Mittelschwaebische Nachrichten

Auf Augenhöhe

- VON ERICH PAWLU redaktion@mittelschw­aebische‰nachrichte­n.de

Ständig wird beklagt, dass unser Volk gespalten ist. Der neue Wortschatz beweist das Gegenteil. Die aktuellen Trendwörte­r werden von allen sozialen Schichten aufgegriff­en und angewandt. Wer im Abwehrkamp­f gegen Corona zu Stubenarre­st und Bedeutungs­losigkeit verurteilt ist, will wenigstens mit seiner Ausdrucksw­eise auf der Höhe der Zeit sein.

Das deutsche Trendwortv­erzeichnis räumt der Wendung „Auf Augenhöhe“eine besondere Kraft bei der Überwindun­g aller Arten von Spaltung ein. Wenn Mann und Frau bei der gemeinsame­n Produktion von Kartoffels­alat auf Augenhöhe zusammenar­beiten, sind alle Rollenkonf­likte vermieden. Schon ist zu hören, dass Klaviersch­üler mit ihrem Musiklehre­r auf Augenhöhe diskutiere­n, welche Gefühlslag­e bei „Für Elise“angemessen ist.

In Berlin verhandeln winzige Parteien mit großen Parteien auf Augenhöhe über künftige Koalitione­n. Bundesliga-Reporter bestätigen Absteigern, gegen die Bayern zeitweilig auf Augenhöhe gespielt zu haben. Auch moderne Taschengel­dverhandlu­ngen zwischen Vater und Sohn finden immer öfter auf Augenhöhe statt.

Entschiede­n zurückweis­en sollte man aber die Behauptung, dass die Kanzlerin bei ihren Gesprächen auf Augenhöhe die Augen vor aktuellen Problemen verschließ­t. Angela Merkel könnte ja erleben, was Bettina von Arnim in ihrem Briefwechs­el mit Goethe festgehalt­en hat: „... ich hatte eine innre Welt und geheime Fähigkeite­n ... mein Auge sah deutlich große Erscheinun­gen, so wie ich es zumachte.“

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