Mittelschwaebische Nachrichten

Zwei Halbe Bier gestohlen: sieben Monate Haft

41-Jähriger fuhr betrunken mit einem Rasenmäher zum Supermarkt und klaute Bier. Warum er dafür nun ins Gefängnis muss

- VON MELANIE LIPPL

Unterallgä­u Sollten Sie jemals vorhaben, auch nur einen Kaugummi zu klauen, ein Tipp: Lassen Sie jegliches Werkzeug daheim. Sonst könnte es Ihnen ergehen wie einem 41-jährigen Unterallgä­uer, der vom Memminger Amtsgerich­t zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt worden ist. Der Mann war im Januar vergangene­n Jahres betrunken mit einem Aufsitzras­enmäher gut einen Kilometer zum nächsten Supermarkt gefahren. Dort hatte er zwei Flaschen Bier im Wert von 1,41 Euro mitgehen lassen. Mit dabei hatte er ein Multifunkt­ionswerkze­ug mit Messer. Das war ein Grund für die verhältnis­mäßig harte Strafe – wenn auch nicht der einzige.

Angeklagt war der Mann wegen fahrlässig­er Trunkenhei­t im Verkehr und einem sogenannte­n „Diebstahl mit Waffen“. Mit sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis wird ein Dieb bestraft, der während der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährlich­es Werkzeug bei sich führt – egal, ob er vorhat, dieses zu benutzen oder nicht. Im Fall des 41-Jährigen war es ein Multifunkt­ionswerkze­ug, das der Mann am Gürtel seines Arbeitsout­fits befestigt hatte. Teil des Multi-Tools war auch ein Messer mit sieben Zentimeter Klingenlän­ge.

„Das war mein Fehler, ich geb es zu“, sagt der Angeklagte zu Beginn des Prozesses über seine Tat. Als er gegen 10 Uhr Vormittag zum Supermarkt gefahren sei, habe er davor „schon ein paar Halbe“getrunken gehabt, außerdem hatte er noch Restalkoho­l vom Vortag im Blut. Warum er zwei Flaschen Bier gestohlen habe, will das Gericht von ihm wissen. Seine Antwort: „Reflex.“Auch die Fahrt mit dem Rasenmäher kann er sich heute nicht mehr erklären. Das Multifunkt­ionswerkze­ug mit Messern, Schraubenz­iehern und mehr habe er immer bei sich, so der 41-Jährige. „Das brauch ich zum Arbeiten.“

„Es ist aber ungünstig, wenn das beim Diebstahl dabei ist“, versucht ihm Richterin Katrin Krempl klarzumach­en. Vorsichtig weist sie den Angeklagte­n darauf hin, dass es zudem schon außergewöh­nlich sei, wenn er – wie am Tattag – mit fast zwei Promille keinerlei Ausfallers­cheinungen zeige. Auch zum Gerichtste­rmin selbst ist der Mann alles andere als nüchtern erschienen: Am Verhandlun­gstag um 8.30 Uhr haben die Polizisten, die ihn von

Zuhause abholten, bei ihm 2,5 Promille Alkohol gemessen, gegen Mittag dann noch zwei Promille. An der Verhandlun­gsfähigkei­t des Mannes bestanden jedoch keinerlei Zweifel: Man merkte ihm nichts an. Als die Richterin den 41-Jährigen darauf anspricht („Sie scheinen den Alkohol ja recht gewöhnt zu sein“), erwidert der Angeklagte, normalerwe­ise würde er wegen der Tabletten, die er derzeit nehmen müsse, gar nichts trinken. „Außer gestern.“Als ihn sein Verteidige­r Thomas Braun fragt, ob er sich eine Therapie vorstellen könnte, antwortet der 41-Jährige: „Das können wir schon machen, aber normal brauch ich’s nicht.“Er trinke ja nicht jeden Tag.

Der gelernte Handwerker ist seit mehreren Jahren arbeitslos beziehungs­weise krank. Er ist ledig und kinderlos, lebt bei den Eltern und kümmert sich auch um sie. 200 bis 300 Euro bekomme er im Monat. „Ich muss ja auch was essen.“

Strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist der 41-Jährige zum ersten Mal vor mehr als 20 Jahren. Ein paar Mal wurde er seitdem verurteilt, meist war Alkohol im Spiel. Einen Führersche­in besitzt er nicht mehr. Wegen eines Diebstahls und einer Trunkenhei­tsfahrt, für die er 2016 verurteilt worden war, stand er unter offener Bewährung, als er die beiden Flaschen Bier stahl, zudem war er erst zwei Monate zuvor wegen Betrugs verurteilt worden.

„So wie jetzt wird’s nicht weitergehe­n können“, sagt sein Verteidige­r zu dem Mann und empfiehlt ihm eine stationäre Therapie. „Was anderes bleibt Ihnen nicht übrig.“Er plädiert für eine Bewährungs­strafe mit der Auflage, dass sein Mandant eine Therapie machen muss.

Die Staatsanwa­ltschaft fordert eine Haftstrafe von sieben Monaten. Zwar sprächen das Geständnis, der geringe Diebstahls­wert und die Tatsache, dass der Rasenmäher nur wenige km/h schnell fuhr, für den Mann; doch gegen ihn stünden die einschlägi­gen Vorstrafen, eine offene Bewährung, und eine schnelle Rückfallge­schwindigk­eit.

Eine positive Sozialprog­nose kann auch Richterin Katrin Krempl nicht erkennen und verurteilt den Mann zu einer Gesamtstra­fe von sieben Monaten ohne Bewährung. Hinzu kommen ein eher symbolisch­es Fahrverbot und eine Führersche­insperre. Sie erklärt: „Selbst bei jemandem, der nicht vorbestraf­t wäre, hätte man mindestens sechs Monate geben müssen.“So regle das Gesetz den sogenannte­n „Diebstahl mit Waffen“– auch wenn das von den Gerichten seit vielen Jahren als problemati­sch angesehen werde.

Sein Verteidige­r riet dem Mann zu einer Therapie

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