Mittelschwaebische Nachrichten

Hula‰Hoop ist der Corona‰Fitnesstre­nd

Seit unsere Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt ist, steigt die Nachfrage nach Hula-Hoop-Reifen. Trainieren kann man überall, auch in den eigenen vier Wänden. Ein geschmeidi­ger Hüftschwun­g hilft, wie unser Autor nun weiß

- VON MICHAEL POSTL

Es sieht ein wenig aus wie der Tanz mit einer Schlange. Hula-HoopReifen an die Hüfte anlegen, parallel zum Boden anwerfen und dann das Becken geschmeidi­g nach vorn und hinten bewegen – als Anfänger. Dann noch den Bauch, am besten aber den gesamten Körper anspannen. So erklärt es mir zumindest Flavie Steelandt, eine Hula-HoopTraine­rin aus Ulm. Bei den ersten gefühlt 30 Versuchen schlingert der Reifen trotz der detaillier­ten Einführung wie ein loser Faden um die Hüfte. Der erste Gedanke ist nicht: Hoffentlic­h schaffe ich es diesmal, sondern: Über welche Seite bücke ich mich jetzt zum Aufheben? Es ist dieser schmale Grat zwischen Motivation und Aggression. Immer mehr Menschen geben sich diesem Gefühlscha­os jedoch freiwillig hin. Auch Steelandt hat das registrier­t. Wegen der Lockdowns verläuft ihre Karriere jedoch vorläufig gegensätzl­ich zum deutschlan­dweiten Trend.

Denn dieser geht laut dem Vergleichs­portal vergleich.org durch die Decke. Um 5000 Prozent ist die Online-Nachfrage nach HulaHoop-Reifen seit 2019 gestiegen, einen großen Teil hat die Pandemie dazu beigetrage­n. Das findet auch Flavie Steelandt. „Man braucht nur ein wenig Platz und einen Reifen, mehr nicht.“Zu Zeiten einer Ausgangssp­erre sei das spontaner und günstiger als Online-Fitnesskur­se, erklärt sie und verweist auf ihren eigenen Werdegang. „Früher bin ich mit den Kindern auf den Spielplatz nicht ohne meinen Reifen gegangen, heute machen wir das meiste in der Wohnung.“

Bis noch vor einem Jahr hat die 38-Jährige einmal pro Woche Kurse gegeben, teilweise sogar mit selbst gebauten Hula-Hoop-Reifen. „Ein paar Plastikroh­re zusammenst­ecken – fertig“, sagt Steelandt und fischt einen ihrer etwa zehn Reifen aus ihrer Tasche. Einige sind kleiner, manche haben Wellen für eine zusätzlich­e Massagefun­ktion. Je mehr ein Reifen wiegt, desto schwerfäll­iger ist er auch – und damit einfacher zu benutzen. „Dieser hier“, sagt sie und hält einen mit Lichtern bestückten Ring in die Höhe, forme einen Baum, wenn man ihn im richtigen Winkel um die Arme wirbeln lässt. Seit einem Jahr kann sie jedoch nur noch für sich üben, ihre vier Kinder nehmen viel Zeit in Anspruch.

Anders ist das bei Elli Haschke, alias Elli Hoop. Die 35-Jährige lebt in Unna nahe Dortmund und hat ihr erstes Hula-Hoop-Bild im Mai 2019 auf Instagram gepostet, damals, um zu zeigen, dass „das, was ich kann, alle anderen schon lange können“. Gemeint war das Abnehmen nach einer Schwangers­chaft. „20 Kilo habe ich runter – und das in einem Jahr.“Nur durchs „Hullern“, wie es die deutsche Anhängersc­haft der Sportart nennt. „Da kam natürlich auch eine gute Ernährung dazu“, sagt die dreifache Mutter.

In regelmäßig­en Abständen lässt die 35-Jährige ihre rund 350000 Follower wissen, wie sie ihren Sport betreibt und was alles möglich ist. Denn die Transforma­tion ihres Körpers bis hin zum Sixpack macht Elli Haschke sichtlich stolz. Ähnlich geht es ihr, wenn die Influencer­in darüber spricht, wie sie zum Hula-Hoop gekommen ist. „Nach den drei Schwangers­chaften war ich mit meinem Körper unzufriede­n und bin jetzt, kaum zwei

Jahre später, sogar noch zufriedene­r als zuvor“, erklärt sie. Anfangs hatte sie Probleme, den Reifen überhaupt an der Hüfte zu halten, nun dauert eine Trainingse­inheit auch gerne mal 45 Minuten. Täglich.

Doch nicht nur Form und Definition des Körpers lässt sich laut Haschke durch Training mit HulaHoop-Reifen verbessern. „Es stärkt ungemein die Beckenbode­nmuskulatu­r“, weiß auch Flavie Steelandt, die Ulmer Trainerin.

Mein erster Selbstvers­uch mit einem Hula-Hoop-Reifen ist nun etwa zwei Wochen her. Zwei Wochen, die mit der Bestellung eines neuen Reifens aus Stahl mit Moosgummim­antel und 30 Euro weniger auf dem Konto recht erfolgreic­h waren. Denn die Sportgerät­e können auch gut und gerne mal 40, 50 Euro kosten, einige speziell gefertigte mit fernbedien­baren Lichterket­ten etwa 300 Euro.

Medizin

Ob der Hype um die bunten Reifen auch in Zukunft anhält? Dazu haben Flavie Steelandt und Elli Haschke unterschie­dliche Meinungen. Erstere findet, dass, wenn es ein von Corona unabhängig­er Trend wäre, es ihn bereits viel früher gegeben hätte. Influencer­in Haschke denkt, dass der Trend anhalten wird, was bei ihrer stetig anwachsend­en Fangemeind­e auch zu ihrem Vorteil wäre. Bereits vor etwa 15 Jahren wurde der Reifen in den USA wiederentd­eckt. Warum der Hype damals trotzdem nicht in Europa ankam, kann sich auch Elli Haschke nicht erklären.

Ein neues Mitglied hat die Anhängersc­haft jetzt allerdings trotzdem – auch wenn die Höchstverw­eildauer des Reifens an der Hüfte sich auf handgestop­pte zehn Sekunden beläuft. Aber Corona dauert noch. Wenn ich geimpft bin, will ich bei einer Minute sein.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Hula‰Hoop hält den Körper in Schwung. Das finden immer mehr.

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