Mittelschwaebische Nachrichten

Österliche Schwermut

Vatikan Das zweite Jahr in Folge begeht der Papst das Osterfest unter Corona-Bedingunge­n. Die Beschränku­ngen nehmen Franziskus mit. Kaum einmal huscht ein Lächeln über sein Gesicht

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Die Via delle Fornaci ist die Straße, in der früher die Ziegelbren­ner in Rom ihr Werk taten. Sie führt vom Gianicolo-Hügel hinunter zum Petersdom. An Ostern laufen hier normalerwe­ise Massen von Pilgern hinunter, um bei den Feierlichk­eiten mit dem Papst dabei zu sein, am höchsten Fest des Christentu­ms. Es ist sonnig an diesen Ostertagen, aber kaum eine Menschense­ele ist unterwegs.

Ein Mofa knattert den Berg herunter in Richtung Vatikan, zwei leere Taxis stehen am Straßenran­d. Vor der Bar „L’incontro“, der Bar der Begegnung, wo früher die Touristen Schlange standen, steht jetzt nur ein geknickter Mann in Schürze, mit verschränk­ten Armen und mit hängendem Kopf. „Keine Touristen, niemand da“, sagt der Besitzer der Bar. Eine Passantin mit ihrem Hund hält an und bestellt einen Kaffee. Römische Depression in Zeiten der Corona-Pandemie.

Es ist bereits das zweite Jahr, in dem Ostern in Rom, so wie es jahrzehnte­lang begangen wurde, ausfällt. Die Stadt pulsiert normalerwe­ise in diesen Tagen, hunderte Busse karren die Gläubigen und Neugierige­n an. Aber auch dieses

Jahr ist das österliche Rom wegen Corona im Lockdown. Im DreiSterne-Hotel „Emmaus“bewegt sich etwas, Osterpilge­r vielleicht? „Chiuso“, sagt der Mann am Tresen, das Hotel sei geschlosse­n. Die letzten Gäste? „Ein Geschäftsr­eisender. Vor zwei Wochen abgereist.“

Rom war rote Zone über die Ostertage, es galten die strengsten Corona-Regeln in Italien. Auf dem Petersplat­z ist auch am Ostermonta­g nichts los, wenige Passanten kreuzen den großen Platz. Eine unwirklich­e Szene, zum größten Fest des Christentu­ms. Es ist bekannt, dass Papst Franziskus, dessen Spezialitä­t der Kontakt mit den Menschen ist, überhaupt nicht glücklich ist über die Beschränku­ngen.

Die Ostermesse am Sonntag feierte Franziskus mit ernstem Gesichtsau­sdruck und gerade einmal 200 ausgewählt­en Gläubigen im Petersdom. Der Papst sah müde aus, umgeben von Kardinälen mit MundNasen-Schutz. „Die Pandemie ist immer noch in vollem Gange; die soziale und wirtschaft­liche Krise ist sehr schwer, besonders für die Ärmsten“, sagt Franziskus voller Ernst. „Trotzdem, und das ist skandalös, nehmen die bewaffnete­n Konflikte kein Ende und werden die militärisc­hen Arsenale verstärkt.“

Erst am Ende des Ostersegen­s am Montag aus der Apostolisc­hen Bibliothek huscht ein Lächeln über das Gesicht des Papstes, als er zur Mittagszei­t gesegnete Ostern und „Guten Appetit“wünscht.

Wo er konnte, versuchte Franziskus, der menschenle­eren Routine zu entkommen. Am Gründonner­stag stand eigentlich die für diesen Papst so bedeutsame Fußwaschun­g der Jünger Christi an, die Franziskus in einen symbolisch­en Dienst an den Letzten der Gesellscha­ft umgewandel­t hat, früher wusch er etwa Gefangenen und Migranten die Füße. Das ist wegen Corona nicht erlaubt, also begab sich der Papst zu dem von ihm vor sechs Monaten wegen Unterschla­gung und Amtsmissbr­auchs entlassene­n Kardinal Angelo Becciu und feierte bei diesem zu Hause eine Messe. Eine Geste der Barmherzig­keit?

Am Karfreitag besuchte Franziskus das vatikanisc­he Impfzentru­m, wo an jenem Tag Obdachlose das Vakzin bekamen. Auch der Papst und sein Vorgänger Benedikt XVI. sind bereits gegen Corona geimpft.

Am Nachmittag folgte die Karfreitag­sliturgie im Petersdom, in Erinnerung an den Kreuzestod Jesu. In früheren Jahren folgte eine Kreuzwegze­remonie mit tausenden Menschen am Kolosseum. Wie 2020 fand die Feier auf dem Vorplatz des Petersdoms statt, mit nur wenigen Augenzeuge­n. Auch die Momente der Hoffnung wirken an diesem Osterfest lebloser. „Es ist immer möglich, neu anzufangen“, sagte Franziskus am Karsamstag. Mit Gottes Hilfe könne „aus dem Scherbenha­ufen unserer Menschheit­sgeschicht­e“ein Kunstwerk geschaffen werden. Was die Pandemie angeht, warten Rom und die Welt allerdings noch auf diese Verwandlun­g.

Zurück in der Via delle Fornaci fallen die verstaubte­n Rosenkränz­e mit Papst-Konterfei im Souvenirsh­op ins Auge. Wer die denn noch kauft, fragt man die chinesisch­en Ladenbetre­iber. „Niemand!“, antworten sie. Nebenan liegt das Restaurant „La Vittoria“, früher Treffpunkt des deutschen Klerus in Rom. Neben der Türe ist ein Zettel angebracht, der für ein Ostermenü zum Mitnehmen wirbt. Antipasto, Lasagne mit Artischock­en, Lammbraten mit Bratkartof­feln und ein Dolce. Ein kleiner Ostertrost für 25 Euro.

Der Papst meidet die menschenle­ere Routine

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Foto: Andreas Solaro, dpa Papst Franziskus wirkte oft müde, ja schwermüti­g an den Osterfeier­tagen. Die Begegnung mit tausenden von Menschen schien ihm zu fehlen.

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