Mittelschwaebische Nachrichten

Die Pionierin

Rachel Levine ist Amerikas neue Vize-Gesundheit­sministeri­n. Das ist der höchste Posten, den eine Transperso­n in der US-Politik bisher innehatte

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Im Senat haben 52 Senatoren, darunter auch zwei Republikan­er, Rachel Levine gerade erst als stellvertr­etene US-Gesundheit­sministeri­n bestätigt. Damit steht die 63-Jährige jetzt im höchsten politische­n Amt, das bisher eine Transperso­n innehatte. Das Weiße Haus sprach von einem „Wendepunkt in der amerikanis­chen Geschichte“.

Rachel Levine wurde als Richard Levine in der Kleinstadt Wakefield im Bundesstaa­t Massachuse­tts geboren. Sie wuchs in einer konservati­vjüdischen Familie auf und besuchte eine hebräische Schule sowie später eine Highschool im nahe gelegenen Belmont. Schon damals fühlte Richard sich eher als Mädchen und hatte Schwierigk­eiten, sich anzupassen. Um nicht aufzufalle­n, spielte er im Footballte­am der Highschool.

Ihre Ausbildung führte die spätere Rachel Levine unter anderem an die Elite-Universitä­t Harvard, ehe sie sich in New York auf Kinderund Jugendmedi­zin spezialisi­erte. 1993 zog sie nach Pennsylvan­ia, wo sie noch immer als Professori­n für Kinderheil­kunde und Psychiatri­e arbeitet. Bis zu ihrer Scheidung 2013 war Levine mit Martha Preaslee Levine verheirate­t, das Paar hat zwei gemeinsame Kinder. Seit 2011 lebt Levine als Frau. Die Geschlecht­sumwandlun­g stand ihrer Karriere nicht im Weg: 2015 wurde Rachel Levine Sanitätsin­spekteurin von Pennsylvan­ia, 2018 stieg sie zur Gesundheit­sministeri­n auf, das Amt hielt sie bis vor kurzem inne.

Jetzt ist sie stellvertr­etende Gesundheit­sministeri­n und hat den Ruf, sich vor allem mit Corona, HIV und Hepatitis gut auszukenne­n. Ihre sexuelle Identität machte sie in ihrer Politikkar­riere, anders als ihre politische­n Gegner, nie zu einem großen Thema. In einer Radiosendu­ng, in der sie im Mai 2020 über das Coronaviru­s sprach, redete sie der Moderator konsequent als Mann an. In einer Senatssitz­ung verglich ein Senator die Operation zur Geschlecht­sangleichu­ng gar mit den Genitalver­stümmelung­en in Afrika. Um so etwas künftig zu verhindern, engagiert Rachel Levine sich in der Organisati­on „Equality Pennsylvan­ia“, die sich für die Rechte von sexuellen Minderheit­en einsetzt.

Auch in ihrem Glauben durchlebte sie einen Wandel: Als Kind einer konservati­vem jüdischen Familie sieht sie sich heute als Reformjüdi­n, das ist eine offenere liberalere Strömung im Judentum. Diese Bewegung stünde ihr offener gegenüber, sagt sie selbst.

Raffi Freedman-Gurspan, die während der Amtszeit Barack Obamas als erste Transgende­r-Person im Weißen Haus arbeitete, sieht in der Berufung Levines eine wichtige Botschaft für junge Menschen und Kinder, die trans oder nicht binär identifizi­erten Geschlecht­s sind und sich fragen, was sie später werden können. Levine selbst wählte ähnliche Worte nach ihrer Bestätigun­g im Senat, als sie jungen Transperso­nen versprach, sich für sie einzusetze­n: „Ich kann euch sagen, dass es in Amerika und in der Regierung einen Platz für euch gibt.“Piet Bosse

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Foto: imago

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