Mittelschwaebische Nachrichten

Rettender Engel für Menschen ganz unten

Johanna Miller von der Caritas kümmert sich um Obdachlose in Mindelheim und Bad Wörishofen. Da geht es viel um Papierkram, aber oft ist Reden schon eine Hilfe

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Sie leben am Rand der Gesellscha­ft. Es sind Menschen, die aus unterschie­dlichen Gründen den Halt im Leben verloren haben. Der eine hat seinen Arbeitspla­tz verloren, ein anderer ist schwer erkrankt, ein Dritter hat eine Trennung nicht verkraftet. Schulden haben sie fast alle und nicht selten greifen sie zur Flasche, um ihre Probleme auszublend­en. In Mindelheim und Bad Wörishofen werden diese Menschen nicht allein gelassen. Seit einem halben Jahr kümmert sich Johanna Miller von der Caritas um die Wohnungslo­sen.

Miller hat die Nachfolge von Peter Horn angetreten, der Bürgermeis­ter Stephan Winter und den Mindelheim­er Stadtrat vor ein paar Jahren davon überzeugt hat, wie wichtig es ist, sich auch um die Schwächste­n mit all ihren Problemen zu kümmern. Dabei ist es allerdings schwierig zu messen, wie groß die Erfolge tatsächlic­h sind. Schon Peter Horn musste einräumen, dass es oft nur kleine Fortschrit­te sind, die erreicht werden können.

Johanna Miller hat zuerst als Krankensch­wester gearbeitet. In Kempten studierte sie Soziale Arbeit, wo es um Gesundheit­sförderung und Prävention geht. Bei einem Praktikum beim SKM in der Memminger Wärmestube bekam sie Einblick in die besondere Problemlag­e von Obdachlose­n. Das hat sie motiviert, diesen Weg zu gehen.

Menschen, die unter freiem Himmel

schlafen müssen, gibt es derzeit nicht in den beiden Städten, sagt Miller. Wenn jemand kein Dach über dem Kopf hat, ist die Stadt verpflicht­et, diesen unterzubri­ngen. Dafür gibt es die Obdachlose­nunterkunf­t im Osten Mindelheim­s mit seinen Zwei- bis Dreibettzi­mmern. In Bad Wörishofen sind sie in normalen Wohnungen untergebra­cht.

Miller hat ihr Büro im Nebenflüge­l von Haus St. Georg in der Bürgermeis­ter-Krach-Straße in Mindelheim. Den Kontakt zu ihrer

Klientel sucht sie direkt vor Ort. Dazu hat sie einen gebrauchte­n VW-Bus ohne Aufschrift­en zur Verfügung, der mit Hilfe von Spendengel­dern finanziert wurde. Geholfen hat der Lions Club Bad Wörishofen-Mindelheim, der Energiever­sorger VWEW und die Sparkassen­stiftung.

Einmal die Woche fährt sie raus. Sie klopft an die Türen, und wer aufmacht, bei dem erkundigt sie sich, ob sie helfen kann. Nicht alle haben Gesprächsb­edarf. Manche freuen sich über die Abwechslun­g. Und so manchem kann Miller auch ganz konkret helfen.

Oft haben die Leute Probleme mit der Bürokratie. „Ich helfe dann beim Ausfüllen von Anträgen zum Beispiel fürs Jobcenter.“Es geht um Wohngeld oder auch um Sozialhilf­eanträge. Auch bei zwei anderen Häusern schaut sie vorbei, wo Menschen leben, die wenig Geld zur Verfügung haben. Meist sind Männer betroffen, wobei der Jüngste 23 ist und er Älteste Mitte 60.

Weil ihr Büro direkt neben der Mindelheim­er Tafel liegt und Corona die Lebensmitt­elausgabe sehr erschwert, bringt Miller hin und wieder auch Lebensmitt­el bei ihrer Klientel vorbei. Der Bus ist ja auch groß genug. Und wenn es an Bekleidung fehlt, holt sie eben mal ein paar Sachen von der nahen Klamotte der

Caritas. Einmal hat sie auch eine Öllieferun­g organisier­t, weil die Heizung ausgefalle­n war.

In Bad Wörishofen geht es vor allem darum, dass die Leute ihre Wohnung nicht verlieren. „Droht eine Räumungskl­age, werde ich von der Stadt eingeschal­tet“, sagt Miller. Sie versucht dann zu retten, was zu retten ist. Die Wohnung zu behalten sei immens wichtig. „Deshalb appelliere ich an jeden, sich rechtzeiti­g zu melden, bevor die Wohnung verloren geht.“Hilfen bietet hier auch das Rathaus in Mindelheim an.

Wichtig ist ihr auch die Zusammenar­beit mit anderen Hilfseinri­chtungen. So versucht sie, Suchtabhän­gige zur Suchtberat­ungsstelle der Awo weiterzuve­rmitteln. Und hin und wieder organisier­t sie auch einen Termin bei einem Arzt. Auch mit den Pfarreien sucht sie den Schultersc­hluss.

Die Betreuung der Wohnungslo­sen ist aber nur ein Teil ihrer Aufgabe. Die Hälfte ihrer Arbeitszei­t ist Johanna Miller Schuldnerb­eraterin bei der Caritas. Aber allzu oft geht das ineinander über: Schulden, Arbeitslos­igkeit und Alkoholsuc­ht.

Johanna Miller sucht direkt vor Ort den Kontakt zu den Obdachlose­n

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Symbolfoto: dpa
Obdachlose sind nicht nur in den großen Städten anzutreffe­n. Auch im Unterallgä­u gibt es Menschen ohne festen Wohnsitz. Um sie kümmert sich Johanna Miller von der Caritas. Symbolfoto: dpa
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Foto: jsto Mit einem VW‰Bus ist Johanna Miller un‰ terwegs zu den Obdachlose­n in Mindel‰ heim und Bad Wörishofen.

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