Mittelschwaebische Nachrichten
21 Milliarden Euro liegen ungenutzt herum
Regierung wollte im Corona-Jahr 2020 eigentlich viel investieren. Das Gegenteil ist der Fall
Berlin Wenn es um finanzielle Versprechen geht, schwelgt die Bundesregierung gerne in Superlativen. „Wir sorgen dafür, dass unsere Rekordmittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden“, versprach etwa Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Vorstellung seines Investitionsplans. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) holte mitten in der Corona-Pandemie die „Bazooka“raus und kündigte nicht nur Finanzhilfen, sondern auch Investitionen an – in der Scholz’schen Comicsprache „Wumms“genannt. Doch mit „Wumms“war letztes Jahr nicht so viel los, wie Zahlen des Bundesfinanzministeriums zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach standen im Bundeshaushalt zwar 71,3 Milliarden Euro für dringend benötigte Investitionen in Deutschland zur Verfügung. Davon blieben aber 21 Milliarden Euro ungenutzt.
Ladehemmung hatte die Regierung beispielsweise beim Konjunkturpaket 2020. Ein Teil davon sollte in den Ausbau und Erhalt der Bundesautobahnen fließen. Rund 680 Millionen Euro hätten ausgegeben und verplant werden können, tatsächlich floss nicht einmal die Hälfte des Geldes an die heimischen Bauunternehmen. Etwa 350 Millionen Euro verblieben in der Staatskasse.
Erhebliche Minderausgaben, wie es im Amtsdeutsch heißt, waren demnach auch bei geplanten Investitionen für die Wasserstoffstrategie zu verzeichnen. Rund 200 Millionen, die im Konjunkturpaket 2020 zur Verfügung standen, wurden nicht ausgegeben. Dabei ruhen gerade auf dem grünen Wasserstoff die größten Hoffnungen der Bundesregierung. Deutschland soll hier zum Weltmarktführer aufgebaut werden. Kanzlerin Angela Merkel hatte beim Tag der Industrie im Herbst die Bedeutung von Investitionen in Zukunftstechnologien betont und ausdrücklich den Wasserstoff genannt.
Die Liste nicht getätigter Investitionen ist lang und erstreckt sich auf nahezu alle Ministerien. Rund 100 Millionen Euro wurden den Zahlen zufolge bei der Investitionsförderung für den Stallumbau nicht ausgegeben. Auch dies eine Maßnahme aus dem Konjunkturpaket 2020 und mit viel Tamtam von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) angekündigt, sollte sie doch der „Gewährleistung des Tierwohls“dienen. Beim Breitbandausbau flossen 285 Millionen Euro nicht ab. Rund 40 Millionen Euro wurden für die Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen zur Verfügung gestellt. Davon flossen allerdings rund 27 Millionen Euro nicht ab – plus weitere Millionen, die in anderen Bereichen für das Schienennetz zur Verfügung gestanden hätten.
Bei der Opposition wird das Finanzgebaren der Regierung mit Kopfschütteln beobachtet. „Die USA, China und viele unserer europäischen Nachbarn investieren deutlich mehr als Deutschland“, sagte die Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion. Die Bundesregierung hingegen bekomme es noch nicht mal hin, den Mittelabfluss der geplanten Investitionen zu gewährleisten. „Statt endlich Spitze bei den Investitionen in die Zukunft werden zu wollen, gibt sich die Regierung mit Mittelmäßigkeit zufrieden“, kritisierte Deligöz. Es brauche aber Investitionen, um aus der Corona-Krise stark wieder herauszukommen.
Der Investitionsbedarf wird von Experten zwar unterschiedlich hoch eingeschätzt – die Prognosen bewegen sich zwischen 150 und 450 Milliarden Euro –, aber niemand bestreitet, dass es einen Stau gibt. Die Gründe für das Missmanagement sind unterschiedlich. Die CoronaPandemie ist nur zu einem kleinen Teil schuld. So wurden Gelder nicht abgerufen, weil Messen abgesagt wurden. Die Hauptprobleme fasste die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, so zusammen: zu hoher Bürokratieaufwand, erschwerter Zugang zu Finanzmitteln sowie die mangelhafte Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.