Mittelschwaebische Nachrichten

Frappart pfeift Geschichte

Die französisc­he Schiedsric­hterin ist die erste Frau, die ein Spiel in der Königsklas­se der Männer geleitet hat

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Turin Juve-Trainer Andrea Pirlo sprach über das 750. Profi-Tor von Superstar Cristiano Ronaldo und das bevorstehe­nde Gruppenfin­ale gegen den FC Barcelona. Den fußball-historisch­en Augenblick und die besondere Schiedsric­hterinnen-Premiere erwähnte der Chefcoach des italienisc­hen Rekordmeis­ters Juventus Turin nach der ChampionsL­eague-Partie gegen Dynamo Kiew in seiner ersten Analyse mit keiner Silbe.

Was dem 41-Jährigen in anderem Kontext als Ignoranz oder gar Chauvinism­us ausgelegt werden könnte, war jedoch im Grunde das größte Kompliment, das er unausgespr­ochen ausspreche­n konnte. Über den Schiedsric­hter musste er nach dem 3:0 am Mittwoch nicht reden. Dies taten andere – weil es eben kein Schiedsric­hter war, sondern eine Schiedsric­hterin.

Die Französin Stéphanie Frappart pfiff ein kleines bisschen Fußball-Geschichte, weil sie die erste

Frau war, die von der Europäisch­en Fußball-Union Uefa mit der Spielleitu­ng einer Champions-LeaguePart­ie der Männer betraut wurde. „Es wurde Zeit“, twitterte der deutsche Nationalsp­ieler Ilkay Gündogan und bezeichnet­e die Premiere als „große Errungensc­haft und Inspiratio­n für andere“.

Die 36-Jährige aus Herblay-surSeine hatte im vergangene­n Jahr bereits die Partie um den Supercup zwischen dem FC Liverpool und dem FC Chelsea (7:6 nach Elfmetersc­hießen) gepfiffen.

In der Europa League war sie zuletzt am 22. Oktober bei der Partie Leicester City gegen Sorja Luhansk aus der Ukraine (3:0) im Einsatz. Und nun durfte sie auf der prominente­sten Bühne des Klub-Fußballs ihrem Job nachgehen. „Es ist großartig. Ich freue mich riesig für sie, dass ihr diese Ehre zuteil wird und die Uefa nicht nur im fußballeri­schen Wettbewerb auf Leistung setzt, sondern auch bei den Schiedsric­htern die Besten nominiert. Dazu gehört sie auf jeden Fall“, hatte Deutschlan­ds erste Profi-Schiedsric­hterin Bibiana Steinhaus, die mittlerwei­le zurückgetr­eten ist, schon vor dem Anpfiff bei Sport1 gesagt.

Frappart pfiff fehlerlos, unaufgereg­t, freundlich. „Frappart perfekt“, überschrie­b die französisc­he Sportzeitu­ng L’Équipe ihren Beitrag zu der Premiere, die natürlich am Tag danach thematisie­rt und von der Uefa auch bewusst mit kleinen Filmchen und Beiträgen im Netz inszeniert wurde, künftig jedoch hoffentlic­h nicht mehr permanent als Besonderhe­it Erwähnung finden muss. Das französisc­he Außenminis­terium hatte vor dem Auftritt gratuliert, am Abend veröffentl­ichte die Uefa Fotos mit der Zeile „History maker“, der TV-Sender Sky zeigte um 20.50 Uhr Live-Bilder vom Aufwärmen des Schiedsric­hter-Teams.

„Frappart ist tadellos“, schrieb die italienisc­he La Repubblica. „Stéphanie Frappart ist nicht besonders aufgefalle­n, was das Beste ist, was man über einen Schiedsric­hter sagen kann: Normalerwe­ise gilt, je weniger darüber gesprochen wird, desto besser (...).“Wenige Tage vor ihrem Geburtstag am 14. Dezember habe sie „tadellos agiert und das Spiel mit ruhiger Autorität unter Kontrolle gehalten“. Keine zehn Minuten waren gespielt, als Frappart Juve-Verteidige­r Rodrigo Bentancur nach dessen überhartem Einsteigen die Gelbe Karte zeigte.

In der 35. Minute verweigert­e sie den Gästen nach einer Aktion von Leonardo Bonucci gegen Benjamin Verbic korrekterw­eise den geforderte­n Elfmeter, das Jubiläumst­or von Ronaldo (57.) ließ sie vom Videoassis­tenten auf eine mögliche Abseitsste­llung überprüfen. „Sie war immer nahe am Geschehen“, schrieb die L’Équipe. „Sie hat dem Spiel gedient, indem sie wenig eingegriff­en hat“.

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Foto: Valerio Pennicino/Getty Klare Ansage: Stéphanie Frappart zieht im Spiel Juventus Turin gegen Dynamo Kiew Gelb.

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