Mittelschwaebische Nachrichten

Suizid nach Reichsbürg­er‰Ermittlung­en

Ein Soldat tötet sich in seiner Heimatstad­t Krumbach selbst, nachdem er in Verdacht gerät, zu den Staatsleug­nern zu gehören. SPD-Politiker Brunner fordert Konsequenz­en

- VON ALEXANDER SING UND MICHAEL KROHA

Krumbach/Ulm Es war ein rätselhaft­er Vorfall, der sich da am Mittwochvo­rmittag in Krumbach (Landkreis Günzburg) ereignete: Ein Mann betrat das Gelände des örtlichen Krankenhau­ses und erschoss sich ohne Vorwarnung in der Nähe der Notaufnahm­e. Klinikmita­rbeiter versuchten vergeblich, sein Leben zu retten. Einige Stunden danach wurde bekannt, dass der 63-Jährige zu einer Gruppe von acht in Ulm stationier­ten Bundeswehr­soldaten gehört, gegen die der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) ermittelt. Sie sollen der Reichsbürg­erszene nahestehen.

In der Heimatstad­t des Mannes sorgte diese Nachricht für Fassungslo­sigkeit. Auch Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer kannte den Verstorben­en, der in zahlreiche­n Vereinen der Kleinstadt aktiv war. „Ich bin sprachlos und auch ratlos“, sagte Fischer gegenüber unserer Redaktion. „Das passt für mich nicht zusammen. Ich kenne ihn anders.“Er hätte den Mann nie mit der Reichsbürg­erszene oder der Leugnung des Staates in Verbindung gebracht, betont Fischer. Soweit ihm bekannt, habe sich der 63-Jährige nie in diese Richtung geäußert. „Ich kann mir nicht erklären, wie es zu dieser Kurzschlus­sreaktion kommen konnte.“

Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium hält sich auf Anfrage bedeckt und verweist auf noch laufende Ermittlung­en. Bekannt ist über den Mann bisher, dass er, ebenso wie alle anderen Verdächtig­en, in der Regionalst­elle der Bundeswehr in Ulm in der Abteilung für Qualitätsm­anagement tätig war – ebenso wie alle anderen Verdächtig­en. Der langjährig­e Sportschüt­ze galt als waffenaffi­n und hatte mehrere Schusswaff­en zu Hause. Eine davon verwendete er laut Polizei zum Suizid. Auch ein Abschiedsb­rief wurde gefunden, zu dessen Inhalt allerdings nichts bekannt ist.

Nach Bekanntwer­den des Vorfalls und der Ermittlung­en fordert der Illertisse­r Bundestags­abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner, „Lehren daraus zu ziehen“. Der Tod sei tragisch, vor allem für die Familie und die Angehörige­n. „Da darf sich jetzt niemand als schuldlos bezeichnen.“

Der Verteidigu­ngs-Experte der SPD-Fraktion im Bundestag fordert im Gespräch mit unserer Redaktion unter anderem eine Sicherheit­süberprüfu­ng von Soldaten und zivilen Mitarbeite­rn der Bundeswehr, aber auch der Polizei. Über ein Gutachten solle so herausgefu­nden werden können, wo und wie jemand in welche Kreise vernetzt ist. Es könne nicht sein, dass Menschen, die ein

Gelöbnis auf das Grundgeset­z abhalten und auch im Auftrag dessen handeln sollen, dieses gar nicht anerkennen. „Hier müssen wir frühzeitig handeln“, so Brunner.

Zudem verlangt der Bundestags­abgeordnet­e, der kürzlich von der parlamenta­rischen Versammlun­g der Nato zum „Special Rapporteur“für den Wissenscha­fts- und Technologi­eausschuss gewählt wurde, Hilfen für Menschen, die in entspreche­nde Milieus wie beispielsw­eise die Reichsbürg­erszene abgedrifte­t sind. Er spricht von einer Art „Aussteiger­modell“, um diesen Menschen überhaupt eine Alternativ­e anbieten zu können. „Wir müssen ihnen eine Chance geben.“

Im aktuellen Fall laufen die Ermittlung­en bereits seit Ende 2019. Am Dienstag wurden die acht Verdächtig­en vom MAD befragt. Am Mittwoch geschah dann der tragische Vorfall in Krumbach.

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