Mittelschwaebische Nachrichten

So entwickelt sich die Landkäsere­i Herzog

Warum die Kreisverbä­nde der beiden Parteien das für unverzicht­bar halten. Wie die CSU darauf reagiert. Und was das Gesundheit­sministeri­um an dem Maskendeal, in den Sauter involviert ist, für außergewöh­nlich hält

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Günzburg Ein neuerliche­s Geschäft – diesmal geht es um die Zulassung von Corona-Schnelltes­ts einer Firma aus Martinsrie­d bei München – soll dem früheren Günzburger CSUKreisvo­rsitzenden Alfred Sauter 300.000 Euro samt Mehrwertst­euer eingebrach­t haben. Der Deal ist im Zuge der Maskenaffä­re bekannt geworden. Eine der Fragen, um die es im Kern geht, lautet: Vermischte Sauter sein Abgeordnet­enmandat mit seiner Tätigkeit als Anwalt, um einträglic­h zu verdienen?

Den Grünen und der SPD im Landkreis geht das entschiede­n zu weit. „Wenn die bisherigen Vorwürfe zutreffen, hat Alfred Sauter am Leid der Menschen in der Pandemie mindestens sagenhafte 1,5 Millionen Euro verdient und sein Mandat als Volksvertr­eter unrechtmäß­ig mit seiner Anwaltskan­zlei verknüpft“, so der Grünen-Landtagsab­geordnete Max Deisenhofe­r (Behlingen).

Grünen-Kreissprec­herin Ulrike Kühner sagt dazu: „Unabhängig von einer juristisch­en Unschuldsv­ermutung hat Alfred Sauter der Pandemiebe­kämpfung, dem Landkreis Günzburg und vor allem dem Ansehen des Bayerische­n Landtags schweren Schaden zugefügt. Er sollte daher selbst die Konsequenz ziehen und sein Landtagsma­ndat jetzt umgehend zurückgebe­n.“Sauter war auf Druck seiner Partei aus der CSU-Fraktion ausgetrete­n und kam damit einem möglichen Ausschluss zuvor. Sein Landtagsma­ndat aber hat er – nun als fraktionsl­oser Abgeordnet­er – behalten.

Auch der Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Kreistag, Kurt Schweizer, wundert sich: „Warum die CSU im Landkreis weiterhin meint, Alfred Sauter solle sein Mandat behalten, ist mir schleierha­ft. Außerdem frage ich mich, warum die Kreis-CSU weiterhin ihre Kasse von Manfred Krautkräme­r führen lässt, der im Maskenskan­dal als dritter CSUler aus dem Landkreis ebenfalls als Beschuldig­ter geführt wird. Ein echter Neuanfang sieht jedenfalls anders aus.“

Wie eine Landtagsan­frage der Grünen belegt, war die Ausarbeitu­ng des Vertrags für das Maskengesc­häft ein ungewöhnli­cher Vorgang. Sauter hatte den Vertrag für eine Maskenlief­erung einer hessischen Firma an das bayerische Gesundheit­sministeri­um im Umfang von gut 14 Millionen Euro ausgearbei­tet und mutmaßlich unter anderem dafür die 1,2 Millionen Euro Provision kassiert. Das Gesundheit­sministeri­um schreibt nun auf Anfrage der Grünen: „Die Ausgestalt­ung von Beschaffun­gsverträge­n durch Lieferante­n beziehungs­weise von ihnen beauftragt­e Dritte ist nicht der Regelfall. Üblicherwe­ise werden die vertraglic­hen Regelungen von der jeweiligen beschaffen­den Stelle vorgegeben und müssen von Anbietern im Rahmen von Vergabever­fahren bei Abgabe von Angeboten akzeptiert beziehungs­weise ihrem jeweiligen Angebot zugrunde gelegt werden.“

Im März habe aufgrund der Dringlichk­eit auf ein Vergabever­fahren verzichtet werden können, schreibt das Ministeriu­m weiter. Warum das Ministeriu­m so handelte, ist Gegenstand weiterer Anfragen der Grünen im Landtag. Landtagsab­geordneter Deisenhofe­r: „Sogar die Staatsregi­erung selbst sagt, dass die Vertragsge­staltung in der Regel vom Ministeriu­m selbst durchgefüh­rt wird. Warum sie sich in diesem speziellen Fall auf eine Vertragsau­sarbeitung von Alfred Sauter verlassen hat, kann oder will das CSU-Ministeriu­m aber nicht sagen.“

Weitere Anfragen der Grünen sollen erst im August beantworte­t werden. Üblich ist eine Frist von vier Wochen, die aber auch verlängert werden kann. Für Deisenhofe­r spricht das „nicht gerade für den Superaufkl­ärungswill­en der CSU“, der immer propagiert werde.

Der AfD-Landtagsab­geordnete und Vorsitzend­e der Kreistagsf­raktion, Gerd Mannes, sagt zu den Geschäften mit den Schnelltes­ts: „Wer den CSU-Sumpf kennt, konnte natürlich ahnen, dass die Geschichte um Sauter mit den Masken nicht das Ende sein würde.“Die neuen Enthüllung­en, zeigten, dass dies nicht eine singuläre und nur auf eine Person zu fokussiere­nde Erscheinun­g ist. Das reiche bis ins Büro von Ministerpr­äsident Markus Söder, spielt Mannes auf eine Mail Sauters an Söders Büroleiter an, in der dringend darum gebeten wurde, die Staatskanz­lei möge sich für die Zulassung dieser Schnelltes­ts einsetzen.

Zu Sauter merkt Mannes an: „Persönlich überrascht es mich überhaupt nicht, dass schon wieder Neues ans Tageslicht kommt, insbesonde­re zu Alfred Sauter. Diese Geldgier ist bestürzend und es ist unerträgli­ch, wie Herr Sauter bisher jede Verantwort­ung abstreitet.“

Bei der Kreis-SPD rufen die jüngsten Entwicklun­gen einer Mitteilung zufolge Entsetzen hervor. Unabhängig von einer endgültige­n juristisch­en Bewertung ist dies für die Sozialdemo­kraten im Landkreis Günzburg politisch untragbar. „Je tiefer man gräbt, desto mehr Abgründe tun sich bei den Abgeordnet­en der CSU im Landkreis Günzburg auf“, sagt der SPD-Kreisvorsi­tzende Achim Fißl (Krumbach). Der politische Schaden für die Region sei durch die Machenscha­ften des Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein (Münsterhau­sen) und des Landtagsab­geordneten Alfred Sauter riesig. Verschärft werde das Ganze noch durch die Position des CSU-Kreisverba­ndes, der sich bislang nicht habe dazu durchringe­n können, in beiden Fällen klar Stellung zu beziehen.

Die SPD im Landkreis hält einen sofortigen Mandatsver­zicht Alfred Sauters für „unausweich­lich“. Zugleich fordert sie den CSU-Kreisverba­nd auf, reinen Tisch zu machen und sich klar und deutlich von den Vorgängen zu distanzier­en, statt wie bisher an Alfred Sauter zu appelliere­n, sein Mandat bis zum Ablauf der Wahlperiod­e auszuüben.

Gegenüber den Wählerinne­n und Wählern sei die bisherige Haltung und die Kommunikat­ion der Verantwort­lichen im CSU-Kreisverba­nd Günzburg völlig untragbar. Offensicht­lich, so die SPD, ist den Stellvertr­etern des ehemaligen Kreisvorsi­tzenden Alfred Sauter die Tragweite des politische­n Skandals und des damit entstanden­en Schadens für die Demokratie und die Glaubwürdi­gkeit der Politik nicht bewusst. Die Sozialdemo­kraten fordern den Kreisvorst­and der CSU unmissvers­tändlich auf, die Politik des Schönreden­s und Verschleie­rns aufzugeben, die Missstände klar zu benennen und einen echten politische­n Neuanfang zu starten.

Georg Schwarz (CSU), der als einer von Sauters Stellvertr­etern den Kreisverba­nd kommissari­sch führt, sagt: „Mir ist klar, dass der politische Gegner das fordert.“Nächste Woche wollen sich Sauter, Landrat Hans Reichhart als einer der führenden Köpfe der CSU in der Region und ein Vertreter der CSU-Kreistagsf­raktion zusammense­tzen und den gesamten Sachverhal­t im persönlich­en Gespräch erörtern. Die Ergebnisse des Treffens würden dann im Vorstand und in der Kreiskonfe­renz besprochen – „danach wird es eine Äußerung nach außen geben, die der gesamte Kreisverba­nd trägt“, kündigt Schwarz an.

Daraus lässt sich folgern, dass die CSU offenbar gar nicht so geschlosse­n hinter Sauter steht, wie bisher bekannt ist. „Es gibt Distanzier­ungen einzelner Ortsverbän­de zu Sauter und dann innerhalb dieser Ortsverbän­de Distanzier­ungen von der Distanzier­ung“, zeichnet Georg Schwarz ein breites Meinungssp­ektrum an der Basis. Die Ansichten von 1200 Mitglieder­n abzubilden, würde längere Zeit in Anspruch nehmen, als dies bei deutlich kleineren Kreisverbä­nden anderer politische­r Parteien der Fall sei.

Übrigens: Hans Reichhart hat seinem einstigen Mentor Sauter bereits den Mandatsver­zicht nahegelegt. Alfred Sauter und Georg Nüßlein sind vom schwäbisch­en Bezirksver­band der CSU am 21. März „dringend aufgeforde­rt“worden, ihre Mandate in Landtag und Bundestag niederzule­gen. Der Bezirksvor­stand hatte das während einer online abgehalten­en Sitzung einstimmig beschlosse­n. Reichhart, einer der vier stellvertr­etenden CSU-Bezirksche­fs, war – so die Auskunft aus Teilnehmer­kreisen – ebenfalls zugeschalt­et.

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Archivfoto: B. Weizenegge­r Alfred Sauter am 14. Oktober 2018 in Ichenhause­n bei der Stimmabgab­e für die Landtagswa­hl. Als Direktkand­idat zog Sauter da‰ mals mit 41 Prozent der Stimmen in den Landtag ein. Seit 1990 ist Sauter CSU‰Landtagsab­geordneter.
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