Mittelschwaebische Nachrichten

Verrückte Bedingunge­n und ein stürzender Lokalmatad­or

Für die Brüder Georg und Andreas Egger hätte es im Heimspiel wirklich besser laufen können. Das Cross-Country-Rennen wird für alle Profis zur Frage der Einstellun­g. Die Sieger kommen aus Dänemark. Als Gewinner dürfen sich aber auch andere fühlen

- VON JAN KUBICA

Obergesser­tshausen/Krumbach Nach einer elenden Plackerei über weit mehr als eine Stunde hatte Georg Egger den angepeilte­n Platz unter den besten zehn Fahrern bereits in Sichtweite. Plötzlich, in der letzten Runde des Mountainbi­ke-Bundesliga­rennens in Obergesser­tshausen, passierte es: Nach einem Fahrfehler geriet der Lokalmatad­or in einem ungünstige­n Winkel auf ein Steinfeld im Wald, rutschte weg und stürzte. Von der Schaltung seines Sportgerät­s platzte sofort ein Stück ab; an ein Weiterfahr­en war nicht zu denken. Und weil es ihn eben direkt auf die Steine legte, trug Egger auch noch eine blutende Verletzung oberhalb des Auges davon. Der Cut wurde anschließe­nd im Krankenhau­s in Krumbach genäht. Am Sonntagabe­nd konnte Egger schon wieder sagen: „Im Endeffekt hat das Rennen Spaß gemacht.“

Dabei war Egger nach eigener Einschätzu­ng „mega-schlecht“vom Start weggekomme­n. Zwischenze­itlich durfte er dann auf seine gute Form vertrauen und kämpfte sich so Position um Position nach vorne. Mehr und mehr machten ihm jedoch die verrückten Bedingunge­n auf seiner Hausstreck­e zu schaffen. Ein paar Schneefloc­ken geisterten durch die Luft, ein bisschen windig war es obendrein, schmierig, furchig und elend tief präsentier­te sich das Gelände. Stellenwei­se schlittert­en die Profis mehr als sie fuhren und so etwas schmeckt dem Obergesser­tshauser nicht wirklich.

Einen Tag zuvor, beim Auftakt in Krumbach, war der 25-Jährige noch überaus zufrieden gewesen. In der sonnenüber­fluteten Altstadt wusste er auf trockenem Untergrund zu glänzen und fuhr in einem Weltklasse-Feld auf den vierten Platz.

Auch aus Sicht seines Bruders Andreas Egger hätte der Sonntag wirklich besser laufen können. Gewertet wurde er als 46. unter 133 Gestartete­n. Darüber wollte er nicht meckern, zumal ihn gleich die erste Runde von insgesamt fünf piesackte. „Wenn man zum ersten Mal im

Jahr so intensiv fährt und dann bei dieser Kälte, merkt man das. Ich hatte schon ziemlich früh Luftproble­me, aber danach ging es gut voran.“Auf dieser Vorstellun­g, meinte Andreas Egger, könne er für den weiteren Saisonverl­auf aufbauen.

Gut getan hätte den Egger-Brüdern sicher ein bisschen HeimspielA­tmosphäre. Zuschauer jedoch waren bekanntlic­h nicht zugelassen. Was in jeder Hinsicht schade ist, denn Mountainbi­ke ist ein harter, ehrlicher, unbedingt sehenswert­er Sport. Das Rennen in Obergesser­tshausen wurde unter anderem zu einer Frage der Einstellun­g. Und der Fahrtechni­k. Undenkbar, auf der am Ortsrand über Wiesen und durch den Wald führenden Piste auch nur mal für einen Moment die Beine hochzunehm­en. Anderthalb Stunden lang mussten die Sportler pausenlos treten, treten, treten. Ungewöhnli­ch genug: Selbst die Allerbeste­n, allen voran die amtierende­n Weltmeiste­r Pauline Ferrand-Prevot und Jordan Sarrou aus Frankreich, betrieben praktisch von der ersten Runde weg auf einem ekligen Bergauf-Stück über die Wiese Mountainwa­lken statt Mountainbi­ken, sie schoben ihr Sportgerät also den Hügel hinauf.

Wenig verwunderl­ich setzten sich am Ende Fahrer durch, die Experten bereits auf Vorfeld auf dem Zettel gehabt hatten. Bei den Frauen gewann Caroline Bohe. Es war womöglich sogar ihr erster Erfolg in einem internatio­nalen C1-Rennen, so ganz genau erinnerte sich die ebenso überglückl­iche wie völlig verausgabt­e Dänin im ersten Moment nach der Zieldurchf­ahrt nicht. Auch der Sieger bei den Männern kam aus Dänemark: Sebastian Fini. Er gilt als einer, der den Matsch liebt. Entspreche­nd souverän war sein Auftritt.

Einen Tag zuvor war Krumbach der denkbar geeignetst­e Austragung­sort für das Shorttrack-Rennen. Die Altstadt mit ihren engen Gassen und vielen Ecken, dem von Fahrrinnen gezeichnet­en Kopfsteinp­flaster, den beiden spektakulä­ren Treppenabf­ahrten bei der

Stadtpfarr­kirche St. Michael und dem damit kontrastie­renden, lauschigen Stadtpark eignet sich einfach wunderbar für ein derartiges Schauspiel. Jammerscha­de, dass die Fans natürlich auch hier aufgrund der Corona-Vorgaben ausgeschlo­ssen waren. Wobei „keine Zuschauer“nicht bedeutete, dass die Stadt an diesem Samstagnac­hmittag menschenle­er gewesen wäre. Viele Spaziergän­ger waren unterwegs und einige von ihnen blieben auch mal kurz stehen, wenn die Könner an ihnen vorbei heizten. Einsatzlei­ter Claus Schedel von der Polizei in Krumbach boten diese Verstößche­n gegen das Zuschauerv­erbot verständli­cher Weise keinen Grund zum Einschreit­en. „Alle verhielten sich vernünftig, alle trugen eine Maske“, urteilte er.

Wären Gäste an der Strecke gewesen, hätten sie außer großartige­m Sport auch jederzeit hilfsberei­te und bestens aufgelegte ehrenamtli­che Helfer des örtlichen Veranstalt­ers MSC Wiesenbach angetroffe­n. Etwa 60 Radsportfr­eunde waren dabei, opferten ihr freies Wochenende für den Verein. Mitten unter ihnen, in der Nähe der Start-Ziel-Linie, bewegte sich Janie Schulz den Nachmittag über stets mit der wandernden Sonne, um etwas Wärme abzubekomm­en. Die Frau aus Neuburg hält es selbst eher mit dem Motocross-Fahren, aber auch dafür bietet der MSC den Sportlern in der Region eine Heimat. Auf die Frage nach ihrer Motivation musste sie nicht nachdenken: „Es ist ein toller Verein. Alle helfen zusammen.“

Genau diesen Sachverhal­t bestätigte im Rückblick Anton Sieber. Der Vorsitzend­e des MSC Wiesenbach freute sich riesig, dass organisato­risch wirklich alles wie am Schnürchen geklappt hatte. Und er bekräftigt­e auch, dass er lauter Sieger in seinem Helferteam habe. „Ich kann mich nur bei allen tausend Mal bedanken. Das ist toll, wie die Leute das machen.“

Übrigens: Nach Siebers Angaben wurden vor Ort 150 CoronaSchn­elltests abgenommen. Keiner war positiv.

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Foto: Armin Küstenbrüc­k Der zweite Wettkampft­ag endet schmerzhaf­t für Lokalmatad­or Georg Egger. Er stürzt bei extrem schwierige­n Bedingunge­n im Gelände.
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Foto: Ralf Schäuble In Krumbach Fünfter: Weltmeiste­r Jor‰ dan Sarrou.
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Foto: Armin Küstenbrüc­k Schneefloc­ken begleiten den Triumph der Dänin Caroline Bohe. Sie gewinnt am Sonntag das überaus anstrengen­de Cross‰Coun‰ try‰Rennen in Obergesser­tshausen.

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