Mittelschwaebische Nachrichten
Die PizzaPosse
Das älteste italienische Restaurant Deutschlands steht in Würzburg. Doch kurz vor dem 70. Geburtstag droht dem legendären Capri das Aus. Der Grund ist ein Fahrradständer
Würzburg Auf der ersten Speisekarte stand: Spaghetti mit Fleischklößchen. So zubereitet wie in den Abruzzen, der Heimat von Nicolino di Camillo. Preis: 3,33 Mark plus Bedienung und Mehrwertsteuer. Und Pizza natürlich, so zubereitet, wie die Amerikaner sie mochten. Mit dünnem Teig und viel Belag. Die US-Soldaten waren die ersten Gäste von Nicolino di Camillo und seiner späteren Frau Janine Schmitt in der Elefantengasse 1. Es war der 24. März 1952, und im Zentrum von Würzburg gab es plötzlich italienische Küche, in Deutschlands erster Pizzeria, dem Sabbie di Capri.
Im März 2022 gäbe es einen runden Geburtstag zu feiern, den 70. für die Pizzeria Capri & Blaue Grotte, wie sie heute heißt – wegen der Nachbildung der berühmten Blauen Grotte auf der Insel Capri, die das Paar 1956 im Keller des Gebäudes einrichtete. Doch daraus wird vermutlich nichts, befürchtet die Verpächterin Birgit Seuffert.
Die Geschichte, wie es so weit kommen konnte, klingt ziemlich kurios, hat aber für Seuffert dramatische Folgen. Sie begann damit, dass die Stadt Würzburg auf einem Teil der bisherigen Freisitzfläche der Pizzeria einen Fahrradständer im Boden verschraubt hat. An der Wand, wo ein Gemälde in lauen Sommernächten den Eindruck eines Blicks auf die Bucht von Capri vermitteln und zum Träumen einladen soll, sollen jetzt Radler ihre Fahrzeuge abstellen.
Seit 1993 habe sie diese städtische Fläche im Sommer komplett als Außenfläche für die Gastronomie nutzen können, bislang habe es nie Probleme gegeben, sagt Seuffert. Nun habe ein Nachbar den Fahrradständer fotografiert und ihr das Foto geschickt, so habe sie davon erfahren, erzählt sie. Das Problem ist: Der Ständer halbiere die Außenplätze, die wegen Corona sowieso schon eingeschränkt seien.
Vor kurzem habe es deswegen einen Vor-Ort-Termin mit Vertretern der Stadt gegeben. „Da hieß es, in diesem Jahr könne man den Fahrradständer noch einmal entfernen, dann komme er aber im Herbst wieder hin und bleibe dort dauerhaft“, hat man Seuffert gesagt.
Dazu muss man wissen, dass sie seit diesem Jahr eine neue Pächterin hat, erzählt sie am Telefon. Doch die habe noch vor dem ersten Öffnungstag gleich wieder um einen Auflösungsvertrag gebeten. Denn angesichts der neuen Situation lohne es sich nicht für die Pächterin, in eine neue Außenbestuhlung zu investieren, geschweige denn, das Lokal überhaupt zu öffnen. „Da bekommt man in Corona-Zeiten schon mal einen neuen Pächter, und dann so etwas“, sagt Seuffert resigniert.
Was sie wurmt: Der Ständer werde kaum genutzt, sagt sie. Für neun Räder bietet er Platz, mehr als zwei oder drei seien dort noch nie abgestellt gewesen. Gleichzeitig habe sie in der nächsten Umgebung 45 Räder gezählt, die an Hauswänden abgestellt waren, sagt sie.
Im Tiefbauamt, zuständig für das Fahrradparken in der Stadt, argumentiert man auf Anfrage, das Lokal sei ja seit zwei Jahren geschlossen und die Fläche deswegen von Anwohnern bereits als Parkplatz genutzt worden. Deswegen sei man dem Stadtratsauftrag nachgekommen, weitere Stellplätze für Fahrräder zu schaffen. Dies sei hier insbesondere notwendig gewesen, nachdem in der Elefantengasse selbst unzählige Räder wahllos an den Hauswänden abgestellt gewesen waren.
Im Hinblick auf die Situation der
Gastronomie in der Pandemiezeit habe man in diesem Fall angeboten, bei Inbetriebnahme des Lokals den Fahrradständer vorübergehend zu entfernen, so die Antwort aus dem Tiefbauamt. Danach sei jedoch eine Einschränkung der Gastronomiefläche zurück auf die Zeit vor Corona beabsichtigt. Im Detail würde der Ständer noch etwas zur Seite gerückt werden und gegebenenfalls um eine Haltemöglichkeit – dann auf acht Plätze – gekürzt werden.
„Zwei Jahre geschlossen?“, fragt Seuffert erstaunt. „Geschlossen war nur im letzten Jahr während des Lockdowns. Und zurück auf die Zeit vor Corona wäre gut, denn da haben wir die Fläche immer komplett nutzen können“, fährt sie fort. Und fragt: „Warum wurde der Ständer nicht, wie an anderen Stellen auch, auf eine bereits als Parkplatz genutzte Fläche montiert? Wenn wir diese Fläche nicht mehr nutzen können, wird es keinen 70. Geburtstag fürs Capri geben.“
Nicolino di Camillo, der CapriGründer, ist 2015 im Alter von 93 Jahren gestorben. Er hatte mal auf die Frage unserer Redaktion, wie seine ersten Gäste 1952 auf die Eröffnung der Pizzeria reagierten, gesagt: „Da haben sie gestaunt.“(mit
Das Amt sagt: Das Lokal ist ja seit zwei Jahren geschlossen