Mittelschwaebische Nachrichten
Wer kriegt wann welchen Impfstoff?
Pandemie Sobald das Medikament von der Europäischen Union genehmigt ist, soll es auch in den bayerischen Impfzentren verabreicht werden. Warum diese nicht überfordert sein werden
München In Rekordzeit sind auf der Welt Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt worden – gut ein Jahr nach dem ersten Auftreten des Erregers in China. So wie es aussieht, wird die Europäische Union das von der deutschen Firma Biontech entwickelte Vakzin bis spätestens 29. Dezember genehmigen. Das Mittel wird mutmaßlich kurz nach der Genehmigung auch in Bayern verfügbar sein. Immer wieder erreichen uns Fragen von Leserinnen und Lesern zu diesem Thema. Dazu veröffentlichen wir dieses Frage-Antwort-Stück.
Was genau macht der neuartige Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech im Körper?
Bei dem Vakzin handelt es sich um einen völlig neuen Impfstoff, bei dem keinerlei Erreger, weder abgetötete noch inaktivierte, gespritzt werden, um das Abwehrsystem zur Bildung von Antikörpern anzuregen – so wie es sonst bei konventionellen Impfungen üblich ist. Der neue Stoff enthält sogenannte MessengerRNA. Ganz verkürzt gesagt handelt es sich dabei um eine Art biologischen Bauplan, also genetische Informationen. Gelangt diese RNA in den Körper, so sorgt dieser Bauplan dafür, dass in den Zellen jene Teile des Coronavirus hergestellt werden, auf die das Immunsystem des Menschen mit der Bildung von Antikörpern reagiert – nämlich die sogenannten charakteristischen Spikes (Spitzen) auf der Oberfläche des Virus. Diese Spikes allein sind aber nicht gefährlich, zumal sie ja vom Körper selbst gebaut werden.
Wie wirksam ist das Mittel des Herstellers Biontech?
Laut Studien, an denen mehrere zehntausend Freiwillige teilnahmen, entwickeln über neun von zehn Teilnehmern eine sehr starke Immunantwort. Das heißt, sie sind immun gegen das Virus und erkranken nicht.
Welche Nebenwirkungen des Impfstoffes gibt es?
Nach Angaben von Biontech wurden die gängigen Nebenwirkungen einer Impfung registriert – grippeähnliche Symptome, eben weil der Körper eine Immunantwort ausbildet. Auch Schmerzen an der Einstichstelle können vorkommen.
Gibt es bereits Hinweise auf Langzeitschäden?
Aufgrund der Kürze der Zeit gibt es keinerlei Erkenntnisse über Langzeitschäden.
Wie lange ist man nach einer Impfung immun?
Genaue Erkenntnisse darüber gibt es noch nicht. Ebenso ist noch nicht genau bekannt, ob man sich – analog zur normalen Grippe – jedes Jahr neu impfen lassen sollte, weil der Covid-Erreger sich verändert hat.
Neben Biontech hat auch der USPharmahersteller Moderna einen Messenger-RNA-Impfstoff entwickelt, der wohl ebenfalls bald von der EU zugelassen werden könnte.
Kann ich mir in Bayern aussuchen, welchen Impfstoff ich bekomme? Ein Leser schrieb uns etwa, er wolle in jedem Falle das deutsche Produkt erhalten.
Dazu teilte das bayerische Gesundheitsministerium unserer Redaktion mit, dass man sich in der Anfangszeit den Impfstoff wohl eher nicht aussuchen kann – weil er nicht immer überall zur Verfügung stehen könnte. Wer unbedingt „sein“Fabrikat geimpft bekommen will, muss wohl einfach so lange warten, bis es zur Verfügung steht.
Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt muss bis zum 15. Dezember funktionstüchtige Impfzentren einrichten. Kritische Leser befürchten nun, dass es bei dreistelligen Impfkapazitäten pro Tag Monate oder gar Jahre dauern könnte, bis alle Menschen einer Stadt oder eines Landkreises ihre Impfung – nötig sind in der Regel ohnehin zwei Impftermine, um einen sicheren Impfschutz zu erhalten – bekommen haben.
Laut Gesundheitsministerium wird das Impfgeschehen nur zu Beginn in den Impfzentren sowie in der Hand der mobilen Impfteams, die etwa immobile Patienten aufsuchen, liegen. Sobald Impfstoffe zahlreicher zur Verfügung stehen werden, sollen die Menschen vor allem von ihren Hausärzten versorgt werden. Das werde die Immunisierung der Bevölkerung stark beschleunigen.
Manche Leser befürchten, dass einige sich durch „Gefälligkeitsgutachten“ihres Arztes einen rascheren Impftermin sichern können – weil sie sich ausweisen lassen, zu den Risikogruppen zu gehören.
Dazu schreibt das Gesundheitsministerium in München: „Die Gefahr einer gehäuften Ausstellung von Gefälligkeitsbescheinigungen sehen wir nicht, da Ärzte durch einschlägige rechtliche und ethische Bindungen klare Handlungsrahmen haben.“Sprich: Ärzte dürfen keine Gefälligkeitsgutachten ausstellen. Sollte das passieren, können sie rechtlich belangt werden.
Wer soll nun überhaupt zuerst geimpft werden: Alte und Menschen mit Vorerkrankungen oder medizinisches Fachpersonal?
Der Freistaat geht davon aus, dass beide Gruppen sowie etwa auch Polizisten und Feuerwehrleute auch in der Anfangszeit schon weitgehend parallel versorgt werden können.
Abseits des Themas Impfungen fragen sich viele, die bereits eine Coronainfektion hinter sich haben, warum auch sie von den Einschränkungen des Lockdowns betroffen sein sollen. Wenn es darum geht, dass sich beispielsweise vier Genesene aus vier Haushalten in einer Wohnung treffen?
Hier verweist das Gesundheitsministerium darauf, dass bislang nicht bekannt sei, ob und wie lange man nach einer durchgemachten Infektion immun ist oder nicht mehr ansteckend. „Es gibt Hinweise, dass das Risiko einer zweiten Erkrankung an Covid-19 nicht ausgeschlossen werden kann“, sagte ein Sprecher.