Mittelschwaebische Nachrichten

Kassierte Sauter 300000 Euro für eine Mail?

Im Zuge der Maskenaffä­re wird ein weiteres Geschäft bekannt, das dem Landtagsab­geordneten viel Geld eingebrach­t hat. Es geht um die Zulassung eines Schnelltes­ts und eine Nachricht an das Büro von Markus Söder

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

München Kurz vor dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle haben die Spitzenfor­scher der Firma GNA Biosolutio­ns ein tolles, innovative­s Produkt marktreif: einen CoronaTest, der das Tempo von Schnelltes­ts mit der Qualität des sehr genauen PCR-Standards kombiniert und dabei noch mobil einsetzbar ist. Innerhalb von nur 40 Minuten soll jeder mit hoher Treffergen­auigkeit wissen, ob er sich mit dem Virus angesteckt hat. Das Produkt verspricht hohe Umsätze für die Firma und einen großen Fortschrit­t für das Land im Kampf gegen die Pandemie. Doch das zuständige Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte verweigert völlig unerwartet am 11. Dezember 2020 die Sonderzula­ssung. In ihrer Verzweiflu­ng wenden sich die Wissenscha­ftler an die Kanzlei Gauweiler und Sauter – und stehen heute plötzlich im Zwielicht.

Denn die GNA Biosolutio­ns aus dem Münchner Vorort Martinsrie­d bekommt einen Tag vor Heiligaben­d dann doch die Sondergene­hmigung für ihren Corona-Schnelltes­t – die Umstände werfen aber drängende Fragen auf. Die erste Frage lautet: Welche Rolle spielt der CSU-Politiker Alfred Sauter dabei, der bereits in der Maskenaffä­re zu den Beschuldig­ten gehört? Nach Informatio­nen unserer Redaktion tut der 70-Jährige zwei Dinge: Er schreibt in seiner Eigenschaf­t als Landtagsab­geordneter an den Büroleiter des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder eine dramatisch formuliert­e Mail, in der er dringend darum bittet, die Staatskanz­lei solle sich für die Zulassung des GNA-Schnelltes­ts einsetzen. Das könnte man noch als legitimes Engagement eines eifrigen Abgeordnet­en zum Wohl des Landes interpreti­eren. Doch wie erklärt sich die zweite Tätigkeit? Anfang Februar rechnet Sauter als Anwalt für seine Dienste über die Kanzlei Gauweiler und Sauter 300000 Euro Honorar plus Mehrwertst­euer ab, die das Unternehme­n auch bezahlt. Nur was genau soll der frühere bayerische Justizmini­ster in den wenigen Tagen zwischen dem 11. und dem 23. Dezember getan haben, das ein solch hohes Honorar rechtferti­gt? Und abgesehen davon: Hat Sauter sein Abgeordnet­enmandat mit der Anwaltstät­igkeit auf unzulässig­e Weise vermengt? Genau das werfen Kritiker dem schwäbisch­en Strippenzi­eher

seit vielen Jahren vor. Doch erst seit die Generalsta­atsanwalts­chaft München gegen Sauter und vier weitere Männer in der Maskenaffä­re ermittelt, geriet der Günzburger ernsthaft unter Druck. Es geht um den Verdacht der Korruption. Sauter soll – zusammen mit seinem damaligen Parteifreu­nd Georg Nüßlein – einer hessischen Textilfirm­a geholfen haben, bis zu 55 Millionen Masken an den Staat zu verkaufen. An die Firma Pecom, die Sauters Familie zuzurechne­n ist, flossen anschließe­nd 1,2 Millionen Euro. Nüßlein sollte die gleiche Summe erhalten. Der Geldfluss wurde aber von der Liechtenst­einer Finanzaufs­icht gekappt. Die Ermittler halten die Zahlungen für

Schmiergel­d. Sauter weist diesen Verdacht genau wie Nüßlein zurück. Seine Behauptung, er habe das zusätzlich zum Anwaltshon­orar erhaltene Geld von Anfang an nach Abzug aller Steuern spenden wollen, halten die Ermittler für wenig glaubwürdi­g. Zwar ging tatsächlic­h eine Großspende von 470000 Euro auf dem Konto einer Günzburger Bürgerstif­tung ein. Allerdings erst am 8. März. Da waren Nüßlein und Sauter längst ins Visier der Justiz geraten. Für die Stiftung stand der Geldsegen unter keinem guten Stern. Erst geriet sie ohne eigenes Zutun bundesweit in die Schlagzeil­en. Dann erhielt der Vorsitzend­e Heinrich Lindenmayr ein Schreiben der Generalsta­atsanwalts­chaft: Das Amtsgerich­t München ordnete an, das Geld bis zur juristisch­en Aufklärung des Falles an die Justiz zu überweisen. Das ist inzwischen auch geschehen.

Offenbar war der Masken-Deal aber nicht das einzige einträglic­he Geschäft, das Sauter in und mit der Pandemie gemacht hat. Die Maskenaffä­re weitet sich womöglich um eine Schnelltes­taffäre aus. Mit der Sache vertraute Personen halten es zwar für den eigentlich­en Skandal, dass das Bundesinst­itut der Firma GNA Biosolutio­ns die Sonderzula­ssung mit der aus heutiger Sicht fragwürdig­en Begründung verweigert hatte, man verfüge bereits über ausreichen­d Schnelltes­t-Kapazitäte­n. Inwiefern Sauter das gegen die neuen Vorwürfe hilft, bleibt aber abzuwarten. Dessen Anwalt Martin Imbeck will sich vorläufig nicht zu der Angelegenh­eit äußern. Die Generalsta­atsanwalts­chaft hat darüber offenbar noch keine Kenntnis. Am Ende könnte es ja sein, dass Sauter

Medizin außer der einen Mail an Söders Büroleiter gar nicht viel getan hat. Nach Auskunft eines Insiders soll „die halbe bayerische Politik“in die Causa GNA Biosolutio­ns involviert gewesen sein. Das Unternehme­n hat einen sehr guten Ruf. Es ist 2010 aus der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t heraus entstanden. Der Freistaat hatte sich noch vor der Zulassung eine Million der innovative­n Tests gesichert. Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger hielt das GNA-Produkt gar für den „weltbesten Test“, dessen Entwicklun­g sein Ministeriu­m nicht umsonst mit acht Millionen Euro gefördert hatte.

Was das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte der Süddeutsch­en Zeitung antwortete, spricht nicht für einen maßgeblich­en Einfluss Sauters bei der Genehmigun­g: Es habe sich um ein reguläres Sonderzula­ssungsverf­ahren gehandelt, eine Einflussna­hme Dritter habe es nicht gegeben. Und auch die Staatskanz­lei bestreitet gegenüber dem Blatt, nach Sauters Mail etwas unternomme­n zu haben. Man habe sich weder schriftlic­h noch telefonisc­h für die Firma eingesetzt, zumal das Wirtschaft­sministeri­um ohnehin befasst gewesen sei. Von einer möglichen Vergütung für Sauter will die Staatskanz­lei erst recht nichts gewusst haben. Alles weitere sei Sache der Generalsta­atsanwalts­chaft, „mit der die Staatsregi­erung umfassend kooperiert“.

Noch sind viele Fragen offen. Der Grünen-Landtagsab­geordnete Max Deisenhofe­r hält es jedenfalls für wenig glaubhaft, dass die Staatskanz­lei Sauters Mail einfach ignoriert hat. Er forderte Sauter und Nüßlein am Montag auf, schnellstm­öglich ihre Mandate zurückzuge­ben.

Stiftung musste Sauters Spende wieder hergeben

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Foto: B. Weizenegge­r Alfred Sauter ist seit Jahrzehnte­n Land‰ tagsabgeor­dneter.

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