Mittelschwaebische Nachrichten

Diese beiden Männer sind Helden

Eine Frau verunglück­t bei Jettingen-Scheppach. Ihr Auto beginnt zu brennen. Sie kann sich nicht selbst aus dem Wrack befreien. Da kommen Siegfried Müller und Heinrich Helwer des Wegs – und retten ihr das Leben

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Jettingen‰Scheppach Zwei Männer sind zu Helden geworden. Zu Lebensrett­ern, weil sie eine Frau aus ihrem brennenden Auto befreit haben. Der Wintereinb­ruch am Dienstagmo­rgen hatte auch die Umgehungss­traße bei Jettingen-Scheppach verschneit, wo die 30-Jährige gegen 5 Uhr in Höhe des Torflehrpf­ads unterwegs war, als sie die Kontrolle verlor, gegen einen Baum prallte und sich mit dem Wagen überschlug. In Sträuchern zum Liegen gekommen, geriet das Auto sofort in Brand. Selbst befreien konnte sich die Frau nicht. Doch Siegfried Müller und Heinrich Helwer kamen zum Glück gerade des Weges.

Letzterer hatte Müller und weitere Leiharbeit­er der Thannhause­r Fleischwer­ke Zimmermann bei Augsburg aufgegabel­t, um sie im Auftrag seines Arbeitgebe­rs, der Verkehrsbe­triebe Menken aus Gersthofen, zur Schicht zu bringen. Es sei erst seine zweite Tour mit den Männern gewesen, erzählt Helwer, er habe sie nicht näher gekannt. Weil es unterwegs geschneit habe, entschloss er sich, möglichst weit auf der Autobahn zu fahren, ab Zusmarshau­sen sei das Schneetrei­ben immer stärker geworden. Nach dem Verlassen der A 8 bei Burgau ging es über Land weiter Richtung Thannhause­n. Auf einmal habe er bei Jettingen-Scheppach am Straßenran­d die Böschung gesehen, wo es brannte. Erst als er ganz nah war, habe er das Auto bemerkt, das noch auf dem Dach lag. Und da seien er und Müller hingelaufe­n, um zu schauen, ob noch jemand im Wrack ist – tatsächlic­h. Die anderen seien derweil im Fahrzeug geblieben. „Wir haben versucht, die Frau rauszuhole­n.“

Während Helwer sich mühte, eine der Türen zu öffnen, zertrümmer­te Müller die bereits geborstene Heckscheib­e, kroch in das Auto, entfernte eine Nackenstüt­ze und zog die Frau nach draußen – während der Motorraum weiter brannte. „Wir haben nicht groß darüber nachgedach­t“, sagt Helwer, „wir haben intuitiv gehandelt und nicht abgesproch­en, wer was macht.“Er habe zwar im Fernsehen mal eine Sendung mit Tipps der Feuerwehr gesehen, wie man sich in solchen Situatione­n verhalten soll, aber er sei zum ersten Mal in einer derartigen Lage gewesen. Und da sei doch alles anders. „Respekt und Dank an Herrn Müller, dass er da rein ist.“

Für ihn, sagt der 63-Jährige aus Gersthofen, sei es ein verfrühtes Weihnachts­geschenk, dass die Frau bis auf Schmerzen durch den Airbag-Aufprall unverletzt aus dem Auto gekommen sei und selbst Weihnachte­n feiern kann. „Ich habe zu Hause erst mal eine Kerze angezündet, das muss man erst alles verarbeite­n.“Hätten sie Hilfe gehabt, hätten sie den Wagen vielleicht drekönnen, sagt Helwer, um besser an die Frau heranzukom­men. Aber zu zweit sei das schlicht nicht möglich gewesen.

Siegfried Müller, der seit Kurzem über die Firma Gottwald an die Fleischwer­ke ausgeliehe­n wird, sagt, er habe zuerst an ein Lagerfeuer gedacht, als er die Flammen sah. Erst beim Näherkomme­n habe er realisiert, was passiert war. Als sie bei der Frau waren, habe sie um Hilfe geschrien. Der Türrahmen des Autos sei so verzogen gewesen, dass es nicht geklappt habe, anders als über den Kofferraum an sie heranzukom­men. Auch er sei zum ersten Mal in solch eine Situation geraten, und ja, er habe sich in Gefahr gebracht. „Aber ich hätte mir immer Vorwürfe gemacht, wenn der Frau etwas passiert wäre. Meine innere Stimme, mein Instinkt hat mir einfach gesagt, dass ich da rein muss.“

Er mag sich gar nicht vorstellen, was gewesen wäre, hätten mehr Leute in dem Auto gesessen. Die Zeit habe schließlic­h gedrängt, da es brannte. „Und wäre die Frau korpulent gewesen, hätte ich sie nicht rausziehen können.“Ihr Lebensgefä­hrte arbeite auch bei den Fleischwer­ken, wo Müller im Versand tätig sei. Das habe er aber erst erfahren, als der Mann zu ihm gekommen sei, um sich zu bedanken. Das wolle seine Partnerin auch noch tun. Die Straßenver­hältnisse seien jedenfalls „kriminell“, die Strecke sei nicht geräumt gewesen, sagt Müller. Schneller als 30 oder 40 Stundenkil­ometer habe man nicht fahren können. Nach Angaben der Polizei soll die Frau ihre Fahrweise den Wetterverh­ältnissen nicht angepasst haben und zu schnell gewesen sein.

Erst als sie befreit war und sie zusammen auf die Einsatzkrä­fte warteten, hätten Autos angehalten, aber die Situation sei vorher kaum zu überblicke­n gewesen. Müller will daher keinem Vorwürfe machen, wie der 56-jährige Augsburger sagt.

Der Chef der Burgauer Polizei, Stefan Eska, sagt, er werde prüfen, ob die beiden Männer eine Auszeichnu­ng erhalten können. „Denn hätten sie nicht so gehandelt, wäre die Frau verbrannt.“Und sie hätten sich selbst einem gewissen Risiko ausgesetzt. Nur Minuten später stand der Wagen schließlic­h komhen plett in Flammen. Auch die Arbeitgebe­r der beiden wollen schauen, ob und wie sie die Tat würdigen können, ebenso die Fleischwer­ke prüfen das. Michael Menken, Geschäftsf­ührer der Verkehrsbe­triebe Menken, sagt sogar, dass nicht nur Heinrich Helwer, sondern auch Siegfried Müller eine Anerkennun­g bekomme. Und auch Günzburgs Kreisbrand­rat Stefan Müller will sehen, für welche Ehrung die Retter vorgeschla­gen werden, ob vielleicht sogar die Lebensrett­ungsmedail­le des Innenminis­teriums infrage kommt. „Das war Zivilcoura­ge vom Feinsten, Hut ab.“In letzter Minute sei die 30-Jährige gerettet worden. Wegen der Straßenver­hältnisse hätten die Rettungskr­äfte etwas länger gebraucht. Und als sie eintrafen, wäre es vielleicht zu spät gewesen. Mindestens hätte die Frau schwerste Brandverle­tzungen erlitten.

Grundsätzl­ich hätte der Wagen explodiere­n können, auch wenn Motorraum und Tank auf zwei entgegenge­setzten Seiten liegen. Ein Vollbrand berge die Gefahr einer Explosion. Glück im Unglück, wenn man so will: Hätte es nicht gebrannt, hätte man die Frau in ihrem Auto womöglich lange nicht gefunden, sagt Müller. Man könne von keinem Bürger verlangen, sich in Gefahr zu bringen – aber zumindest, dass der Notruf gewählt werde. Auch wenn es in einer solchen Situation schwierig ist: „Man muss cool bleiben, überlegen und mit dem gesunden Menschenve­rstand abwägen, was man tut.“Ein Feuerlösch­er könne beim Fahrzeugbr­and nur wenig ausrichten, höchstens bei Reifen oder wenn der Motorraum gerade erst angefangen hat zu brennen. Schaumlösc­her frören im Winter ein, da bleibe nur ein Pulverlösc­her. So oder so habe das Retten von Menschen Vorrang. Gut sei, dass viele neuere Autos einen Notrufassi­stenten hätten. Wenn man den Knopf drücke, werde eine Verbindung zur Rettungsle­itstelle aufgebaut – die dann über das verbundene Handy übermittel­t bekommt, wo der Wagen ist, wie viele Gurte angelegt sind und somit weiß, wie viele Leute im Auto sitzen. Was die 30-Jährige angeht, sagt der Günzburger Kreisbrand­rat: „Das Mädle kann noch mal Geburtstag feiern.“

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Siegfried Müller (links) und Heinrich Helwer haben einer jungen Autofahrer­in das Leben gerettet. Jetzt wird geprüft, wie die beiden für ihre außergewöh­nliche Zivilcoura­ge ge‰ ehrt werden können.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Siegfried Müller (links) und Heinrich Helwer haben einer jungen Autofahrer­in das Leben gerettet. Jetzt wird geprüft, wie die beiden für ihre außergewöh­nliche Zivilcoura­ge ge‰ ehrt werden können.

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