Mittelschwaebische Nachrichten
Die CSU Unterallgäu als Zünglein an der Waage bei der Nüßlein-Nachfolge? Da werden Erinnerungen wach ...
Hintergrund Die Christsozialen suchen für den Wahlkreis 255 eine Kandidatin oder einen Kandidaten. Mitten im Maskenskandal der wichtigste Punkt im Anforderungsprofil: keine Vorbelastung
redaktion@mittelschwaebischenachrichten.de
Wollen Sie Bundestagskandidatin oder -Kandidat der Christlich-Sozialen Union im Wahlkreis 255 werden? So einfach war es wohl noch nie, denn auch die CSU in der Region steht nach dem Maskenskandal rund um den inzwischen aus der CSU ausgetretenen Dr. Georg Nüßlein vor einem Scherbenhaufen. Nüßlein, der aus Münsterhausen und damit aus dem CSUKreisverband des ebenfalls in den Skandal verwickelten Ex-Justizministers Alfred Sauter stammt, galt für diese Position als gesetzt, bis ihm die jüngsten Ereignisse zur „unerwünschten Person“in der CSU machten.
Also brauchen die Christsozialen jetzt möglichst schnell und möglichst leise eine möglichst gemeinsame Lösung und suchen daher fieberhaft nach einer Kandidatin oder einem Kandidaten, der das Anforderungsprofil erfüllt. CSU-Mitglied sollte sie/er schon sein, wobei selbst das nicht mehr in Stein gemeißelt zu sein scheint.
Dass sich manche gestandene CSUler inzwischen sogar „jemanden von außen, also ohne CSU-Parteibuch“vorstellen können, zeigt den aktuellen Grad der Verzweiflung innerhalb der einst so selbstbewussten und stolzen Regierungspartei. Mitte April sollen sich mögliche Bewerber den Delegierten aller drei Verbände in einem Online-Format vorstellen können. Die endgültige Entscheidung trifft eine Delegiertenversammlung am 29. April.
Unbelastet! Unbelastet! Unbelastet! Das ist das Zauberwort, das eine geeignete Kandidatin oder ein geeigneter Kandidat derzeit vorweisen muss. Und am besten jung.
Idealerweise in der Kommunalpolitik erfahren. Aber auch kein zu erfahrener Kandidat, denn der wäre dann ja vielleicht nicht mehr unbelastet.
Bis zum 29. April werden sich die CSU-Granden auf ihre Wunschkandidatin oder ihren Wunschkandidat geeinigt haben, wenn die Delegierten aus den CSU-Kreisverbänden Günzburg, Neu-Ulm und Teilen des Unterallgäus wählen. Die CSU aus dem Landkreis Neu-Ulm hat mit 78 Delegierten die gewichtigste Stimme, der krisengeschüttelte CSU-Kreisverband Günzburg stellt 61 und immerhin 21 der Delegierten kommen aus dem Raum Babenhausen, Boos, Erkheim und Pfaffenhausen und damit aus einem Teilgebiet des CSU-Kreisverbands Unterallgäu.
Auch die Neu-Ulmer Christsozialen suchen eine Bewerberin oder einen Bewerber. Die Suche fällt dem dortigen Kreisvorsitzenden und Neu-Ulmer Landrat Thorsten Freudenberger nicht leicht, zumal er selbst und auch die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger bereits dankend abgewunken haben. Genannt wird der Kellmünzer Bürgermeister Michael Obst, doch der hat mit Vorbehalten zu kämpfen, weil er einst für die UWG im Bucher Gemeinderat saß. Heute gehört er der CSU an, für die er auch im Neu-Ulmer Kreistag sitzt.
Und ja, auch die CSU im Kreis Günzburg hält offiziell Ausschau nach einer Frau oder einem Mann, der seinen Hut als Nachfolger von Nüßlein in den Ring werfen will. Doch als Nachfolger für Nüßlein anzutreten, dessen Name derzeit in einem Atemzug mit der Maskenaffäre, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Durchsuchungen genannt wird – selbst eingefleischte
CSU-Anhänger wenden sich da mit Schaudern ab und können sich nicht so recht vorstellen, wer sich das unter diesen Vorzeichen antun will. Hinter vorgehaltener Hand machen die CSU-Granden daher auch gar keinen Hehl daraus, was sie von möglichen Bewerbern aus dem KrisenKreisverband halten: „Die Günzburger CSU ist diesmal raus!“
Schließlich ist da ja auch noch das Unterallgäu, das hier ein Wörtchen mitspricht. Schon einmal waren die Delegierten aus dem Raum Babenhausen das „Zünglein an der Waage“– damals, im Dezember 2001, suchte die
CSU nach einem Nachfolger für Theo Waigel. Von der demonstrativen Einigkeit, wie sie die CSU üblicherweise auszeichnet, waren die Christsozialen damals Lichtjahre entfernt und gleich vier Bewerber buhlten um die Gunst der Delegierten. Lange hatte Thorsten Freudenberger aus Vöhringen als Favorit gegolten, doch dann nutzte der CSU-Kreisvorsitzende Alfred Sauter die Uneinigkeit der Neu-Ulmer Parteifreunde und zauberte den Münsterhausener Georg Nüßlein aus dem Hut – mit Erfolg, denn Freudenberger zog mit 59 zu 61 Stimmen gegen Georg Nüßlein für viele überraschend den Kürzeren. Der damals 32 Jahre alte DiplomKaufmann, den die JU im Kreis Günzburg erst wenige Wochen vor der Nominierung ins Rennen geschickt hatte, war wegen der Uneinigkeit der Neu-Ulmer am Ende der lachende Vierte.
Damals sollen es vor allem die Nominierten aus dem Unterallgäu gewesen sein, die sich für Nüßlein und damit auch gegen Freudenberger entschieden haben. CSUKreisvorsitzender im Unterallgäu war Klaus Holetschek, der heutige bayerische Gesundheitsminister und Altbürgermeister von Bad Wörishofen
Und heute? Diesmal ist aus den CSU-Kreisverbänden GZ und NU vor allem zu hören, wer alles NICHT für eine Kandidatur zur Verfügung steht. Auch im Unterallgäu hält man derzeit noch nichts von voreiligen Äußerungen – Namen werden gehütet wie Staatsgeheimnisse. Dabei sollen dem CSUKreisvorsitzenden Franz Josef Pschierer gleich zwei schriftliche Bewerbungen von zwei männlichen Bewerbern aus dem nördlichen Unterallgäu auf den Tisch geflattert sein, wie die Mindelheimer Zeitung erfuhr. Um wen es sich dabei handelt? „Kein Kommentar!“, sagt Pschierer und verweist auf die Delegiertenwahl des CSU-Kreisverbandes Anfang April. Am vergangenen Sonntag klopften die drei CSU-Kreisverbände per VideoSchalte mögliche Kandidatinnen und Kandidaten ab.
Dabei fiel wohl auch der Name von Verena Winter aus Kettershausen. Offiziell gibt es dafür natürlich keine Bestätigung. Die JUVorsitzende im Landkreis Unterallgäu würde freilich dem aktuellen Anforderungsprofil entsprechen: Unbelastet (!!!), gerade mal 30
Jahre alt, Juristin und als 2. Bürgermeisterin, Gemeinde- und Kreisrätin mit Wurzeln in der Kommunalpolitik. Und, falls es noch nicht erwähnt wurde: Verena Winter gilt als unbelastet.
Direkt auf ihre möglichen Ambitionen angesprochen wollte sich Verena Winter gegenüber der Mindelheimer Zeitung nicht äußern, schließlich sei sie ja noch gar nicht gefragt worden. Sollte dies jedoch passieren, dann werde sie sich durchaus geehrt fühlen, so Winter. Ein Nein klingt anders ...
In der Unterallgäuer CSU hat sich Verena Winter Respekt und Anerkennung erkämpft, als sie dem mächtigen Kreisvorsitzenden Franz-Josef Pschierer bei der Auswahl des CSU-Landratskandidaten die Stirn bot und dessen Wunschkandidaten Rainer Schaal infrage stellte – wie sich bei der Wahl dann zeigen sollte, nicht zu Unrecht, denn Schaal scheiterte krachend. „Die steht ihre Frau“, meinte einer anerkennend, der bei der Vorstandssitzung in Pschierers Büro dabei war – nicht zuletzt, weil Winters Widerworte Pschierer damals dazu gebracht hatten, wutentbrannt aus seinem Büro zu stürmen ...
Auch der Kettershauser Bürgermeister Markus Koneberg erfüllt das Anforderungsprofil – nicht nur, weil er erst 44 ist und als „unbelastet“gilt. Der Kettershauser wird auch als Senkrechtstarter gefeiert, nachdem er das Rathaus bei der letzten Wahl mit überwältigender Mehrheit für die CSU erobert hat. Doch von Koneberg kommt ein klares „Nein“auf die Frage, ob er CSU-Bundestagskandidat werden will.
Als gebürtiger Kettershauser könne er sich eine solche Karriere in Berlin nicht vorstellen.