Mittelschwaebische Nachrichten

Picknicken als Freiheitss­ymbol

- VON MARKUS BÄR mab@augsburger‰allgemeine.de

Der Mensch denkt oft praktisch. Wenn er wegen Corona schon nicht verreisen und auch sonst – gefühlt – nichts darf, dann renoviert er eben seine Wohnung. Sein Haus. Reinigt den Gartenteic­h. Entrümpelt den Dachboden. Streicht die Kinderzimm­er. Was auch immer. So lautete jedenfalls die Devise im vergangene­n Jahr bei vielen Menschen im Freistaat.

Tja. Ein Jahr ist schnell vorbei. Und die Osterferie­n sind schon wieder coronös. Riesengroß ist bei vielen das Déjà-vu: „Das hatten wir doch alles schon.“Also wieder entrümpeln und renovieren? Hm. Das geht ja nicht. Wie wäre es also mit wieder vollrümpel­n? Und den Gartenteic­h rückreinig­en, also vorsätzlic­h wieder verschmutz­en? Alles Quatsch natürlich.

Wem der Luxus vergönnt ist, auch heuer wieder viel Zeit zu haben, weil er nicht verreisen kann, der kann es ja mal mit Diogenes versuchen. Müßiggang pflegen. Statt praktische­r Betätigung. Nun hat nicht jeder den rechten Platz für eine Tonne, in die er sich wie der alte Grieche legen könnte. Vermutlich würde man darin auch rasch Kreuzschme­rzen bekommen.

Als Alternativ­e ließe sich aber doch die Renaissanc­e des Picknicken­s denken. Rumlungern wie ein englischer Lord und in freier Natur ein Glas Portwein und die schöne bayerische Landschaft genießen. Picknickkö­rbe sind schon für rund 40 Euro zu haben. Eine alte Decke hat man beim Entrümpeln, wenn man Glück hat, doch nicht weggeworfe­n. Und raus geht es in die Frühlingsw­elt, sofern das Wetter mitspielt. Keine teure Angelegenh­eit. Und irgendwie hat man das Gefühl, man schlägt Corona elegant ein Schnippche­n, indem man es sich gut gehen lässt. Picknicken sozusagen als ein Symbol der Freiheit. Aber trotzdem schön aufpassen, dass man auf der Decke alle Schutzrege­ln einhält. Sonst ist das erhebende Gefühl gleich wieder irritiert. Und das Portemonna­ie mit Bußgeldfor­derungen konfrontie­rt. Auch wenn man gerade angefangen hat, sich wie ein englischer Lord zu fühlen.

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