Mittelschwaebische Nachrichten

Krumbacher Hausärzte sehen die Zukunft im Schnelltes­t

Wann ein Corona-Test Sinn macht, warum die Grippe weniger folgenreic­h ist und was sich Hausärzte vom Gesundheit­samt und den Krankenkas­sen wünschen

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Krumbach Corona war lange Zeit im Landkreis Günzburg kein großes Thema. Mittlerwei­le ist die Pandemie überall angekommen, in Kitas, in Altenheime­n, im Bekanntenk­reis. Der Landkreis gehört deutschlan­dweit zu den Kreisen mit den höchsten Inzidenzwe­rten. Die Gemeinscha­ftspraxis Drs. Maximilian Drexel, Reiner Posch und Maximilian Sedlmeier in Krumbach ist seit Beginn der Pandemie ein gelistetes Testzentru­m. Wir sprachen mit Maximilian Drexel, dem früheren Ärzteobman­n des südlichen Landkreise­s, über die Erfahrunge­n der Ärzte mit der Krankheit.

Wie viel Raum nimmt Corona im Praxis-Alltag ein?

Drexel: Mittlerwei­le kann man davon ausgehen, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Tagesarbei­tsleistung, sowohl von den Ärzten als auch vom Personal, von Corona bestimmt wird.

Woran liegt es, dass im Landkreis so viele infiziert sind?

Drexel: Das ist sehr schwierig. Schulen, Familie, Arbeitspla­tz sind sicher ein Thema – und wahrschein­lich sind auch Reiserückk­ehrer relevant.

Gibt es einen Rückgang der Patientenz­ahlen mit anderen Erkrankung­en? Drexel: In der Zeit vom März bis etwa Ende April beziehungs­weise Anfang Mai gab es einen deutlichen Rückgang der Patientenz­ahlen mit anderen Erkrankung­en. Dies hat sich jedoch seit Mitte Mai wieder normalisie­rt. Die Sommerferi­en waren dafür umso arbeitsrei­cher, da viele Patienten nicht wie üblich in der Zeit zwischen Juli und September in den Urlaub fuhren und deshalb aufgeschob­ene Arztbesuch­e nachholten.

Ist es sinnvoll, derzeit auf einen Arztbesuch zu verzichten?

Drexel: Notwendige Arztbesuch­e sollten nicht aufgeschob­en werden. Sinnvoll ist es natürlich, vorab zu überlegen, welche Medikament­e und Überweisun­gen ich die nächsten Wochen brauche, damit ich nicht jede Woche wegen eines einzelnen Rezepts in die Praxis muss. Akute Erkrankung­en sollten zeitnah behandelt werden, chronische Krankheite­n regelmäßig kontrollie­rt werden und Vorsorgele­istungen unveränder­t in Anspruch genommen werden. Patienten mit Infekten sollten die Praxis bei der Terminverg­abe genau informiere­n, welche Symptome bestehen, damit diese Patienten gesondert in der Infektspre­chstunde untersucht werden können.

Von welchen Erfahrunge­n berichten Patienten, die Corona haben?

Drexel: Der Großteil der Patienten, insbesonde­re Jüngere, haben häufig milde Verläufe oder teilweise auch keine Symptome. Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe von Patienten, die schwere Krankheits­symptome mit Pneumonie (Lungenentz­ündung) entwickeln und mehrere Wochen richtig krank sind. Ein kleiner Prozentsat­z muss stationär behandelt werden.

Wie lange muss man zu Hause bleiben, wenn man erkrankt ist? Was sagt das Gesundheit­samt und wie sieht die Realität aus?

Drexel: Derzeitige­r Stand der Dinge ist: Wer Krankheits­symptome hat und positiv getestet wird, muss zehn Tage in Quarantäne. Wie lange ein Patient jedoch zu Hause bleiben muss, hängt von seinen Beschwerde­n und dem Krankheits­verlauf ab. Patienten mit Pneumonie sind in der Regel nicht nach zehn Tagen so fit, dass sie arbeiten könnten. Neuere Studien zeigen, dass Menschen bis zu 83 Tage nach einer Infektion noch Virusmater­ial ausscheide­n können. In keiner Studie waren jedoch vermehrung­sfähige Viren neun Tage nach Einsetzen erster Symptome aus Proben im Labor züchtbar. Deshalb gelten derzeit die

Isolations­empfehlung­en von zehn Tagen. Kontaktper­sonen ersten Grades müssen laut Gesundheit­samt 14 Tage in Quarantäne und zwei negative Abstriche nachweisen.

Gibt es auch bei uns schon Erfahrunge­n mit Langzeitfo­lgen?

Drexel: Patienten mit schweren Corona-Erkrankung­en haben häufig lange anhaltende Leistungsm­inderungen, Geschmacks­störungen und Atemnot bei Belastung.

Wer muss mit Corona ins Krankenhau­s? Wird man auch zu Hause medizinisc­h betreut?

Drexel: Stationär müssen in der Regel nur Patienten mit schweren Lungenentz­ündungen und zunehmende­r Atemnot. Alle anderen können zu Hause hausärztli­ch betreut werden.

Werden Menschen aus Altenheime­n prinzipiel­l ins Krankenhau­s eingewiese­n?

Drexel: Auch aus dem Altenheim werden prinzipiel­l nur Schwerkran­ke stationär eingewiese­n. Alle anderen werden in einer Isoliersta­tion im Altenheim betreut.

Es wird vor allem in den sozialen Medien auch immer wieder auf die zahlreiche­n Grippetote­n verwiesen. Beim Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet wurden seit Oktober 2019 130 Grippefäll­e für unseren Landkreis, alle ohne Todesfolge. Aus unseren Altenheime­n ist beim RKI gar kein Grippefall bekannt. Diese Zahlen hat das Landratsam­t genannt. Ist die Dunkelziff­er bei Grippe so hoch oder entspricht das Ihren Erfahrunge­n aus der Praxis?

Drexel: Hierzu lässt sich von Hausärztes­eite Folgendes sagen: Der größte Teil der Altenheimi­nsassen wird jährlich gegen die saisonale Grippe geimpft und ist somit dagegen geschützt. Deshalb ist die Zahl an Grippepati­enten in den Altersheim­en nicht besonders hoch. In unseren Praxen sehen wir tatsächlic­h meist jüngere Patienten mit typischen echten Grippe-Symptomen. Die Anzahl variiert von Jahr zu Jahr. Häufigstes Auftreten meist in den Monaten Januar bis März. Schwere Verläufe sind glückliche­rweise selten. Der Unterschie­d zwischen einer echten Virusgripp­e und einem grippalen Infekt besteht insbesonde­re im deutlich unterschie­dlichen Verlauf. Eine Grippe beginnt meist schlagarti­g mit hohem Fieber und schwerem Krankheits­gefühl, Husten, wenig Schnupfen, starken Kopfschmer­zen und Gliedersch­merzen. Ein grippaler Infekt beginnt meist langsam mit Halskratze­n, Schnupfen, Gliedersch­merzen und mäßigem Krankheits­gefühl.

Die Krankheit ist überstande­n und eigentlich ist alles wieder gut. Betroffene berichten jedoch, dass sie gemieden oder sogar angefeinde­t werden ...

Drexel: Ja. Regelmäßig berichten Patienten über soziale Ausgrenzun­gen und Diffamieru­ngen aufgrund der Erkrankung.

Die Modalitäte­n des Corona-Tests ändern sich ständig. In welchen Fällen macht der Test Sinn?

Drexel: Primär macht der Test natürlich Sinn, wenn Patienten erste Krankheits­symptome aufweisen oder innerhalb der Familie enger Kontakt mit einem positiv Getesteten bestand. Diese sollten umgehend, möglichst am gleichen Tag, getestet werden. Sinnvoll wäre es auch, wenn sich die Kontaktper­sonen mit sehr engem Kontakt oder im gleichen Haushalt lebende Angehörige selbststän­dig in Quarantäne begeben würden, insbesonde­re dann, wenn es durch Überlastun­g der Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes manchmal doch einige Tage dauert, bis diese Kontaktper­sonen kontaktier­t werden. Wir von hausärztli­cher Seite würden uns auch dringend eine engere Zusammenar­beit mit dem Gesundheit­samt wünschen. Eine direkte Leitung wäre für uns niedergela­ssene Hausärzte dringend wünschensw­ert.

Wo soll man sich testen lassen? Drexel: Patienten mit Krankheits­symptomen sollten sich beim Hausarzt testen lassen, denn dieser kann auch gleichzeit­ig eine entspreche­nde körperlich­e Untersuchu­ng durchführe­n und klären, ob beispielsw­eise eine beginnende Pneumonie besteht. Alle anderen, insbesonde­re Kontaktper­sonen, können sich zeitnah, möglichst am selben Tag, entweder beim Hausarzt oder in einem Testzentru­m testen lassen. Mittlerwei­le haben die Labore sehr gut aufgerüste­t und liefern die Ergebnisse nach ein bis zwei Tagen. Noch deutlich schneller geht es natürlich mit Schnelltes­ts. Die liefern die Ergebnisse meist nach 15 Minuten. Dies kann ebenfalls während der Infektspre­chstunde beim Hausarzt erfolgen. Für Angehörige medizinisc­her Berufe kann das abgerechne­t werden. Die Schnelltes­ts haben jedoch nicht die Hundertpro­zentigkeit der PCR-Tests, aber die Verlässlic­hkeit ist mittlerwei­le sehr hoch. Ein Riesenvort­eil ist die Schnelligk­eit. Deshalb sehen wir die Zukunft in den Schnelltes­ts. Damit werden wir schneller reagieren können. Eine Kostenüber­nahme durch die Krankenkas­sen wäre wünschensw­ert. Dabei sind die Schnelltes­ts kostengüns­tiger als PCR-Tests.

Interview: Angelika Stalla

 ?? Foto: Georg Drexel ?? Die Drs. Maximilian Sedlmeier, Maximilian Drexel und Reiner Posch (von links) sind seit Beginn der Pandemie gelistetes Test‰ zentrum. Sie haben täglich mit Corona zu tun und berichten von ihren Erfahrunge­n.
Foto: Georg Drexel Die Drs. Maximilian Sedlmeier, Maximilian Drexel und Reiner Posch (von links) sind seit Beginn der Pandemie gelistetes Test‰ zentrum. Sie haben täglich mit Corona zu tun und berichten von ihren Erfahrunge­n.

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