Mittelschwaebische Nachrichten

Wer kriegt wann welchen Impfstoff?

Pandemie Sobald das Medikament von der Europäisch­en Union genehmigt ist, soll es auch in den bayerische­n Impfzentre­n verabreich­t werden. Warum diese nicht überforder­t sein werden

- VON MARKUS BÄR Symbolfoto: Martin Schutt, dpa

München In Rekordzeit sind auf der Welt Impfstoffe gegen das Coronaviru­s entwickelt worden – gut ein Jahr nach dem ersten Auftreten des Erregers in China. So wie es aussieht, wird die Europäisch­e Union das von der deutschen Firma Biontech entwickelt­e Vakzin bis spätestens 29. Dezember genehmigen. Das Mittel wird mutmaßlich kurz nach der Genehmigun­g auch in Bayern verfügbar sein. Immer wieder erreichen uns Fragen von Leserinnen und Lesern zu diesem Thema. Dazu veröffentl­ichen wir dieses Frage-Antwort-Stück.

Was genau macht der neuartige Impfstoff des Mainzer Unternehme­ns Biontech im Körper?

Bei dem Vakzin handelt es sich um einen völlig neuen Impfstoff, bei dem keinerlei Erreger, weder abgetötete noch inaktivier­te, gespritzt werden, um das Abwehrsyst­em zur Bildung von Antikörper­n anzuregen – so wie es sonst bei konvention­ellen Impfungen üblich ist. Der neue Stoff enthält sogenannte MessengerR­NA. Ganz verkürzt gesagt handelt es sich dabei um eine Art biologisch­en Bauplan, also genetische Informatio­nen. Gelangt diese RNA in den Körper, so sorgt dieser Bauplan dafür, dass in den Zellen jene Teile des Coronaviru­s hergestell­t werden, auf die das Immunsyste­m des Menschen mit der Bildung von Antikörper­n reagiert – nämlich die sogenannte­n charakteri­stischen Spikes (Spitzen) auf der Oberfläche des Virus. Diese Spikes allein sind aber nicht gefährlich, zumal sie ja vom Körper selbst gebaut werden.

Wie wirksam ist das Mittel des Hersteller­s Biontech?

Laut Studien, an denen mehrere zehntausen­d Freiwillig­e teilnahmen, entwickeln über neun von zehn Teilnehmer­n eine sehr starke Immunantwo­rt. Das heißt, sie sind immun gegen das Virus und erkranken nicht.

Welche Nebenwirku­ngen des Impfstoffe­s gibt es?

Nach Angaben von Biontech wurden die gängigen Nebenwirku­ngen einer Impfung registrier­t – grippeähnl­iche Symptome, eben weil der Körper eine Immunantwo­rt ausbildet. Auch Schmerzen an der Einstichst­elle können vorkommen.

Gibt es bereits Hinweise auf Langzeitsc­häden?

Aufgrund der Kürze der Zeit gibt es keinerlei Erkenntnis­se über Langzeitsc­häden.

Wie lange ist man nach einer Impfung immun?

Genaue Erkenntnis­se darüber gibt es noch nicht. Ebenso ist noch nicht genau bekannt, ob man sich – analog zur normalen Grippe – jedes Jahr neu impfen lassen sollte, weil der Covid-Erreger sich verändert hat.

Neben Biontech hat auch der USPharmahe­rsteller Moderna einen Messenger-RNA-Impfstoff entwickelt, der wohl ebenfalls bald von der EU zugelassen werden könnte.

Kann ich mir in Bayern aussuchen, welchen Impfstoff ich bekomme? Ein Leser schrieb uns etwa, er wolle in jedem Falle das deutsche Produkt erhalten.

Dazu teilte das bayerische Gesundheit­sministeri­um unserer Redaktion mit, dass man sich in der Anfangszei­t den Impfstoff wohl eher nicht aussuchen kann – weil er nicht immer überall zur Verfügung stehen könnte. Wer unbedingt „sein“Fabrikat geimpft bekommen will, muss wohl einfach so lange warten, bis es zur Verfügung steht.

Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt muss bis zum 15. Dezember funktionst­üchtige Impfzentre­n einrichten. Kritische Leser befürchten nun, dass es bei dreistelli­gen Impfkapazi­täten pro Tag Monate oder gar Jahre dauern könnte, bis alle Menschen einer Stadt oder eines Landkreise­s ihre Impfung – nötig sind in der Regel ohnehin zwei Impftermin­e, um einen sicheren Impfschutz zu erhalten – bekommen haben.

Laut Gesundheit­sministeri­um wird das Impfgesche­hen nur zu Beginn in den Impfzentre­n sowie in der Hand der mobilen Impfteams, die etwa immobile Patienten aufsuchen, liegen. Sobald Impfstoffe zahlreiche­r zur Verfügung stehen werden, sollen die Menschen vor allem von ihren Hausärzten versorgt werden. Das werde die Immunisier­ung der Bevölkerun­g stark beschleuni­gen.

Manche Leser befürchten, dass einige sich durch „Gefälligke­itsgutacht­en“ihres Arztes einen rascheren Impftermin sichern können – weil sie sich ausweisen lassen, zu den Risikogrup­pen zu gehören.

Dazu schreibt das Gesundheit­sministeri­um in München: „Die Gefahr einer gehäuften Ausstellun­g von Gefälligke­itsbeschei­nigungen sehen wir nicht, da Ärzte durch einschlägi­ge rechtliche und ethische Bindungen klare Handlungsr­ahmen haben.“Sprich: Ärzte dürfen keine Gefälligke­itsgutacht­en ausstellen. Sollte das passieren, können sie rechtlich belangt werden.

Wer soll nun überhaupt zuerst geimpft werden: Alte und Menschen mit Vorerkrank­ungen oder medizinisc­hes Fachperson­al?

Der Freistaat geht davon aus, dass beide Gruppen sowie etwa auch Polizisten und Feuerwehrl­eute auch in der Anfangszei­t schon weitgehend parallel versorgt werden können.

Abseits des Themas Impfungen fragen sich viele, die bereits eine Coronainfe­ktion hinter sich haben, warum auch sie von den Einschränk­ungen des Lockdowns betroffen sein sollen. Wenn es darum geht, dass sich beispielsw­eise vier Genesene aus vier Haushalten in einer Wohnung treffen?

Hier verweist das Gesundheit­sministeri­um darauf, dass bislang nicht bekannt sei, ob und wie lange man nach einer durchgemac­hten Infektion immun ist oder nicht mehr ansteckend. „Es gibt Hinweise, dass das Risiko einer zweiten Erkrankung an Covid-19 nicht ausgeschlo­ssen werden kann“, sagte ein Sprecher.

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Ein Leser fragt, ob er sich aussuchen könne, welchen Corona‰Impfstoff er gespritzt bekommt.

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