Mittelschwaebische Nachrichten
Vom Metzger zum Vegetarier
Klemens Brugger hatte eine Familie, beruflichen Erfolg und großes Ansehen in seinem Ort. Doch dann gab der Wahl-Allgäuer alles auf, um sein Leben radikal zu ändern
Jedes Wochenende war er mit seinem Cateringservice auf einer anderen Party, eine ruhige Minute gab es im Leben dieses Mannes nicht. Zu seinen Hochzeiten hatte Brugger sieben Niederlassungen und 50 Angestellte. „Aber irgendwann, so mit 40, bin ich müde geworden. Es ging immer höher und schneller im Leben, und ich wollte das nicht mehr.“
Angefangen hat seine Wandlung mit einer schweren Erkrankung seines Vaters. Daraufhin stellte die Familie ihre Ernährung um. „Früher hatten wir Weißwurst und Leberkäs zum Frühstück gegessen, nun gab es Birchermüsli.“Anschließend beschäftigte Brugger sich intensiv mit dem Thema Ernährung.
„Ich bin immer mehr aus der Wurstküche geflüchtet“, erinnert er sich an diese Zeit. Dann habe er sich entschieden, die Metzgerei zu schließen. Er wollte nicht länger in den Fußstapfen seines inzwischen verstorbenen Vaters stehen – allerdings, was genau er dann wollte, war ihm auch nicht ganz klar. Nur bei einem war er sich sicher: Fleisch gab es nirgendwo in seinem Umfeld in der Qualität zu kaufen, in der er es haben wollte.
Also sattelte der Metzgermeister kurzerhand zum Vegetarier um. Er gab all seine öffentlichen Posten auf und zog sich zurück. Es folgte eine Identitätskrise, während der ihn nicht nur seine berufliche Zukunft umtrieb: „Meine Gemeinde und meine Geschwister haben mich nicht mehr angeschaut“, erinnert sich der heute 62-Jährige. Sie hätten ihm vorgeworfen, dass er sie aufgebe, um seinem Glück hinterherzurennen.
Und der Preis für sein neues Leben wurde noch höher: „Meine Frau hatte genauso viel Pfeffer im Arsch wie ich, und sie wollte ihr öffentliches Leben nicht aufgeben.“Tanzen, viel arbeiten und weggehen habe ihr gelegen. „Nur meins war es eben nicht mehr.“So trennten die beiden sich nach 28 Jahren. „Das waren viele dunkle Tage“, erzählt Brugger und kratzt sich am Kinn. Nur seine Mutter und zwei seiner vier Geschwister hätten ihn in seiner Entscheidung unterstützt. Durch die schwere Zeit der Neuorientierung habe ihm ansonsten vor allem sein Glaube geholfen: „Ich konnte beten und hatte das Gefühl, dass Gott mir zuhört.“
Brugger wollte wieder einen Job finden, der ihn begeisterte, und erinnerte sich schließlich an eine Begebenheit aus seinen Kindheitstagen zurück. Da war er als kleiner Bub mit seinem Vater auf der Suche nach einem Brunnen mit der Rute losgezogen. „Ich bin ihm immer hinterher, mit der Rute in der Hand. Und wenn sie bei mir auch gezuckt hat, war ich stolz.“
Deshalb probierte er sich als Erwachsener wieder am Rutengehen und fühlte sich damit so wohl, dass er es inzwischen zu seinem Beruf gemacht hat. Zusätzlich bietet er Traumdeuten und Lebensberatung an. „Jetzt bin ich richtig glücklich, weil ich Dinge mache, die mir Spaß machen, und Menschen helfen kann.“
Inzwischen wohnt der gebürtige Friedrichshafener in Oberstaufen im Allgäu. „Ich musste aus meiner alten Heimat raus, ich habe da nicht mehr reingepasst“, erklärt er. In Oberstaufen sei er nun glücklich. Wobei er trotzdem mit dem Gedanken spielt, sich eines Tages wieder ein Haus am Bodensee zu kaufen. Die Liebe zur Wurst ist ihm vergangen, die zum See geblieben.