Mittelschwaebische Nachrichten
Mutterglück und Mutterunglück
Mutterglück! Dieser kleine famose französische Roman handelt auch davon – aber nur am Rande. Weit mehr nämlich vom Mutterunglück, aus dem sich eine junge Alleinerziehende nachts „Kleine Fluchten“erlaubt. Sobald der innig geliebte und umsorgte Sohn schläft, verlässt sie die Wohnung – anfangs nur für eine Runde um den Block, dann werden die Spaziergänge durchs nächtliche Leben immer ausgedehnter, wird die Sehnsucht nach ein bisschen Freiheit immer größer. Das schlechte Gewissen läuft mit.
Dem makellosen Bild der Mutter, die ganz in der Aufgabe aufgeht, sich aufopfert für das Wohl des Kindes, schneidet die Schriftstellerin Carole Fives das Bild einer überforderten und von finanziellen Sorgen geplagten Frau entgegen, die von der Gesellschaft in ihrer Not alleingelassen wird. Der Gerichtsvollzieher schaut voller Gier auf den Computer, sie schleudert ihm verzweifelt entgegen: Das sei ihr Arbeitsgerät. Einen Krippenplatz gibt es nicht, weil sie ihr Kind nicht schon frühzeitig angemeldet hat. In Internetforen für alleinerziehende Mütter schlägt ihr das geballte Unverständnis der Community entgegen. Wie kann man nur? Was für eine verantwortungslose Person? Bestenfalls gibt es ein wenig Aufmunterung nach der Art: „Klar ist es hart, aber wenn ich meine Kleinen lächeln sehe, ist alles andere vergessen.“So ehrlich wie in diesem in kühlem Protokollstil verfassten Roman schildert da jedenfalls niemand, wie Mutter-Un-Glück aussehen kann. Stefanie Wirsching