Mittelschwaebische Nachrichten
„Reg dich ab. Braunsein ist keine begrenzte Ressource“
Ziemlich lustig dieses Buch. Das nur vorneweg, weil man als Leser bei einem Roman, in dem die aktuellen Identitätsdiskurse abgehandelt werden, mit vielem rechnet, aber sicher nicht damit: dass sich das so launig und unverkrampft liest wie „Identitti“von Mithu Sanyal. Ein Debütroman, aber nicht die erste Veröffentlichung der Düsseldorfer Kulturwissenschaftlerin. Mit zwei viel diskutierten Sachbüchern wurde sie als Autorin bekannt, eines über die „Vulva – Das unsichtbare Geschlecht“und das zweite „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“. Und nun also dieser Roman mit seinem schon schön schrägen Titel, in dem Identitätsdebatten ebenfalls mit viel Emotion geführt werden, aber Sanyal klug und trickreich den Boden zum Wanken bringt, auf dem all die wütenden Diskutanten stehen. Und damit alle Gewissheiten ...
Der Auslöser all des Chaos in diesem turbulenten Roman ist die charismatische Saraswati, die an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf Intercultural Studies und Postkoloniale Theorie lehrt. Ein Star, internationale Rednerin, gern gesehener Gast bei Maischberger und Lanz, von ihren Studenten fast abgöttisch verehrt. Wobei Saraswati nicht jeden in ihre Seminare aufnimmt, sondern weißen Studenten auch mal erklärt: „Packt eure Sachen. Ihr könnt nächstes Semester wiederkommen. Dieses Seminar ist nur für Students of Colour.“
Dann aber stellt sich heraus: Saraswati, benannt nach der indischen Göttin der Weisheit, die gerne mit wehender Dupatta den Raum betritt, ist weiß. Geboren als Sarah Vera Thielmann in Karlsruhe, Zahnarztfamilie – Migrationshintergrund: null! Oder auch: eine Biodeutsche also. Die Professorin soll Version. Die einer weißen Wissenschaftlerin, die sich fürs indische Aussehen einer Augen-OP unterzogen hat, die Haut mit Hormonen hat nachdunkeln lassen und der Studentin verrät: Am schwierigsten sei es mit den Haaren gewesen, schwarz und schwer fallen sie nun über den Nacken... Inspiriert wurde Mithu Sanyal für den Roman durch den realen Fall der amerikanischen Bürgerrechtsaktivistin Rachel Dolezal, die sich als schwarz ausgegeben hatte und das später so erklärte: Sie fühle sich schwarz mit afrikanischen Wurzeln, trans-black sei vielleicht der richtige Ausdruck. Genau das ist