Mittelschwaebische Nachrichten
Klage wegen Maibaum: Wie weit fliegt Vogelkot?
Ein Mann im Allgäu will eine alte Tradition beenden, weil Vögel sein Grundstück vollkoten. Er ist deswegen vor Gericht gezogen. Nun braucht es ein Gutachten. Der Bürgermeister ist genervt
Altusried Der Maibaum im Oberallgäuer Altusried hält Bürgermeister, Trachtenverein, Rechtsanwälte und das Amtsgericht Kempten auf Trab (wir berichteten). Besser gesagt, der Bürger, an dessen Grundstück der Maibaum traditionell aufgestellt wird. Denn schon seit mehr als zehn Jahren klagt der Anwohner gegen die Gemeinde. Er beanstandet, dass die Vögel, die sich auf dem geschmückten Baum niederlassen, sein Grundstück vollkoten.
„Des isch a Schmarre, dass’s glei nimmr goht“, kommentiert Franz Merk die Situation. Er ist Vorsitzender der „Koppachtaler“, wie der Altusrieder Trachtenverein heißt, der für das Maibaum-Aufstellen zuständig ist. Schon mehrmals habe er nachgemessen: „Der Baum steht exakt 8,35 Meter von der Hauswand des Klägers weg.“Er bestreite gar nicht, dass es sich auf dem schmucken Baum immer wieder Stare bequem machten. Doch er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie die Vögel bis auf sein Grundstück koten sollen. „Das muss mir mal einer zeigen, dass so ein Vogel acht oder zehn Meter quer scheißt“, sagt Merk.
„Schon seit etwa 50 Jahren steht der Baum hier“, sagt Joachim Konrad, Bürgermeister des Marktes. Auch er hat die Nase voll: „Das ist völlig daneben.“Er habe die Hoffnung gehabt, dass der Kläger durch die mediale Berichterstattung in den vergangenen Wochen seine Klage zurückziehe. „Das ist aber nicht der Fall.“Das Ansehen des Anwohners in Altusried leide darunter. „Es herrscht völliges Unverständnis im gesamten Ort“, sagt Konrad. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Maibaum sowieso ab spätestens Anfang 2024 auf dem neu entstehenden Marktplatz stehen soll.
Das Amtsgericht Kempten, das den Fall behandelt, könne erst mit einem Gutachten eines Ornithologen einen Verhandlungstermin ansetzen, sagt Rechtsanwalt HansGünther Eisele, der den Markt Altusried vertritt. „Der Kläger behauptet, dass die Vögel, die auf dem Maibaum sitzen, mit ihrem Kot die Photovoltaikanlage, die sich auf der Südseite seines Hauses befindet, und auch die Hausfassade beschädigen“, sagt Eisele. Dazu müssten die Vögel laut des Anwalts aber vom Maibaum westlich des Hauses ihren Kot bis zu zehn Meter quer durch die Luft befördern. Das müsse erst ein Vogelexperte beobachten und nachweisen. „Der Kläger müsste hierfür einen Vorschuss in Höhe von 6000 Euro zahlen“, sagt Konrad.
Das kuriose Problem: Derzeit steht in Altusried gar kein Maibaum. Zumindest nicht in einer
Größe, als dass sich der klagende Bürger gestört fühlen könnte. Wegen Corona gebe es lediglich eine etwa ein Meter große Nachbildung, erklärt Franz Merk. Der Vorsitzende des Trachtenvereins kann zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht sagen, ob Anfang Mai dieses Jahres das große Exemplar aufgestellt wird: „Wir warten noch das Corona-Geschehen ab.“Und nur, um ein solches Gutachten durchführen zu können, stelle Merk den Baum „ganz sicher nicht“auf.
Bei einem letzten Schlichtungsgespräch im Oktober 2020 hatten Bürgermeister Konrad und Franz Merk noch versucht, die Wogen zu glätten: „Wir haben dem Kläger mitgeteilt, dass der Baum spätestens 2024 auf dem neuen Marktplatz stehen soll“, sagt Konrad. Der Kläger habe darauf erwidert, dass er das akzeptieren könne, wenn er dafür zwei kostenlose Stellplätze von der Gemeinde bekomme. „Da war für uns dann der Ofen aus“, sagt Konrad.
Jetzt muss das Gutachten eines Ornithologen her