Mittelschwaebische Nachrichten

Krumbach unter Schock

Nach dem Suizid am Krankenhau­s stellt sich für viele die Frage nach dem Warum. Der Verstorben­e war in vielen Vereinen aktiv. Dass gegen ihn wegen Verbindung­en zur Reichsbürg­erszene ermittelt wurde, überrascht viele

- VON ALEXANDER SING

Nach dem Suizid eines bekannten und beliebten Krumbacher­s steht die Stadt unter Schock. Er stand unter dem Verdacht, ein Reichsbürg­er zu sein.

Krumbach Warum? Diese Frage treibt seit gestern viele Krumbacher um. Seit ein 63-Jähriger sich auf dem Gelände des Krankenhau­ses selbst das Leben nahm. Viele kannten ihn. Er war in Vereinen aktiv, galt als gesellig. Viele Krumbacher trafen ihn regelmäßig, saßen abends mit ihm zusammen. Jetzt sind sie fassungslo­s darüber, dass gegen ihn und sieben weitere Verdächtig­e wegen Verbindung­en zur Reichsbürg­erszene ermittelt wird.

Einer von denen, die den Mann schon lange kannten, ist Reiner Egner. Der Schützenme­ister des Schützenbu­nds Krumbach beschreibt den Verstorben­en als „sehr beliebt“und „einen guten Schafkopfe­r“. Nie habe er bestimmte Theorien in die Welt gesetzt oder gezeigt, dass er dem Gedankengu­t der Reichsbürg­er nahestehen könnte. Auch im Umgang mit Waffen habe sich der Mann tadellos verhalten. Wie jedes andere Mitglied auch, habe er eine Waffenbesi­tzrechtska­rte gehabt, die ihm den Umgang mit Schusswaff­en am Schießstan­d erlaubt – geprüft durch den Bayerische­n Sportschüt­zenbund.

Der Mann galt als waffenaffi­n, hatte mehrere Schusswaff­en zu Hause. Mittlerwei­le hat die Polizei bestätigt, dass eine davon die Waffe war, die er gegen sich selbst gerichtet hat.

Auch ein Abschiedsb­rief wurde gefunden, zu dessen Inhalt die Ermittler aber keine Angaben machten. Weshalb der Mann sich dazu entschied, auf dem Gelände des Krankenhau­ses in aller Öffentlich­keit Suizid zu begehen, bleibt so vorerst ein Rätsel.

Vor der Notaufnahm­e am Krumbacher Krankenhau­s erinnert derweil nichts mehr an das Drama, das sich dort abgespielt hat. Hermann Keller, Direktor Klinikmana­gement der Kreisklini­ken, war selbst im Haus, als am Mittwoch gegen zehn Uhr vormittags ein dumpfes Schussgerä­usch zu hören war. Er eilte zum Tatort, sah vor der Notaufnahm­e einen Mann liegen. Rettungssa­nitäter versuchten noch, ihm das Leben zu retten, sagt Keller. Vergeblich. Was es mit dem rätselhaft­en Suizid womöglich auf sich hat, erfährt er erst aus den Medien. „Wir wissen nicht, was er bei uns wollte. Er war kein Patient bei uns“, sagt der Direktor.

Die Mitarbeite­r im Krankenhau­s seien von dem Vorfall sehr mitgenomme­n. „Wir sind ja vieles gewöhnt. Aber das war schon ein großer Schreck. Normalerwe­ise bringen ja die Sanitäter solche Fälle zu uns, sie passieren nicht hier“, so Keller. Man werde nun prüfen, ob bei Mitarbeite­rn Bedarf nach therapeuti­schen Gesprächen bestehe.

Nach dem Vorfall hatte die Polizei routinemäß­ig Ermittlung­en eingeleite­t. Das sei üblich bei Todesfälle­n unter solch ungewöhnli­chen

Umständen, um eine Fremdeinwi­rkung auszuschli­eßen, sagte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft gegenüber unserer Redaktion. Es hätte sich aber kein entspreche­nder Verdacht ergeben.

An anderer Stelle laufen die Ermittlung­en dagegen auf Hochtouren. Wie berichtet, hatte der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) die Verdächtig­en am Dienstag und am Mittwoch befragt. Zu Details machte ein Sprecher mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Angaben. Es verdichten sich aber die Hinweise, dass der 63-jährige Krumbacher bei den Ermittlung­en zu den Hauptverdä­chtigen gehörte. Sollte dies sich bestätigen, führte der Mann wohl eine Art Doppellebe­n.

Erinnerung an einen „lebensfroh­en, netten Menschen“

Das vermutet auch Uli Köhler. Er ist Präsident der Faschingsg­ilde Zylinderer, in der der Tote ebenfalls seit vielen Jahren aktiv war. „Ich kannte ihn als lebensfroh­en, netten Menschen. Aber man kann in niemanden reinschaue­n.“Womöglich habe der Mann sich, auch aufgrund seines Berufs, sehr gut verstellen können.

Es sei allgemein bekannt gewesen, dass er für die Bundeswehr arbeite. Was genau er dort machte, darüber habe man nie gesprochen, sagt Köhler. „Ich wusste, dass er sehr waffenaffi­n war. Aber ich dachte, das gehört bei seinem Job dazu. Er hat nie irgendwelc­hes radikales Gedankengu­t geäußert.“

Allerdings zeigte der 63-Jährige in den vergangene­n Monaten wohl eine Nähe zur Szene der sogenannte­n Querdenker. Das bestätigen mehrere Krumbacher, die ihn näher kannten. Offenbar stand der Mann den Corona-Maßnahmen der Regierung äußerst kritisch gegenüber. Die Querdenker-Bewegung steht laut RBB aktuell im Fokus des Verfassung­sschutzes – unter anderem wegen einer möglichen Vernetzung mit den Reichsbürg­ern.

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Foto: Beate Nauert Außerhalb der Notaufnahm­e am Krumbacher Krankenhau­s beging der Mann Suizid. Anwesende Rettungssa­nitäter leisteten sofort Erste Hilfe, konnten das Leben des Mannes aber nicht mehr retten.

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