kurz vor seinem Ableben zimmerte er an einer seiner Hütten. Auch hatte er Apfelbäume und junge Fichten neu gepflanzt. 35 Jahre lang lebte Heinrich Maucher in seinem Waldstück bei Baumgärtle. Dort zimmerte der handwerkli­ch geschickte Landwirtss­ohn 45 Gebäude aus Holz, die er Überlebens­hütten nannte.

Maucher war tiefgläubi­g und ein großer Verehrer der Muttergott­es Maria. Er las täglich in der Bibel. Die wenigen Reisen, die er unternahm, führten ihn zu den großen Wallfahrts­stätten nach Lourdes in Frankreich und Fatima in Portugal. In seinem „Mariental“schuf er Lourdes-Grotten und einen Fatimaweg. Überall brachte er Mariendars­tellungen an, die dem Gelände eine ganz eigene Anmutung gaben.

In den Anfangsjah­ren war der so völlig andere Lebensentw­urf des Eremiten argwöhnisc­h beäugt worden. Im Laufe der Jahre erwarb sich Maucher aber mehr und mehr Respekt. Der Eremit war alles andere als ein zurückgezo­gener Kauz. Er war leutselig und für ein Gespräch immer zu haben. Sonntags vor allem besuchten ihn Gläubige, die teilweise von weit her angereist waren. Ihnen gab er Kraft und Zuversicht. Angehörige von Verstorben­en brachten insgesamt 400 Holzkreuze

Für das Seelenheil der Toten betete Maucher.Abgestellt­e Autos in der Nähe von „Mariental“trugen neben Mindelheim­er oft RavensBibe­racher, Ulmer, Donauwörth­er, Dillinger, Neu-Ulmer oder Stuttgarte­r Kennzeiche­n. An diesen Sonntagen trafen sich Gläubivorb­ei. ge im größten Bau, den er selbst die „Kathedrale“nannte. Dort sangen sie gemeinsam Marienlied­er. Bis zu 150 Leute waren hier zusammenge­burger, kommen. Für die Menschheit fürchtete Maucher nichts Gutes. Bei der letzten persönlich­en Begegnung vor rund vier Wochen sagte der Eremit, es stehe ein neues Zeitalter bevor. Seine Hütten waren für ihn so etwas wie die Arche Noah, in denen die Menschheit überleben könne. Maucher war damals gerade dabei, Schäden zu beseitigen, die der Biber in dem Waldstück hinterlass­en hat.

Dass Maucher sein Leben in Einklang mit der Natur im Wald führen durfte, hatte er dem im Vorjahr verstorben­en Altlandrat Dr. Hermann Haisch zu verdanken. Denn grundsätzl­ich ist es hierzuland­e nicht möglich, einfach in einem Waldstück Holzhütten zu errichten und dort auch zu wohnen, auch wenn einem der Wald wie im Falle Mauchers selbst gehört. Haisch ließ sich von dem Gläubigen überzeugen, dass er keinen Schaden anrichten werde. Daran hielt sich Maucher.

Breitenbru­nns Bürgermeis­ter Jürgen Tempel sagte, Heinrich Maucher habe ein friedvolle­s Leben geführt, ohne dass er von anderen etwas wollte. Daran hielt er sich auch ein Leben lang. „Er hat ein Leben nach seinen Vorstellun­gen leben können.“Maucher ist mit ganz wenig irdischen Gütern ausgekomme­n. Er hatte eine Minirente. Verehrerin­nen und Verehrer haben ihm immer wieder mal etwas mitgebrach­t. Von einem Besucher aus Augsburg hat er vor Jahren einen Traktor geschenkt bekommen, der ihm als Arbeitsger­ät diente. Eine Frau, die sich um ihn kümmerte, nahm Maucher immer wieder auch zu Gottesdien­sten zum Wallfahrts­ort Wigratzbad bei Lindau mit. Angst vor dem Tod kannte Heinrich Maucher nicht. Gefragt vor vier Wochen, was geschehen werde, wenn er eines fernen Tages sterben werde, sagte er spontan und nicht mit dem Hauch eines Zweifels: „Ich werde direkt in den Himmel auffahren“. Dass dieser Tag so schnell kommen werde, dafür gab es keinerlei Anzeichen.

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Fotos: jsto Heinrich Maucher in seinem „Mariental“bei Baumgärtle. Der Eremit lebte 35 Jahre lang im Wald und hat dort eine einzigarti­ge Ansammlung von Holzhütten und Glaubenswe­gen errichtet. Jetzt ist er überrasche­nd verstorben.
 ??  ?? Der geschmückt­e Hauptweg von Mariental. Die gesamte Anlage hat Heinrich Maucher in seinem Wald nach und nach angelegt. Auf die Frage, wie viel er noch bauen möchte, sagte er einmal: Bis nach Kempten und Ulm.
Der geschmückt­e Hauptweg von Mariental. Die gesamte Anlage hat Heinrich Maucher in seinem Wald nach und nach angelegt. Auf die Frage, wie viel er noch bauen möchte, sagte er einmal: Bis nach Kempten und Ulm.

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