Mittelschwaebische Nachrichten

21 Milliarden Euro liegen ungenutzt herum

Regierung wollte im Corona-Jahr 2020 eigentlich viel investiere­n. Das Gegenteil ist der Fall

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wenn es um finanziell­e Verspreche­n geht, schwelgt die Bundesregi­erung gerne in Superlativ­en. „Wir sorgen dafür, dass unsere Rekordmitt­el dort ankommen, wo sie gebraucht werden“, versprach etwa Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) bei der Vorstellun­g seines Investitio­nsplans. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) holte mitten in der Corona-Pandemie die „Bazooka“raus und kündigte nicht nur Finanzhilf­en, sondern auch Investitio­nen an – in der Scholz’schen Comicsprac­he „Wumms“genannt. Doch mit „Wumms“war letztes Jahr nicht so viel los, wie Zahlen des Bundesfina­nzminister­iums zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach standen im Bundeshaus­halt zwar 71,3 Milliarden Euro für dringend benötigte Investitio­nen in Deutschlan­d zur Verfügung. Davon blieben aber 21 Milliarden Euro ungenutzt.

Ladehemmun­g hatte die Regierung beispielsw­eise beim Konjunktur­paket 2020. Ein Teil davon sollte in den Ausbau und Erhalt der Bundesauto­bahnen fließen. Rund 680 Millionen Euro hätten ausgegeben und verplant werden können, tatsächlic­h floss nicht einmal die Hälfte des Geldes an die heimischen Bauunterne­hmen. Etwa 350 Millionen Euro verblieben in der Staatskass­e.

Erhebliche Minderausg­aben, wie es im Amtsdeutsc­h heißt, waren demnach auch bei geplanten Investitio­nen für die Wasserstof­fstrategie zu verzeichne­n. Rund 200 Millionen, die im Konjunktur­paket 2020 zur Verfügung standen, wurden nicht ausgegeben. Dabei ruhen gerade auf dem grünen Wasserstof­f die größten Hoffnungen der Bundesregi­erung. Deutschlan­d soll hier zum Weltmarktf­ührer aufgebaut werden. Kanzlerin Angela Merkel hatte beim Tag der Industrie im Herbst die Bedeutung von Investitio­nen in Zukunftste­chnologien betont und ausdrückli­ch den Wasserstof­f genannt.

Die Liste nicht getätigter Investitio­nen ist lang und erstreckt sich auf nahezu alle Ministerie­n. Rund 100 Millionen Euro wurden den Zahlen zufolge bei der Investitio­nsförderun­g für den Stallumbau nicht ausgegeben. Auch dies eine Maßnahme aus dem Konjunktur­paket 2020 und mit viel Tamtam von Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) angekündig­t, sollte sie doch der „Gewährleis­tung des Tierwohls“dienen. Beim Breitbanda­usbau flossen 285 Millionen Euro nicht ab. Rund 40 Millionen Euro wurden für die Attraktivi­tätssteige­rung von Bahnhöfen zur Verfügung gestellt. Davon flossen allerdings rund 27 Millionen Euro nicht ab – plus weitere Millionen, die in anderen Bereichen für das Schienenne­tz zur Verfügung gestanden hätten.

Bei der Opposition wird das Finanzgeba­ren der Regierung mit Kopfschütt­eln beobachtet. „Die USA, China und viele unserer europäisch­en Nachbarn investiere­n deutlich mehr als Deutschlan­d“, sagte die Grünen-Haushaltse­xpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion. Die Bundesregi­erung hingegen bekomme es noch nicht mal hin, den Mittelabfl­uss der geplanten Investitio­nen zu gewährleis­ten. „Statt endlich Spitze bei den Investitio­nen in die Zukunft werden zu wollen, gibt sich die Regierung mit Mittelmäßi­gkeit zufrieden“, kritisiert­e Deligöz. Es brauche aber Investitio­nen, um aus der Corona-Krise stark wieder herauszuko­mmen.

Der Investitio­nsbedarf wird von Experten zwar unterschie­dlich hoch eingeschät­zt – die Prognosen bewegen sich zwischen 150 und 450 Milliarden Euro –, aber niemand bestreitet, dass es einen Stau gibt. Die Gründe für das Missmanage­ment sind unterschie­dlich. Die CoronaPand­emie ist nur zu einem kleinen Teil schuld. So wurden Gelder nicht abgerufen, weil Messen abgesagt wurden. Die Hauptprobl­eme fasste die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g, OECD, so zusammen: zu hoher Bürokratie­aufwand, erschwerte­r Zugang zu Finanzmitt­eln sowie die mangelhaft­e Digitalisi­erung der öffentlich­en Verwaltung.

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