Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Killerpilz arbeitet beim Bezirk Schwaben
Mit seiner Band ist Max Schlichter sehr erfolgreich. Nun ist er neuer Popularmusikbeauftragter. Welche Aufgaben dort auf den Musiker warten, welche Beziehung er zu Krumbach hat und weshalb Konzerte einzigartig sind
Was Max Schlichter als neuer Popularmusikbeauftragter macht und welche Beziehung der Musiker zu Krumbach hat.
Krumbach
Der Bezirk Schwaben hat neuerdings einen Popularmusikbeauftragten: Der Profimusiker Maximilian Schlichter bringt neben beinahe zwei Jahrzehnten Bühnenerfahrung mit seiner erfolgreichen Band Killerpilze ein breites Netzwerk und profundes Wissen rund um das Musikgeschäft mit. Sein Handwerk hat er an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach gelernt. Dem von ihm mitgegründeten EMG-Musikinstitut in Breitenthal steht er bis heute als Leitung zur Seite.
Wie wird man Popularmusikbeauftragter?
Max Schlichter: Eigentlich hat mich meine Mutter auf die Stellenausschreibung aufmerksam gemacht. Als ich das Profil gelesen hab, hat sich das sofort richtig angefühlt.
Was ist Ihre Aufgabe?
Schlichter: Künstler aus dem Bereich der populären Musik im gesamten Bezirk Schwaben zu beraten. Dazu zählt alles, was sich weder der Klassik noch der Blasmusik zuordnen lässt – also auch Rock, Folk, Hip-Hop, elektronische Musik und so weiter.
Sie sind selbst schon mit 17 Jahren auf großen Bühnen gestanden. Was hätten Sie sich von einem Popularmusikbeauftragten gewünscht?
Schlichter: Einen unkomplizierten Ansprechpartner für alle Fragen. Wir hatten das Glück, schon früh Kontakt mit Plattenfirmen, Produktmanagern, Produzenten und Medien zu haben. Das war so eine Art Dauerworkshop. Diese Erfahrungen will ich weitergeben.
Wie funktioniert das konkret?
Schlichter: Musiker aus dem Bezirk Schwaben dürfen sich mit allen künstlerischen Fragen an mich wenden: Wie ist mein Songtext? Was muss ich bei der Produktion beachten? Taugt das Songwriting was? Aber auch bei Themen wie Marketing und Finanzierung helfe ich gerne. Ich kann punktuell Tipps geben, aber auch eine gemeinsame Reise mit den Künstlern antreten. Die Wege sind sehr individuell – darum ist auch eine individuelle Beratung nötig. Ganz wichtig: Für die Künstler ist das kostenlos!
Was gehört noch in Ihr Aufgabengebiet?
Schlichter: Verschiedene Projekte. Ein Beispiel: In Kooperation mit dem Förderzentrum Hören habe ich mit dem Inklusionsbeauftragten des Bezirks Schwaben, Stefan Dörle, ein Crowdfunding begleitet. Es ging darum, Musik im virtuellen Raum in 360 Grad sichtbar zu machen. Inklusion ist mir wichtig, darum freue ich mich, dass das Projekt finanziert wurde. Einen großen Stellenwert hat für mich die Lernplattform www.zeixdir.de, für die wir mit der Berufsfachschule für Musik in Krumbach zusammenarbeiten. Während vergleichbare OnlineKurse immense Summen kosten, ist Zeix dir! kostenlos. Ich konnte mein Netzwerk nutzen, um hochkarätige Dozenten zu gewinnen. Die Musiker bekommen Einblicke in Künstlerbiografien zur Inspiration, aber auch handfeste praktische Tipps zu Themen wie Gema oder korrekter Abrechnung.
Nun gibt es in einer Großstadt wie Augsburg eine lebendige Musikszene. Sehen Sie für Ihre Dienste auch Potenzial im Landkreis Günzburg?
Schlichter: Ich habe an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach meine dreijährige Ausbildung gemacht. Da hab ich nach wie vor gute Kontakte. Ambitionierte Musiker gibt es überall. Ich hab gelernt: Schwaben ist groß.
Die Musikwelt hat sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert.
Schlichter: Ich freu mich, dass die Digitalisierung den Do-it-yourselfGedanken stärkt. Als Killerpilze haben wir schon 2009 eine eigene Plattenfirma gegründet – weit bevor das Thema Streaming losging. Durch Kanäle wie iGroove kann jeder Musik auch ohne Label im Rücken vertreiben. Natürlich ist so die Zahl der Veröffentlichungen stark gewachsen. Daher ist die eigene Sichtbarkeit viel wichtiger geworden. Den Austausch mit unseren Fans haben wir damals auf dem Schulhof analog gepflegt: „Gib uns 10 Euro, dann bekommst Du unsere CD handsigniert.“Heute nennt man das Crowdfunding. Auf diesem Weg haben wir später auch unseren Kinofilm finanziert.
Klingt super.
Schlichter: Das hat schon Potenzial. Natürlich haben die digitalen Kanäle auch Einfluss auf den künstlerischen Prozess. Im Radio hieß es: Dein Song sollte nicht länger als drei
Minuten sein. Auf Spotify und Co. können heute auch 10-MinutenHymnen à la Pink Floyd funktionieren. Die Unabhängigkeit von den großen Plattenfirmen ist super. Aber heute sind die Musiker halt auf Algorithmen angewiesen.
Neben der Digitalisierung stellt auch die Corona-Pandemie die Musikbranche vor große Herausforderungen.
Schlichter: Positiv ist, dass die Szene sich stärker vernetzt. Es macht Sinn, beispielsweise für Festivals an gemeinsamen Hygienekonzepten zu stricken. Besonders bitter ist das Ganze für Musiker, die unmittelbar vor der Pandemie an neuen Songs gebastelt haben. Jetzt wäre die Zeit, damit auf Tour zu gehen. Diesen Künstlern fehlen nicht nur die Einnahmen der Konzerte, sondern auch die Investitionen aus der Vorbereitungszeit. Ich sehe eine gesellschaftliche Verantwortung der Kulturbranche, jetzt trotzdem Livemusik möglich zu machen – selbst wenn das dann letztlich nur eingeschränkt oder gar nicht funktioniert. Es geht auch um die Zukunft. Wenn der Bühnenbauer pleite geht, kann er nächstes Jahr keine Bühne mehr stellen. Und der Roadie, der umschulen muss, hat dann keine Zeit mehr, auf Tour mitzukommen. Übrigens gebe ich Musikern gerne Tipps für verschiedene Fördermöglichkeiten.
Ist Musik systemrelevant?
Schlichter: Schon in meiner Jugend war Musik für mich sehr befreiend. Die künstlerische Freiheit, Dinge auf die eigene Art auszudrücken, löst bei Musiker und Hörer ein Gefühl von Freiheit und Diversität aus. Ich habe fast tausend Konzerte gespielt und kenne kein vergleichbares Gefühl. Diese Gemeinschaft zwischen Musiker und Publikum ist einzigartig. Mein Onkel erzählt noch heute von einem Jimi-Hendrix-Konzert: „Das war das abgefahrenste Erlebnis der Welt.“Und ja: Ich glaub ihm. Solche Erfahrungen prägen Menschen und die Gesellschaft nachhaltig. Das fehlt.
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Ein weiteres Kurzinterview mit Max Schlichter finden Sie im Internet unter www.mittelschwaebischenachrichten.de