Mittelschwaebische Nachrichten

Alter Schwede!

Neuvorstel­lung Irgendwo zwischen Street Fashion und ökologisch­er Verkehrser­ziehung: Wie Volvos XC40 uns Traditiona­listen überforder­t

- VON TOBIAS SCHAUMANN Fotos: Volvo

Selbst 20 Jahre Automobilj­ournalismu­s schützen nicht vor Überraschu­ngen. Da öffnest du wie zigtausend­mal zuvor die Fahrertür eines Testwagens, ein, was war das noch mal, „Volvo XC40 T5 Recharge R-Design“, und wirst mental förmlich über den Haufen gefahren von einer Farbenwelt, wie man sie vorher nie sah: eine Eruption aus „Lava-Orange“, die sich über Türverklei­dungen, Mittelkons­ole und Teppiche ergießt. Alter Schwede!

Warum wir uns jetzt schon an den Fußmatten-Farben eines Volvos abarbeiten (müssen)? Weil es viel aussagt darüber, wie Pkws heute sein sollten, will man sein Fähnchen in den Wind des launischen Zeitgeiste­s hängen: in der Attitüde cool, dass es wehtut (wobei wir diese Ikonen skandinavi­schen Designs nicht verurteile­n wollen, im Gegenteil), individuel­l wie Berliner Street Fashion und irgendwie so wahnsinnig nachhaltig und vernünftig, dass man damit vor einer Sitzblocka­de von „Fridays for Future“mit Anstand verharren kann. So höret, möchte man den jungen Leuten zurufen, bis 2025

mein Hersteller auf klimaneutr­ale Produktion umgestellt haben. Zum gleich frühen Zeitpunkt soll jeder zweite Volvo ein vollelektr­ischer sein. Versproche­n!

Den Diesel haben die Schweden schon lange entsorgt. Die Lust an der Unvernunft ebenso. Volvos sind ab Werk mit einem eingebaute­n

Tempolimit gesegnet. Bei 180 Sachen ist Schluss, was uns sagt, dass der sonst so hochgehalt­ene Wunsch nach Individual­ität und Freiheit in diesem Fall von den Geboten der Ökologie und Sicherheit überholt wird. Das ist bestimmt ganz richtig so. Über einen neuen programmie­rbaren Schlüssel kann die Höchstgewi­ll schwindigk­eit sogar noch weiter limitiert werden. Verkehrser­ziehung anno 2020. Anderersei­ts: Wer will denn heute noch schnell fahren, geht doch alles zu Lasten des Klimas und vor allem der elektrisch­en Reichweite, die im XC40 T5 Recharge bei maximal 50 Kilometern liegt. Für die hippen Citypendle­r dürfte das aber passen. Sie sind, wenn sie ihren Volvo wirklich bei jeder Gelegenhei­t an die Strippe hängen, rein elektrisch unterwegs. Sogar emmissions­frei, wäre der Strom ein grüner.

Wer – so wie wir rein aus Gründen einer vollumfäng­lichen Testung – den Volvo auch eine Woche lang überhaupt nicht lädt, muss trotzdem kein allzu schlechtes Gewissen haben. Mit etwas mehr als acht Litern Super kommt der Schwede dann aus – bemerkensw­ert angesichts einer Systemleis­tung von 262 PS. Gemeinsam sind sie stark, der auf drei Zylinder geschrumpf­te Benziner und die E-Maschine. Schade, dass die Kräfte allein auf die Vorderräde­r übertragen werden. Puristen hätten Zusatzkost­en und -gewicht wohl lieber in einen guten alten Allradantr­ieb investiert als in die komplexe Plug-in-Hybrid-Technik.

Tradition oder Moderne also? Das kann jeder selbst entscheide­n, der mindestens 50 787 Euro auf dem Konto hat, den Basispreis des Volvo XC40 T5 Recharge R-Design, exklusive der 204 Euro Aufpreis für das Lava-Orange. Was selbst wir ewig Gestrigen schon immer wussten: Schweden ist nicht billig.

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Das Designerst­ück unter den kompakten SUVs: der Volvo XC40.
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Eine Eruption: heiße Interieur‰Ausstat‰ tung in „Lava‰Orange“.

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