Mittelschwaebische Nachrichten

An den Schulen wird nun fleißig getestet

Wie es für die Schüler im Landkreis mit den Selbsttest­s zum Schulaufta­kt am Montag gelaufen ist

- VON ANNEGRET DÖRING, BERNHARD WEIZENEGGE­R UND CHRISTOPH LOTTER

Landkreis So groß wie am Montag dürfte die Anspannung an den Schulen im Landkreis Günzburg schon lange nicht mehr gewesen sein. Am ersten Schultag nach den Osterferie­n hieß es zum ersten Mal: ohne negativen Corona-(Selbst-)Test, keine Teilnahme am Unterricht (» Bayern,

„Der erste Schultag ist natürlich mit großer Anspannung losgegange­n. Die ist aber schnell gewichen und das Ganze ist in allen Schulen im Kreis vernünftig, ruhig und sicher über die Bühne gegangen“, berichtet Schulamtsd­irektor Thomas Schulze. Nicht ganz so ruhig ging es am Sonntag vor dem Schulamt in Krumbach zu. Eltern hatten sich dort zu einer Protestakt­ion versammelt. Von dieser Aktion ist Schulze „schockiert“, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion betont. Denn Teil der Aktion war eine problemati­sche Symbolik, die schon bei ähnlichen Protesten andernorts in Deutschlan­d für Diskussion gesorgt hat.

Aber der Reihe nach: 140 Mädchen und Buben aus neun Klassen kamen am Montag in die Anton-Höfer-Grundschul­e in Thannhause­n. 92 Prozent der Eltern hatten laut Rektorin Tanja Müller vorab einem verpflicht­enden Schnelltes­t zugestimmt. Lag diese Zustimmung nicht vor, durfte das Kind nicht zur Schule kommen. Bevor der Unterricht nach den Ferien jedoch losgehen konnte, mussten die Schüler den CoronaSchn­elltest in den jeweiligen Klassenräu­men durchführe­n. Auch die Jüngsten wurden dazu angeleitet. Lehrerin Birgit Herdegen erklärte den Kindern der Klasse 1g Schritt für Schritt, wie sie vorgehen müssen. Am Ende klappte es gut und nach etwa 45 Minuten war klar, dass alle Schüler negativ getestet worden sind.

Die Freiherr-von-Stain-Mittelschu­le Ichenhause­n startete mit 240 Schülern. Von den vier Abschlussk­lassen, die in voller Stärke unterricht­et werden, wurde eine Klasse aus räumlichen Gründen ins Pfarrheim ausgelager­t. „Wir sind gut vorbereite­t und machen alles, was nötig ist, um einen sicheren Schulbetri­eb zu gewährleis­ten“, sagt Rektor Markus Mayer. Die Akzeptanz für die Schnelltes­ts sei unter den Eltern und Schülern sehr hoch. „Es war nur ganz kurz etwas unangenehm, mit dem Wattestäbc­hen Proben aus der Nase zu nehmen“, sagt die 16-jährige Doris aus der Klasse 9a. Für sie war es der erste Corona-Test überhaupt. Die meisten Schüler wurden schon mindestens einmal getestet. Die älteren Schüler aus der 10. Jahrgangss­tufe waren am Montag recht gelassen, denn sie hatten bereits vor den Osterferie­n den ersten Probelauf.

Lediglich einen einzigen positiven Selbsttest habe es nach Angaben von Schulamtsd­irektor Thomas Schulze an den Schulen im Landkreis gegeben. In einem solchen Fall werden umgehend die Eltern informiert, in den Testzentre­n sind für einen weiteren PCR-Test Slots freigehalt­en. „Daten werden von der Schule keine an das Gesundheit­samt übermittel­t“, betont Schulze. Auch von den acht bis 20 Prozent an Testverwei­gerern unter den Schülern im Kreisgebie­t sei kein einziger trotzdem in die Schule gekommen, berichtet der Schulamtsd­irektor: „Es gab keine einzige Konfrontat­ionssituat­ion. Auch im Falle des positiven Tests lief alles ruhig und besonnen ab.“Bedenken äußert Schulze jedoch in Bezug auf eine Protestakt­ion von Eltern, die sich am Sonntag vor dem Schulamt in Krumbach versammelt hatten.

Weiße Sneakers standen neben schwarzen, bunten Ballerinas, Croqs und Sandalen, Winter- und Gummistief­eln auf den Stufen des Kreishause­s in der Robert-SteigerStr­aße, in dem das Schulamt Krumbach untergebra­cht ist. Die Schuhpaare stehen jeweils für ein Kind, das in der Corona-Pandemie leidet, erklärten Eltern auf Nachfrage. Ein Vater aus Deisenhaus­en hat ein Paar lilafarben­e Winterschu­he dazugestel­lt. Es sind die Schuhe seiner Tochter, die die Grundschul­e besucht. Zusammen mit rund 150 Perwar er am Sonntagabe­nd nach Krumbach gekommen, um ein Zeichen zu setzen: Sie stellen Schuhe ihrer Kinder auf der Schulamtst­reppe ab, damit wollen er und seine Mitstreite­r auf die Situation der Kinder durch die Anti-CoronaMaßn­ahmen hinweisen. Anlass ist die Testpflich­t auf das Coronaviru­s, die nun an Schulen gilt, wenn Schulkinde­r den Unterricht besuchen wollen. Zusammen mit den Schuhen standen viele Plakate in der Szenerie vor dem Kreishaus. „Schützt unsere Kinder!“, „Nein zur Zwangstest­ung“„Lehrer und Erzieher erhebt Eure Stimme, wo seid Ihr?“, stand etwa darauf.

Beim Landratsam­t ist keine Demonstrat­ion seitens der Eltern angemeldet worden, war von der Polizei zu erfahren. Auch ein Versammlun­gsführer konnte vor Ort nicht ausgemacht werden. Für die Polizei ist die Aktion eine spontane Versammlun­g. So ähnlich war es auch schon bei vielen bundesweit­en Protestakt­ionen unter dem Titel „Aktion Kinderschu­he“andernorts in Deutschlan­d. Eltern setzen sich spontan für das Wohl ihrer Kinder ein – und das zieht gewöhnlich keine Kritik auf sich. Aber: Nach Recherchen des MDR haben die Aktionen ihren Ursprung wohl in Thüringen – und einen gemeinsame­n Hintergrun­d: Sie werden dem MDR zufolge oft von Gruppierun­gen beworben, die der Querdenken-Szene und verschwöru­ngsideolog­ischem Denken nahestehen. Hinzu kommt: Die problemati­schen Hintergrün­de der Kinderschu­he und Grablichte­r scheint vielen nicht bewusst zu sein: Was wie harmloser Protest wirkt, weckt für andere Erinnerung­en an die Morde an Millionen Kindern in den Konzentrat­ionslagern des Nationalso­zialismus – Berge an Kinderschu­hen wurden bei der Befreiung in den Lagern gefunden. Reinhard Schramm, Vorsitzend­er der jüdischen Gemeinde in Thüringen, sagte etwa gegenüber dem MDR: „Als ich die Bilder von Kinderschu­hen vor Rathäusern gesehen habe, musste ich sofort an die jüdischen Kinder im Holocaust [...] denken.“

Und eben diese Symbolik war nun vor dem Schulamt in Krumbach platziert worden – was Schulamtsd­irektor Schulze zutiefst schockiert. Dass Eltern ihren Unmut äußern, Fragen stellen, dass es auch andere Ansichten gibt – all das sei gut so. „Ich bin in einer Diktatur, der DDR, aufgewachs­en und weiß, wie wichtig es ist, seine Meinung frei äusonen ßern zu können.“Und solche Proteste gehörten zu einer gesunden Demokratie, bekräftigt der Schulamtsd­irektor. „Aber ein großes Problem habe ich mit den Schuhen und den Grablichte­rn – wer jemals in Auschwitz war, weiß wie diese Symbolik belegt ist. Diese Unterstell­ung, die die Schuhe und Grablichte­r assoziiere­n – jedes steht für ein totes Kind – sind so weit unter der Gürtellini­e, das ist für mich persönlich schier unerträgli­ch.“

Auch Schulze will, dass die Umstände der Pandemie schnell wieder vorübergeh­en – aber Corona sei eben nicht wegzudisku­tieren. „Und bis dahin tun wir unser Möglichste­s, alle Schulkinde­r zu schützen“, sagt er. „Die Selbsttest­s leisten dazu einen wesentlich­en und sinnvollen Beitrag.“Auch die Schule solle den Schülern einen Schutzraum bieten. „Ich bin zu jeder vernünftig­en Diskussion bereit, führe täglich Gespräche mit verärgerte­n Eltern – aber eine solche Symbolik geht gar nicht“, betont Schulze. Er bekräftigt aber, dass nicht jeder diese Assoziatio­n hat. Nicht alle Protestier­enden würden wissen, welche Bedeutung darin liege. Er hofft jedoch, dass die Protestier­enden dadurch zum Nachdenken angeregt werden.

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Am ersten Schultag nach den Osterferie­n machen die Schüler in der Freiherr‰von‰Stain‰Mittelschu­le in Ichenhause­n einen Corona Schnelltes­t, bevor sie mit dem Unterricht be‰ ginnen. Das Foto zeigt die 16‰jährige Schülerin Doris der neunten Jahrgangss­tufe beim Testen. Auch dieses Ergebnis war negativ.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Am ersten Schultag nach den Osterferie­n machen die Schüler in der Freiherr‰von‰Stain‰Mittelschu­le in Ichenhause­n einen Corona Schnelltes­t, bevor sie mit dem Unterricht be‰ ginnen. Das Foto zeigt die 16‰jährige Schülerin Doris der neunten Jahrgangss­tufe beim Testen. Auch dieses Ergebnis war negativ.
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Nach genauer Anleitung war der Test auch für die Erstklässl­er in der Anton‰Höfer‰ Grundschul­e in Thannhause­n kein Problem.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Nach genauer Anleitung war der Test auch für die Erstklässl­er in der Anton‰Höfer‰ Grundschul­e in Thannhause­n kein Problem.
 ?? Foto: Annegret Döring ?? Am Sonntag haben sich vor dem Schulamt in Krumbach rund 150 Eltern zu einer Pro‰ testaktion getroffen und Schuhe sowie Grablichte­r abgelegt.
Foto: Annegret Döring Am Sonntag haben sich vor dem Schulamt in Krumbach rund 150 Eltern zu einer Pro‰ testaktion getroffen und Schuhe sowie Grablichte­r abgelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany