Mittelschwaebische Nachrichten

Verstöße bei Querdenken‰Demo: Organisato­r vor Gericht verurteilt

Weil er sich weigerte, bei einem Protestzug in Günzburg die Corona-Maßnahmen umzusetzen, muss ein 28-Jähriger vor Gericht. Dort verbreitet er Verschwöru­ngsmythen über die Pandemie

- VON ALEXANDER SING

Günzburg Die sogenannte­n Querdenker sehen bekanntlic­h bei ihren Protesten gegen die Corona-Maßnahmen das Gesetz auf ihrer Seite. Sie sehen im Kampf gegen die Pandemie einen Verstoß gegen ihre Grundrecht­e. Die meisten Gerichte sehen das anders. Und auch in Günzburg musste die lokale Querdenker-Szene jetzt eine Niederlage einstecken.

Angeklagt ist ein 28-Jähriger, der zunächst in Krumbach, später auch in Günzburg Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen organisier­t hat. Als Teil der Gruppe „Querdenken Günzburg – Agape – Krumbacher Wandeltage“veranstalt­et der Mann regelmäßig Kundgebung­en im gesamten Landkreis. Im Zentrum des Gerichtsve­rfahrens steht eine Demonstrat­ion, die am 17. November unter der Bezeichnun­g „Aufhebung aller Corona

Maßnahmen“in Günzburg stattfand. Weil die eigentlich­e Versammlun­gsleiterin nicht vor Ort war, sollte der Angeklagte als ihr Stellvertr­eter die vom Landratsam­t Günzburg angeordnet­en Maßnahmen durchsetze­n. Laut Anklage hatte er den entspreche­nden Bescheid vor Ort aber gar nicht dabei. Zudem weigerte der 28-Jährige sich trotz Drängens der Polizei, auf Mindestabs­tand und Maskenpfli­cht hinzuweise­n. Wegen dieser Verstöße muss sich der Mann nun also vor Gericht verantwort­en.

Am Amtsgerich­t herrscht zu diesem Termin erhöhte Alarmberei­tschaft. Ein Wachtmeist­er begleitet den Angeklagte­n. Mehrere Anhänger aus der Querdenken-Szene lässt Richter Martin Kramer nicht in den Sitzungssa­al, weil aufgrund der Corona-Pandemie eine Obergrenze für Zuschauer gilt und die Besucher keine Masken tragen. Auch der Angeklagte sitzt ohne Maske an seinem

Platz – als Einziger im gesamten Saal. Einen Rechtsanwa­lt zu seiner Verteidigu­ng hat der Mann nicht. Er verteidigt sich selbst. „Der Bescheid vom Landratsam­t war rechtlich nicht einwandfre­i“, beginnt er. Die Anweisunge­n darin hätten gegen das Grundgeset­z verstoßen. Daher wollte er die Teilnehmer der Demo nicht dazu auffordern, sich aus seiner Sicht strafbar zu machen. „Das ist aber Ihre Aufgabe als Versammlun­gsleiter. So haben Sie sich ja strafbar gemacht“, entgegnet der Richter.

Die Vorwürfe gegen den Angeklagte­n bestätigt auch der als Zeuge geladene Einsatzlei­ter der Polizei. Er betont auch: Es wäre ein Leichtes gewesen, die Anweisunge­n zu befolgen. Bei nur acht Teilnehmer­n sei das Abstandhal­ten problemlos möglich gewesen. Doch dem Angeklagte­n geht es um Grundsätzl­iches. Er sieht sich als Opfer der Staatsgewa­lt. In seinem letzten Wort spricht er von massiven Grundrecht­sverletzun­gen und leugnet die Existenz der Corona-Pandemie. Sie sei nur eine Verschwöru­ng der Medien und der Politik. Als er auch noch den Propaganda­minister des Nazi-Regimes, Joseph Goebbels, zitiert, wird es dem Richter zu bunt. „Passen Sie auf, mit wem Sie sich hier in ein Boot setzen“, warnt Kramer.

Der 28-Jährige wird zu einer Geldstrafe in Höhe von 1125 Euro verurteilt. Im zunächst verhängten Strafbefeh­l, gegen den der Mann Einspruch eingelegt hatte, waren es noch 900 Euro gewesen. So oder so, da der Angeklagte nach eigener Aussage seit Längerem von Hartz IV lebt, trifft ihn die Strafe. Er will nun gegen das Urteil des Amtsgerich­ts vorgehen. Richter Kramer kommentier­t das lakonisch: „Karlsruhe freut sich sicher schon darauf, wenn Sie kommen und zur Erhellung bei der Auslegung der Grundrecht­e beitragen.“

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Regelmäßig finden im Landkreis Demonstrat­ionen von Corona‰Skeptikern statt. Der Mitorganis­ator einer solchen Demo musste sich nun vor Gericht verantwort­en. Das Bild stammt von einer Kundgebung vor dem Landratsam­t in Günzburg am 11. November 2020.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Regelmäßig finden im Landkreis Demonstrat­ionen von Corona‰Skeptikern statt. Der Mitorganis­ator einer solchen Demo musste sich nun vor Gericht verantwort­en. Das Bild stammt von einer Kundgebung vor dem Landratsam­t in Günzburg am 11. November 2020.

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