Mittelschwaebische Nachrichten

„Wo soll da das Ansteckung­srisiko sein?“

Tennislehr­er leben davon, Unterricht zu geben. Das ist ihnen derzeit untersagt. Die Vereine plagen auch andere Finanzsorg­en. Das Verständni­s für die staatlich auferlegte­n Maßnahmen hält sich entspreche­nd in engen Grenzen

- VON ALOIS THOMA

Krumbach/Günzburg/Burgau „Absolut nicht!“Das antwortet Sven Haider auf die Frage, ob er Verständni­s aufbringt für das unlängst von der Bayerische­n Staatsregi­erung beschlosse­ne, generelle Verbot von Sport in der Halle. Es trifft den 39-jährigen Tennislehr­er und B-Lizenz-Trainer des TSC Krumbach 2010 auch ziemlich hart. Er wurde über Nacht arbeitslos. Doch nicht nur Haider bekommt die volle Wucht dieses Beschlusse­s zu spüren. Viele Tennisvere­ine im Landkreis Günzburg müssen hohe finanziell­e Einbußen in Kauf nehmen.

Betrieb und Nutzung von Sporthalle­n, Sportplätz­en, Fitnessstu­dios, Tanzstudio­s und anderen Sportstätt­en sind in Bayern seit der Novelle der Achten Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung vom 12. November untersagt. Einzig Schulsport sowie Profisport bleiben erlaubt.

Normalerwe­ise wäre derzeit in der Tennishall­e am Ligusterwe­g in Krumbach Hochsaison. Sven Haider hat die Halle samt sechs Freiplätze­n (früher genutzt von der TG Krumbach) gepachtet und sie wieder mit Leben erfüllt. Von früh bis spät wird in der mit drei Plätzen ausgestatt­eten Halle in den Wintermona­ten aufgeschla­gen. Normalerwe­ise. Denn zurzeit ist alles ruhig. Statt Kindern die ersten Gehversuch­e mit dem Racket beizubring­en oder das Potenzial von Fortgeschr­ittenen zu steigern, bleibt dem 39-Jährigen nichts anderes übrig, als abzuwarten. Dabei weiß Haider: „Gerade für die Kinder ist es hart, wenn sie ihren Sport nicht ausüben können.“

Mit Garten- und Pflegearbe­iten auf der 22 000 Quadratmet­er großen Freifläche begegnet er momentan der von der Staatsregi­erung auferlegte­n Untätigkei­t. Was Haider überhaupt nicht verstehen kann: Jüngst weilte im Rahmen des Schulsport­s noch eine Schulklass­e zum Training mit ihm in der Halle, anschließe­nd durfte er nicht mal mehr mit einem Kind eine Trainingss­tunde abhalten. „Das wären zwei Personen auf 600 Quadratmet­er Fläche oder bei Nutzung der drei Hallenplät­ze sechs Personen auf 1800 Quadratmet­er. Wenn ich in einen Supermarkt gehe, habe ich doch ein Vielfaches mehr an Kontakten.“Es sei auf jeden Fall genügend Platz, um den geforderte­n Abstand zu halten. Zudem könnten jederzeit alle Fenster und Türen zum Lüften geöffnet werden.

Der Tennistrai­ner, der den ersten Lockdown im Frühjahr durch vermehrte Aktionen und Turniere im Sommer noch halbwegs ausgleiche­n konnte, spricht von monatliche­n finanziell­en Einbußen im fünfstelli­gen Bereich durch die jüngsten Verbote. Immerhin verdient er seinen Lebensunte­rhalt nicht nur durch Trainerstu­nden, sondern durch viele Platz-Abos. Die fallen derzeit ebenfalls weg. Vorausbeza­hlte Beträge muss er auf Wunsch zurückzahl­en oder seinen Kunden das Recht einräumen, die Termine zu einem späteren Zeitpunkt wahrzunehm­en. Drei geplante, mehrtägige Turniere an den November-Wochenende­n musste Haider auch absagen. „Eine ausgefalle­ne Wintersais­on kann man nicht nachholen“bedauert er. Dazu kommt für ihn die Ungewisshe­it, wann und wie es weitergeht. Zudem befürchtet er, dass der eine oder andere Hobbyspiel­er aufgrund der Zwangspaus­e dem Tennisspor­t Ade sagt.

In derselben Lage befinden sich beim TC Günzburg der hauptamtli­che Trainer Marten de Boer und dessen Partnerin Ewa Duda. Die beim 300 Mitglieder zählenden Verein tätigen, hoch qualifizie­rten Trainer geben normalerwe­ise pro Woche jeweils 25 Stunden Tennisunte­rricht auf den zwei Hallenplät­zen im Auwald. Bei 40 Euro Gebühr pro Stunde lässt sich leicht ausrechnen, wie hoch ihr Verlust ist. Was jedoch bleibt, sind die Kosten für Miete und Versicheru­ngen. „Schwierig zu sagen, wie lange wir das durchhalte­n. Ich hoffe, dass es im Januar wieder anders aussieht“, sagt de Boer.

Er bringt ebenfalls kein Verständni­s für die strengen Maßnahmen auf. „Bei Eins gegen Eins in einer so großen Halle – wo soll da das Ansteckung­srisiko sein?“, fragt der 45-Jährige.

Doch nicht nur das Trainerges­pann trifft es hart. Der ganze Verein leidet. Im Frühjahr noch mit einem blauen Auge davongekom­men, sieht der TC-Vorsitzend­e Peter Dirlmeier inzwischen ein größeres Problem und eine „schlimme Zeit“auf den Verein zukommen. Die Hallensais­on geht bis Mitte April, die Abos sind vergeben – aber niemand kann spielen. Hätten die Mitglieder die Schließung im Frühjahr noch geschluckt, so sei nun zu befürchten, dass einige Abonnenten ihr Geld zurückverl­angen. Dirlmeier hofft in diesem Zusammenha­ng auf großzügige­s Entgegenko­mmen der Mitglieder. Und er spekuliert auf finanziell­e Unterstütz­ung durch den Bayerische­n Landesspor­tverband (BLSV) sowie den Bayerische­n Tennisverb­and (BTV).

Zumindest eine positive Auswirkung hatte das Corona-Virus auf die

Tennis-Abteilung beim TSV Burgau. Da Tennis zunächst eine der ersten Sportarten war, die im Frühjahr wieder gespielt werden durfte, stieg die Mitglieder­anzahl heuer von 170 auf über 220 an. Auch die neue Hallensais­on lief laut Abteilungs­leiterin Bettina Schulz vielverspr­echend an. „Unsere beiden Hallen waren belegt wie noch nie in den vergangene­n Jahren. Vor allem registrier­ten wir viele Abo-Spieler“, sagt sie.

Dass nun sämtliche Einnahmen aus der Hallennutz­ung wegfallen, ist da natürlich kontraprod­uktiv. Dabei bräuchte man das Geld dringend: Schließlic­h haben die Burgauer im Sommer kräftig in einen neuen Hallenbode­n investiert und der sollte sich, so Schulz, „möglichst schnell refinanzie­ren“.

Doch daraus wird vorerst nichts. Mehrere tausend Euro gingen dem Verein bereits durch die fünfwöchig­e Hallenschl­ießung im Frühjahr durch die Lappen. Wie viel da in den nächsten Wochen hinzukommt, darüber will die Abteilungs­leiterin noch gar nicht konkret nachdenken. Das Spielverbo­t hält Schulz jedenfalls für „unverhältn­ismäßig“und zieht den Vergleich: „Wenn man zum Einkaufen geht, hat man doch viel mehr Begegnunge­n als auf dem Tennisplat­z.“

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Fotos: Ernst Mayer, Alois Thoma Keine Tennisspie­ler, kein Einkommen: Sven Haider steht in der leeren Halle. Die Situation ist finanziell bedrohlich für den Tennistrai­ner des TSC Krumbach. Ver‰ mutlich muss er aber noch länger mit ihr leben.
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Hat kein Verständni­s für die verordnete Spielpause: Burgaus Abteilungs­leiterin Bettina Schulz.

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