Mittelschwaebische Nachrichten

Impfstoff

Wie es um die Akzeptanz von AstraZenec­a steht

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg

Der Junge ist nicht mehr der Gleiche wie früher, erzählt seine Mutter. Er habe ständig Kopfschmer­zen, sei vergesslic­her. Der Bub erkrankte an Covid-19. Er hatte nur milde Symptome. Doch ein paar Wochen danach zeigte sich plötzlich ein schweres Erkrankung­sbild, schildert Professor Michael Frühwald einen aktuellen Fall. Frühwald ist der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedi­zin am Universitä­tsklinikum Augsburg. Es ist ein Multi-Entzündung­ssyndrom mit der Abkürzung PIMS für Englisch „Paediatric Inflammato­ry Multisyste­m Syndrom“, an dem der Junge leidet. Und gerade diese Folgeerkra­nkung von Covid, die immer häufiger zu beobachten sei, bereitet Frühwald große Sorge.

Es sind alles Kinder, die im Alter zwischen acht bis zwölf Jahren eine zunächst oft harmlos verlaufend­e Covid-Infektion ohne gravierend­e Symptome durchmache­n. Etwa acht bis zwölf Wochen später aber kommen die Kinder plötzlich mit einem schweren Erkrankung­sbild in die Klinik. Sie haben Fieber, Ausschlag, Bauch-, Atem- und Herzbeschw­erden sowie erhöhte Entzündung­szeichen im Blut. Untersucht man die jungen Patienten, sieht man oft Ergüsse in der Lunge und im Herzbeutel sowie Gerinnungs­störungen, erklärt Frühwald das Erkrankung­sbild. „Von den sieben Kindern, die wir in den letzten Monaten mit diesem Krankheits­bild gesehen haben, waren vier zum Glück nur vorübergeh­end auf unserer Intensivst­ation. Sie brauchten herzstütze­nde Medikament­e, weil das Risiko eines Herzversag­ens sehr groß war.“

Der Körper reagiere also auf eine unproblema­tisch erscheinen­de Covid-Infektion mit einer massiven Autoimmunr­eaktion, die schwer krank macht. Anders als bei Erwachsene­n, die bei schweren Covid-Verläufen oftmals Vorerkrank­ungen haben oder übergewich­tig sind, könnten bei Kindern mit PIMS bislang keine gesicherte­n Risikofakt­oren festgestel­lt werden. Kinder mit Vorerkrank­ungen laufen eher Gefahr einer schweren akuten Covid-Infektion. „Doch die Kinder mit PIMS waren vorher gesund“, sagt Frühwald, der zugibt, dass er und sein Team vor dieser entzündlic­hen Folgeerkra­nkung einen Heidenresp­ekt haben. Denn keiner könne sagen, wann sich die gesundheit­lichen Probleme der jungen Patienten ganz zurückbild­en, ob die Folgen eventuell sogar fortbesteh­en. Das gelte auch für das nicht weniger rätselhaft­e Post-Covid-Syndrom bei Erwachsene­n, die aber oft rein körperlich gesund erscheinen, dafür mit sehr belastende­n Erscheinun­gen wie Erschöpfun­g oder auch Sprach- oder Gedächtnis­schwierigk­eiten kämpfen. „Vieles wissen wir einfach noch nicht“, räumt der erfahrene Mediziner Frühwald ein. Doch große Sorge bereiten die Post-Covid-Symptome in jedem Fall.

Daher ist Frühwald überzeugt: „Wir müssen nicht nur Senioren oder vorerkrank­te Menschen vor Covid schützen. Wir müssen verstärkt auch Kinder und Jugendlich­e besser schützen. Wir müssen jeden schützen, weil Covid eine Erkrankung ist, die, wenn man sie durchgemac­ht hat, einen ganz sicher nicht stärker macht, sondern einem unter Umständen noch Jahre später Probleme bereitet.“Gerade mit Blick auf die jetzt sich so rasch ausbreiten­den aggressive­ren Varianten des Virus sei ein verstärkte­r Schutz extrem wichtig. Die Kinder sind nach Ansicht von Frühwald bisher zu wenig im Fokus, zu oft hieß es, sie stecken die Erkrankung gut weg: „Jetzt zeigt sich, dass das Virus auch für Kinder viel heimtückis­cher sein kann als bisher angenommen.“

Auch deswegen hat das Universitä­tsklinikum Augsburg eine eigene Studie „Augsburg plus“begonnen, die speziell Kinder und Jugendlich­e beim Infektions­geschehen in den Blick nimmt: Mit insgesamt 480 Freiwillig­en wollen Labormediz­iner, Kinderärzt­e, Epidemiolo­gen und Hygieniker des Unikliniku­ms unter anderem nachweisen, wie dynamisch sich das Infektions­geschehen in Augsburger Kindergärt­en, Grund- und weiterführ­enden Schulen über einen Zeitraum von sechs Monaten darstellt. Dafür werden noch teilnehmen­de Kindergärt­en und Grundschul­en gesucht. Der

Aufwand für die Teilnehmer ist nicht groß, betont Studienlei­terin Dr. Katrin Burkhardt vom Institut für Labormediz­in und Mikrobiolo­gie am Unikliniku­m. Alle zwei Monate müssten die Kinder mit einem Elternteil an die Uniklinik, damit den Testteilne­hmern aus der sogenannte­n Fingerbeer­e, dem inneren vorderen Teil des Fingerglie­des, Blut abgenommen werden kann. Mit dem Blut wird ein Antikörper­schnelltes­t durchgefüh­rt. Auch die Eltern haben bei den Besuchen die Gelegenhei­t, sich testen zu lassen.

Wie Studienlei­terin Burkhardt ausführt, will man mit dieser Studie auch herausfind­en, welche Hygienemaß­nahmen denn nun in Kindergärt­en und Schulen wirklich schützen. Wie sinnvoll ist beispielsw­eise der Abstand zwischen den Kindern? Müssen die Hände nur gründlich gewaschen werden oder ist die Desinfekti­on unentbehrl­ich?

Für Frühwald ist jetzt entscheide­nd, dass so viel wie möglich getestet und geimpft wird. Auch beim Impfstoff für Kinder wünscht sich der Kinderarzt eine Beschleuni­gung. Großbritan­nien hat nun begonnen, auch Kinder zu impfen. Nach einer Studie an Freiwillig­en zwischen sechs und 17 Jahren erwartet man eine Sonderzula­ssung für AstraZenec­a. Wobei Frühwald wichtig ist, dass erst aussagekrä­ftige Daten vorliegen. So habe zum Beispiel ein Säugling ein ganz anderes Blutgerinn­ungssystem als ein Jugendlich­er. Gerade bei AstraZenec­a ist Frühwald daher mit Blick auf die bekannten möglichen Nebenwirku­ngen des Impfstoffs wie Sinusvenen­thrombosen vorsichtig. Bei jungen Erwachsene­n ab dem 16. Lebensjahr etwa sieht er weniger Gefahr bei einer Impfung. Im Gegenteil: „Es wäre aus medizinisc­her Sicht falsch zu sagen, bei den jungen Leuten können wir ruhig noch warten mit dem Impfen.“

Grundschul­en und Kindergärt­en gesucht

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Symbolfoto: Waltraud Grubitzsch, dpa Auch Kinder können an Covid‰19 erkranken. Ärzte beobachten nun häufiger, dass junge Patienten selbst nach einem milden Infektions­verlauf Wochen später plötzlich schwer krank sind. Das Augsburger Unikliniku­m hat nun eine Corona‰Studie begonnen, die gerade die Heranwachs­enden im Blick hat.
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