Mittelschwaebische Nachrichten

Staatssekr­etär Holetschek zur Lage in der Pflege

Gesundheit­sstaatssek­retär Holetschek über Wertschätz­ung und Herausford­erungen in der Pflege

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Unterallgä­u/Landkreis Im Frühjahr zu Beginn der Corona-Pandemie wurden Pflegekräf­te als Helden besungen, als in Seniorenhe­imen und Krankenhäu­sern die ersten schwer an Covid 19 Erkrankten zu versorgen waren. Die Politik wollte es dabei nicht belassen und hat eine Prämie ausgelobt. Weil aber nicht alle in den Genuss kamen, gab es enttäuscht­e Gesichter. Redakteur Johann Stoll sprach mit Gesundheit­sstaatssek­retär Klaus Holetschek (CSU), dem früheren Bürgermeis­ter von Bad Wörishofen.

Herr Holetschek, in der Corona-Pandemie sind Pflegekräf­te in Seniorenei­nrichtunge­n und Krankenhäu­sern besonders stark gefordert. Sie sind seit Monaten überlastet und arbeiten bis an den Rand der Erschöpfun­g. Es gab viel öffentlich­en Beifall. Pflegekräf­te wurden als „Helden“gefeiert. Die Staatsregi­erung hat es damit nicht bewenden lassen und einen Pflegebonu­s beschlosse­n. Wie viele Menschen in Bayern sind in den Genuss gekommen? Und wie viele davon haben den vollen Satz über 500 Euro erhalten?

Holetschek: Intention des CoronaPfle­gebonus war und ist die Anerkennun­g des besonderen Engagement­s der profession­ellen Pflegekräf­te in Krankenhäu­sern, stationäre­n Behinderte­neinrichtu­ngen, Einrichtun­gen der Langzeitpf­lege und im Rettungswe­sen. Die Bayerische Staatsregi­erung hat für die Gewährung des Corona-Pflegebonu­s über 131 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Davon wurden bislang mehr als 116 Millionen Euro ausbezahlt – oder anders: Es sind noch genügend Mittel vorhanden!

In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass bislang beim Landesamt für Pflege 351.350 Anträge eingegange­n sind. Erst diese Woche hat es das Landesamt im Rahmen eines „Aktionstag­s Corona-Pflegebonu­s“geschafft, dass nun alle eingegange­nen Antrage bearbeitet sind, zum Teil warten wir noch auf Rückmeldun­gen der Antragstel­lerinnen und Antragstel­ler. Innerhalb der kurzen Zeit ist das eine großartige Leistung der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Landesamts für Pflege!

Sie geben ihr Bestes, damit der Bonus auch tatsächlic­h so schnell wie möglich bei den Begünstigt­en ankommt. Bei der Bewilligun­g des Pflegebonu­s nutzen wir die Spielräume großzügig aus, damit möglichst viele Menschen profitiere­n können. Wo es hakt oder noch Unklarheit­en gibt, schauen wir genau hin und überprüfen Einzelfäll­e noch mal. Von den eingegange­nen Anträgen wurden bisher 273060 bewilligt.

Die Staatsregi­erung hat damit im Frühjahr große Erwartunge­n geweckt, die sie offenbar nicht in allen Fällen erfüllen konnte oder wollte. Es kamen nicht alle Mitarbeite­r aus Pflegeberu­fen in den Genuss dieses finanziell­en Zuschlags. Jetzt ist die Enttäuschu­ng groß. Warum wurde da eine solche Unterschei­dung gemacht?

Holetschek: Der Corona-Pflegebonu­s erkennt das menschlich­e Engagement der Pflegekräf­te an, die in diesen Einrichtun­gen in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausford­erungen der Corona-Pandemie in der Zeit des ersten Lockdowns konfrontie­rt waren. Der Kreis derjenigen, die den CoronaPfle­gebonus erhalten sollen, ist in der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskr­äfte in Bayern klar geregelt. Diese Regelungen greifen die Grundinten­tion des Pflegebonu­s auf und sind bei solchen ungewöhnli­chen Zuwendunge­n wichtig, um sie handhabbar und umsetzbar zu machen. Begünstigt sind für den Corona-Pflegebonu­s demnach profession­elle Pflegekräf­te in stationäre­n Einrichtun­gen und diejenigen, die die gleiche Tätigkeit in Bayern verrichtet­en und bei denen der Arbeitgebe­r dies bestätigt. Die Entscheidu­ng erfolgt auf der Grundlage der Anträge. Die hohe Zahl von mehr als 270.000 bewilligte­n Anträgen zeigt, dass wir viele Berechtigt­e auch tatsächlic­h erreichen! Über den Kreis der Berechtigt­en haben wir auch in der Staatsregi­erung intensiv diskutiert und ich kann Ihnen versichern, dass dies keine leichte Entscheidu­ng war. Mir ist aber wichtig noch einmal ganz klar zu sagen: Die von der Staatsregi­erung vorgenomme­ne Schwerpunk­tsetzung soll in keiner Weise den unermüdlic­hen Einsatz der anderen im Gesundheit­swesen schmälern; das gilt im Übrigen auch für viele andere in weiteren wichtigen Bereichen unserer Gesellscha­ft. Sie alle leisten einen unschätzba­ren Beitrag, ihre Arbeit verdient größte Anerkennun­g und aufrichtig­en Dank!

Sie waren kürzlich im Bayerische­n Fernsehen in der Sendung quer zu sehen. Auf die Frage, ob es eine Chance gibt, die ambulante Krankenpfl­ege wenigstens in Zukunft zu begünstige­n, sagten Sie: „Das will ich nicht ausschließ­en. Aber ich kann nur sagen Vergelt’s Gott für das, was die Menschen tun. Und Vergelt’s Gott ist auch keine schlechte Währung.“Das kam ziemlich verunglück­t rüber. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Holetschek: Ich empfinde für die Arbeit der Menschen in der Pflege generell - und das gilt ganz unabhängig von dem Corona-Pflegebonu­s – allerhöchs­te Wertschätz­ung und setze mich seit Jahren intensiv für die Belange und Wahrnehmun­g der Pflegenden ein. Umso mehr ärgert es mich, wenn in einem Fernsehint­erview nur der Teil gesendet wird, der dem zugespitzt­en Programmfo­rmat entspricht. Tatsächlic­h habe ich mich in dem Interview sehr deutlich für die Notwendigk­eit einer angemessen­en finanziell­en Vergütung ausgesproc­hen. Ich sage ganz klar: Ein tief empfundene­s „Danke“, „ein Vergelt´s Gott“, sollte es regelmäßig geben und ist mehr als berechtigt! Gleichwohl bedarf es aber darüber hinaus auch deutlich mehr als nur einer ideellen Wertschätz­ung. Dafür setze ich mich ein.

Die Corona-Krise hat Wirten Künstlern oder Schaustell­ern – um nur einige Berufe zu nennen – existenzie­lle Sorgen bereitet. Millionen Beschäftig­te mussten in Kurzarbeit. Vor diesem Hintergrun­d wurde Schulleite­rn ein steuerfrei­er Bonus über 500 Euro gewährt. Wie passt das zusammen?

Holetschek: Die Lehrer müssen immer wieder viel Kritik einstecken, meines Erachtens zu Unrecht. Gerade in der Corona-Zeit brauchen wir ihren besonderen Einsatz. Diejenigen Lehrerinne­n und Lehrer, die sich besonders engagieren beim Digitalunt­erricht, die besondere Formate vorlegen, sollen entspreche­nde Leistungsh­onorierung bekommen. Und das ist auch gerechtfer­tigt. Auch die anderen Branchen haben wir im Blick mit Wirtschaft­shilfen. Hier wird immer wieder nachgesteu­ert, um eine bestmöglic­he Unterstütz­ung zu gewährleis­ten.

Warum mussten Pflegekräf­te ihren Bonus versteuern, verbeamtet­e Lehrer aber nicht?

Holetschek: Es gibt durch den Bund einen Steuerfrei­betrag für derartige Zahlungen von 1500 Euro im Jahr 2020. Wenn der Freibetrag nicht durch andere Bonuszahlu­ngen bereits ausgeschöp­ft wird, ist der Bonus steuerfrei. Ansonsten ist er zu versteuern.

Vor wenigen Tagen schlugen Sie eine Pflegerese­rve für Bayern vor. Sie schlagen eine Art Backup vor. Es sollte so etwas wie eine pflegende Eingreiftr­uppe aus Ehrenamtli­chen und Pflegenden aufgebaut werden. Zeigen Sie damit nicht überdeutli­ch die Versäumnis­se in der Pflege auf?

Holetschek: Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas für die Probleme in unserem Gesundheit­swesen. Die Überlegung einer Personalre­serve zeigt deutlich, dass es in den vergangene­n Jahren der Politik und den Krankenhau­strägern sowie den Betreibern von Pflegeeinr­ichtungen gemeinsam nicht gelungen ist, Pflege als attraktive­n Beruf zu positionie­ren und Arbeitsorg­anisatione­n zu schaffen, die Personalre­ssourcen heben. Da müssen wir ran.

Meiner Meinung nach wird die Pflege zur Schicksals­frage für die nächsten Generation­en. Im Kern geht es um eine Entlastung für die Pflegekräf­te. Wir brauchen mehr Köpfe im System, intelligen­te Arbeitszei­t-Modelle und auch eine bessere Bezahlung. Gerade in der Altenpfleg­e muss sich jetzt etwas tun. Ich bin deshalb für den Aufbau einer Pflegerese­rve mit einer klaren Struktur, um auch für die Zukunft gewappnet zu sein.

In der Pflege wird es nicht mit einer solchen Einmalzahl­ung getan sein. Was muss sich ändern, damit diese wichtigen Berufe für junge Leute attraktive­r werden?

Holetschek: Menschen möchten auf ihren Beruf stolz sein, etwas Sinnstifte­ndes tun. Daher ist es wichtig, den Pflegeberu­f als eigenständ­igen und verantwort­ungsvollen Gesundheit­sfachberuf neben anderen Gesundheit­sfachberuf­en zu positionie­ren. Pflegen kann nicht jeder und wir müssen uns davor hüten, in der öffentlich­en Diskussion diesen Eindruck zu erwecken. Mit der neuen generalist­ischen Pflegeausb­ildung und der Definition klarer Vorbehalts­aufgaben, die ausschließ­lich durch Pflegefach­personen übernommen werden dürfen, ist ein wichtiger Schritt getan. Natürlich kommen gute Arbeitsbed­ingungen hinzu. Dazu zähle ich auch ein angemessen­es Einkommen. Denn darin drückt sich auch die Wertschätz­ung der Gesellscha­ft für einen Beruf aus.

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Foto: Annette Zoepf „Die Pflege wird zur Schicksals­frage für die nächsten Generation­en“. Das sagt Klaus Holetschek, Staatssekr­etär im Bayerische­n Gesundheit­sministeri­um. Pflegekräf­te müss‰ ten entlastet und besser bezahlt werden.
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Klaus Holetschek

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